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Problemlos drahtlos?


'Sonja Bettel Sonja Bettel

Neulich im Museumsquartier in Wien: Auf einem der mintfarbenen Stadtmöbel aus Kunststoff, die im Hof des Kulturquartiers zahlreich aufgestellt sind, sitzt eine Frau mit einem aufgeklappten Notebook auf ihren Knien und schreibt E-Mails. Ein Mann nähert sich vorsichtig und fragt die Frau, ob es denn hier Wireless LAN gäbe. Als die Frau bejaht, eilt er freudestrahlend davon, kommt nach einer Minute mit seinem Laptop zurück, setzt sich ebenfalls auf eines der Möbel und beginnt zu arbeiten.

Das Museumsquartier zieht tagtäglich und allabendlich so viele Menschen an, dass weder in den Gastgärten der zahlreichen Bars und Restaurants noch auf den jeden Sommer andersfarbig lackierten Möbeln noch auf den klassischen Parkbänken ein einziger Platz frei bleibt. Nicht alle kommen wegen des kostenlosen drahtlosen Internet-Zugangs, doch viele nützen die Gelegenheit, um E-Mails zu lesen und zu schreiben, Einträge in ihre Blogs zu machen oder im World Wide Web zu browsen. Ob im Wiener Museumsquartier, im Linzer Donaupark oder auf dem Campus einer Universität – wo immer es einen frei zugänglichen Hotspot gibt, sammeln sich Menschen um ihn wie Tiere um eine Wasserstelle. Das Internet ist mobil geworden, und es könnte auch so frei verfügbar sein wie Parks, Bänke oder öffentliche Trinkbrunnen.

Dass ein öffentlicher und womöglich auch kostenloser Internet-Zugang für die Bewohner und Besucher einer Stadt oder Gemeinde wichtig ist und deren Attraktivität erhöht, wurde schon vor einiger Zeit erkannt. Der Schritt zur Internet-Verbindung „aus dem Äther“ fehlt in Österreich aber großteils noch. Sucht man auf diversen Websites nach kommunalen Hotspots, findet man nur sehr wenige. Die Hotspots im Donaupark und auf dem Hauptplatz in Linz werden von der Stadt zur Verfügung gestellt. Das WLAN im Wiener Museumsquartier wurde durch die Initiative von quintessenz ermöglicht, einer Community von IT- und Privacy-Aktivisten, die im Quartier 21 im Museumsquartier ihren Stützpunkt hat. Ansonsten wird kostenloses WLAN nur noch in einigen Cafés und Szenelokalen als Service für die Kunden angeboten. Manchmal – wie auf einem kleinen Platz in der Wiener Vorstadt – lässt ein privater WLAN-Nutzer einfach seine Nachbarn und mehr oder weniger zufällige Passanten mitnaschen.

Kostenpflichtige WLAN-Hotspots sind häufiger, dafür oft umso komplizierter zu benützen. Am einfachsten ist es, wenn man über den Account bei seinem Provider Zugang zu anderen Providern hat und dieser automatisch abgerechnet wird. Für „Laufkundschaft“ wird es jedoch schwierig. WLAN ist meist ein Zusatzangebot vom Mobiltelefonie-Betreibern, die vor allem ihre eigenen Kunden bedienen wollen. Für alle anderen gibt es zeitlich festgelegte Kontingente. Zwar kann man mit einer Kreditkarte rasch und einfach einen Zugangscode für den WLAN-Hotspot des jeweiligen Anbieters kaufen, doch üblicherweise kauft man ein Zeitkontingent, das manchmal sogar 24 Stunden Mindestzeit bedeutet. Doch wer will schon im Kaffeehaus 24 Stunden ununterbrochen im Netz surfen?

Kurzes Abrufen und Abschicken von E-Mails oder eine kurze Suche im Netz grenzen bei den derzeit üblichen Tarifen schon an Luxus. Dazu kommt, dass ein mobiler Mensch Kontingente mehrerer Anbieter braucht, weil sich diese trotz Bemühungen der sogenannten Greenspot-Initiative nicht auf ein Roaming einigen konnten. Während man mit einem Mobiltelefon online problemlos herumspazieren und über Ländergrenzen hinweg erreichbar sein kann, muss man bei WLAN die Verbindung unterbrechen und einen neuen Account kaufen, wenn man sich vom Sendebereich eines Hotspots in einen anderen bewegt. Wie einfach wäre es, wenn WLAN, zumindest in urbanen oder besiedelten Gebieten, einfach überall vorhanden wäre – und das möglichst kostenlos.

