Der offengelegte Künstler
'Franz Schmidbauer
Franz Schmidbauer
Das Ende der Anonymität im WWW und die Auswirkung auf die e-kunst
Am 1. Juli 2005 ist in Österreich das neue Mediengesetz in Kraft getreten. Die Änderungen betreffen vor allem das Internet und haben dort für große Unruhe gesorgt. Es wurde in der Folge gelegentlich bezweifelt, ob der Gesetzgeber überhaupt gewusst hat, was er da regelt. Tatsächlich sind einige Bestimmungen höchst fragwürdig, oder vielleicht sollte man besser sagen „hinterfragenswert“.
Ein Proponent des Gesetzes hat gemeint, der Gesetzgeber könne nicht alles bedenken und die Richter werden das schon richtig auslegen. Nun, ich bin Richter, ich bin aber kein Hellseher, also erwarten Sie nicht, dass ich Ihnen vorhersagen kann, wie der Oberste Gerichtshof im Falle des Falles entscheiden wird. Wozu bringt der Staat überhaupt diesen Formalismus in das World Wide Web? Das hat eine lange Vorgeschichte. Der Traum vom rechtsfreien Raum im Internet ist schon lange ausgeträumt. Auch eine Kennzeichnungspflicht von Online-Inhalten gibt es schon seit einiger Zeit, allerdings beschränkt auf den kommerziellen Bereich.
§ 5 E-Commerce-Gesetz fordert vom Betreiber einer Website sehr detaillierte Angaben über seine Person. Diese Informationspflicht berührt aber einen Online-Künstler nicht, wenn er nicht gerade über seine Website seine Werke verkauft. Das Mediengesetz geht nun darüber hinaus und will alle Anbieter von elektronischem Content erfassen. Die neue Kennzeichnungspflicht für „elektronisch abrufbare Inhalte (Websites)“ – ich übernehme das zunächst einmal so, wie es in § 1 Abs. 1 Z 5a des neuen Gesetzes steht – ist einer der Kernbereiche der neuen Regelungen. Tatsächlich tun sich hier bereits die ersten Unklarheiten auf. Was hat er wohl gemeint, der Gesetzgeber? Setzt er elektronisch abrufbare Inhalte mit Websites gleich, oder hat er zur Kenntnis genommen, dass es im Internet auch andere abrufbare Inhalte gibt? Meint er nur Websites oder beispielsweise Websites?
Manche haben schon die Befürchtung geäußert, dass jetzt auch Diskussionsbeiträge in Online-Foren namentlich gezeichnet werden müssen. So schlimm dürfte es aber nicht sein. Die Kennzeichnungspflicht betrifft nämlich nicht den Autor eines Beitrages, sondern den Medieninhaber. Das ist bei Online-Medien derjenige, der „die inhaltliche Gestaltung besorgt und dessen Abrufbarkeit besorgt oder veranlasst“. Diese Formulierung deutet auf den Gesamtverantwortlichen einer Website. Also ist Medieninhaber doch der ORF und nicht Kritikr@x25!
Der Begriff des Medieninhabers bildet somit die Abgrenzung, wo eine Kennzeichnung erforderlich ist und wo nicht. Leider ist auch diese Gesamtverantwortlichkeit im elektronischen Netz durch die vielfachen Verknüpfungen mit anderen Inhalten nicht so klar abgegrenzt, wie sich der Gesetzgeber das offensichtlich vorgestellt hat. Im Printbereich ist diese Abgrenzung rein physisch vorgegeben: Der Verleger ist für seine Zeitung verantwortlich. Bei einer Standard-Website mag das auch noch zutreffen. Wie ist das aber bei Geflechten von Websites, Linkfarmen, Weblogs, News- oder Diskussionsforen? Das Online-Medium hat keine scharfen Grenzen, es ist oft Teil eines Geflechtes mit überlappenden Zuständigkeitsbereichen.
In diesem Wirrwarr ist es nicht immer leicht, einen Verantwortlichen zu finden, der den Kopf hinhalten soll. So wird es etwa bei einem Weblog darauf ankommen, ob dieser von der Struktur her mehr einer konventionellen Website ähnelt oder einem Diskussionsforum. Gleichzeitig schafft diese Unschärfe auch einen Gestaltungsspielraum. Wer nicht selbst namentlich im Web auftreten möchte, kann sich unter den Schutz einer Community begeben, die dann allerdings, damit sie rechtlich Medieninhaberstatus erlangt, auch die Letztverantwortung übernehmen muss.
Von welchen Informationen reden wir überhaupt? Kolportiert wurde zunächst eine Impressumpflicht für Websites. Das Gesetz unterscheidet aber zwischen Impressumpflicht (§ 24) und Offenlegungspflicht (§ 25). Während für wiederkehrende elektronische Medien (Newsletter) beides gilt, trifft den Websitebetreiber (im weitesten Sinn) nur die Offenlegungspflicht. Worum geht es dabei?
Die Offenlegungspflicht galt bis zur Mediengesetznovelle 2005 für alle periodischen Medien. Aus dem Umstand, dass damit nicht nur körperliche Medienwerke, sondern auch nicht körperliche wie Rundfunk und Fernsehen umfasst waren, wurde teilweise geschlossen, dass die Offenlegungspflicht auch bisher schon die Medien des Internets umfasst hätte. Tatsächlich war das bisher aber reine Theorie. Der Novellengesetzgeber setzte aber die Offenlegungspflicht aller periodischen Medien voraus und beschäftigte sich nur mit dem Umfang dieser Pflicht in Bezug auf nicht meinungsbildende Websites und den Ort der Veröffentlichung (eine Website zählt der Gesetzgeber deshalb zu den periodischen Medien, weil sie jederzeit abrufbar ist).
Wie das Impressum (und auch die Pflicht zur Kennzeichnung entgeltlicher Einschaltungen) dient die Offenlegung der Transparenz. Der persönliche und wirtschaftliche Hintergrund eines Mediums soll aufgezeigt werden bis hinunter in die Beteiligungsverhältnisse, damit – über Mehrfachbeteiligungen – auch Medienkonzentrationen erkennbar werden. Die Veröffentlichung der grundlegenden Richtung soll einerseits dem Medienkonsumenten und andererseits dem Medienmitarbeiter eine Einordnung ermöglichen, welche weltanschaulichen oder parteipolitischen Positionen ein Medium einnimmt. Diese Angaben haben sicherlich einen Sinn, wenn es um einen Zeitungsverlag mit verschachtelter Eigentümerstruktur und maßgeblichem politischen Einfluss geht. Aber bei einer durchschnittlichen Website? Aber egal, ob sich der Gesetzgeber etwas dabei gedacht hat oder nicht, die Offenlegungspflicht ist Gesetz und damit anzuwenden; interpretierbar bleibt nur das Wie.
Anzugeben sind nach § 25 Mediengesetz der Medieninhaber mit Namen und Wohnort (bei Kaufleuten Firma, Unternehmensgegenstand, Sitz und Beteiligungsverhältnissen) und die grundlegende Richtung. Medieninhaber ist nach § 1 Abs. 1 Ziffer 8, „wer die inhaltliche Gestaltung des elektronischen Mediums besorgt und dessen Abrufbarkeit (im Falle von E-Mail und Push-Diensten Verbreitung) besorgt“. Dahinter verbirgt sich der früher übliche Verleger-Begriff. Medieninhaber ist nach der neuen Definition nicht mehr zwingend ein Unternehmen, sondern kann eine natürliche Person oder eine Mehrheit von natürlichen Personen oder eine juristische Person sein.
Letztlich geht es um die Frage, wer für den Inhalt des Mediums die wirtschaftliche Verantwortung übernimmt, denn der Medieninhaber ist jeweils Antragsgegner (das heißt Prozesspartei) in den diversen medienrechtlichen Verfahren (Entschädigungszahlung, Entgegnung, Urteilsveröffentlichung, usw.) und er muss im Falle einer Verurteilung zahlen. Im künstlerischen Bereich kann das eine Agentur sein oder der Künstler selbst. Der Umfang der Angaben differiert je nach Ausrichtung der Website. Der Gesetzgeber wollte bei der Masse der Websites die Anwendung des Mediengesetzes einschränken, was offenbar Probleme bereitet hat.
Herausgekommen ist ein Kompromiss, der sehr von der Einstellung des Betrachters abhängt und der den auf diese Weise Privilegierten auch keine spürbaren Vorteile bringt. Websites, die „keinen über die Darstellung des persönlichen Lebensbereichs oder die Präsentation des Medieninhabers hinausgehenden Informationsgehalt aufweisen, der geeignet ist, die öffentliche Meinungsbildung zu beeinflussen“, sind nicht zur Gegendarstellung verpflichtet und müssen bei der Offenlegung keine Beteiligungsverhältnisse und keine grundlegende Richtung (somit nur Namen und Wohnort) angeben. Jeder Künstler möge selbst entscheiden, ob seine Inhalte die Meinungsbildung beeinflussen können. Im Zweifel empfiehlt sich eine vollständige Offenlegung, weil die zusätzlichen Angaben niemandem weh tun: Beteiligungsverhältnisse werden in der Mehrzahl der Fälle kein Thema sein und die Angabe der „grundlegenden Richtung“ lässt sich durchaus auch künstlerisch ausgestalten.
Bleibt noch die Frage: Welcher Name? Künstlername oder echter Name? Dazu schweigt sich das Gesetz aus. Da es bei der Offenlegungspflicht nicht darum geht, dass dem Medienkonsumenten eine Anschrift serviert wird, unter der er seine Ansprüche geltend machen kann (das ist Gegenstand der Impressumpflicht), sondern um Transparenz, wird es darauf ankommen, unter welchem Namen der Künstler in der Öffentlichkeit bekannt ist. Schließlich weiß die breite Öffentlichkeit kaum, dass sich hinter dem Namen Hans Hölzel der Sänger Falco verbirgt. Auch ein Künstlername ist ein Name, der unter § 43 ABGB fällt, warum also nicht den Künstlernamen angeben?
Ob die Offenlegung von Website-Betreibern wirklich das ist, was dem historischen Gesetzgeber vorgeschwebt ist, wie er die Offenlegungspflicht eingeführt hat, darf bezweifelt werden. Faktum ist, dass wir sie jetzt haben und damit leben müssen. Den meisten Website-Betreibern wird sie egal sein, weil sie entweder ohnedies unter die strengeren Bestimmungen des E-Commerce-Gesetzes fallen, oder weil sie auch als Domaininhaber im Whois-Register stehen, in einigen sensiblen Bereichen macht sie den Betrieb von bisher anonymen Websites aber unmöglich. Die Künstler werden einen kreativen Umgang mit dieser Vorschrift wählen – schließlich gibt es auch noch die Freiheit der Kunst, warum nicht als Offenlegungskunst?
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