Wer Wireless LAN einmal (problemlos) benützt hat, wird es nicht mehr missen wollen. WLAN ist technisch ausgereift, mittlerweile in jedem neuen Notebook und bald auch schon in jedem Taschencomputer obligatorisch und es ist längst sicher. Mit WLAN wird auch Voice over IP mobil. Mit drahtlosem Internet-Zugang erspart man sich ausserdem die aufwendige und teure Verkabelung und ist flexibel beim Umstellen der Möbel oder beim Übersiedeln der Firma.

Drahtloses Internet ist außerdem eine Alternative für Gebiete, die aufgrund ihrer Lage abseits der Hauptverkehrsadern des Internet bisher keinen Breitband-Zugang bekommen konnten. In einigen ländlichen Regionen in Österreich sind deshalb lokale IT-Dienste-Anbieter aktiv geworden, die ihre Kunden über eine einzige leistungsfähige Datenleitung und Funk als last mile weitaus schneller und billiger anschließen konnten als die großen Kabelnetz- und Telekom-Betreiber. Selbst entlegene Bauernhöfe und Berghütten wurden mit etwas Fantasie und individuellen Kombi-Lösungen aus Kabel-, Richtfunk- und WLAN-Verbindungen breitbandig ans Datennetz angeschlossen.

In Zukunft soll es mit WiMax (Worldwide Interoperability for Microwave Access) noch einfacher werden, entlegene Gebiete mit Breitband-Internet zu versorgen und damit den digital divide zwischen Stadt und Land zu verringern. Der neue Standard zur drahtlosen Datenübertragung soll Reichweiten bis zu 70 Kilometern und Übertragungsraten bis zu 70 Megabit pro Sekunde ermöglichen. WLAN hat derzeit zumeist 11 Megabit pro Sekunde. Die ersten WiMax-Anbieter stehen schon in den Startlöchern und wollen vor allem dort mit dem Ausbau beginnen, wo andere bisher kein Interesse hatten.

Dieser Dienst wird allerdings mindestens so viel kosten, wie ein Breitband-Anschluss über Kabel. In London, Berlin, Amsterdam oder Wien haben Menschen es aufgegeben, auf kommerzielle Anbieter oder Initiativen von Gemeinden zu warten – beziehungsweise haben sie es gar nicht vorgehabt. Einst mit selbstgebauten Antennen, mittlerweile mit immer billiger gewordener kommerzieller Ausrüstung, haben sie sich ihr eigenes Datennetz gesponnen. Der Vorteil von Community-WLAN, so die Aktivisten von Funkfeuer in Wien, sei, dass Bandbreiten mehr würden, wenn man sie teilt. Einerseits, weil man Bandbreiten billiger einkaufen kann, wenn man größere Mengen bezieht, andererseits, weil mittels mesh routing das Funknetz immer stabiler wird, je mehr Mitglieder sich mit ihrer eigenen Antenne einklinken.

Wer mitmachen möchte, muss jedoch bereit sein, die Konfiguration eines WLAN-Routers selbst in die Hand zu nehmen und selbst eine Antenne auf dem Dach zu montieren (oder die Montage zu finanzieren). Die Funkfeuer-Community bietet dafür jedoch Know-how an.
Sieht man sich die Entwicklung bei der Hardware an, kommt man zu dem Schluss, dass die Zukunft des Internet gänzlich mobil und drahtlos ist. Wie angenehm wäre es da, stünde die Infrastruktur problemlos und billig oder gar kostenlos überall zur Verfügung. Wenn es schon in Schnellzügen und Überland-Straßenbahnen (wie in Frankreich und Deutschland) WLAN-Zugang gibt oder bald geben wird, müsste es doch ein Leichtes sein, die wichtigsten Plätze und Gebäude einer Stadt ans Internet anzuschließen.

In den USA hatten einige Kommunen in vernachlässigten Regionen die Initiative ergriffen und die Versäumnisse der kommerziellen Anbieter wettmachen wollen. Ein schneller Internet-Zugang sei ein kommunales Service wie Straßen, Beleuchtung oder Wasser und müsse deshalb von den Gemeinden zur Verfügung gestellt und mit Steuern finanziert werden, meinten sie. Wireless LAN war dabei klarerweise die Technik der Wahl. Der sogenannte freie Markt war jedoch nicht der Meinung, dass Breitband-Internet eine notwendige und selbstverständliche Infrastruktur ist, die von Gemeinden angeboten werden sollte.

Siehe dazu den Kommentar von Lawrence Lessig auf Seite 264