Warum Ihr Breitband-Internetzugang zu wünschen übrig lässt
'Lawrence Lessig
Lawrence Lessig
Sie werden erfreut sein zu hören, dass in Pennsylvania vergangenes Jahr ein Sieg über den Kommunismus errungen wurde. Gouverneur Ed Rendell unterzeichnete ein Gesetz, das es den Kommunisten in der lokalen Regierung untersagt, Wi-Fi kostenlos über ihre Kommunen anzubieten. Dazu kam es, nachdem in Philadelphia, wo mehr als 50 Prozent der Bevölkerung keinen Breitband-Internetzugang haben, ein Projekt für drahtlosen Internetzugang im Ausmaß von 10 Millionen US-Dollar ins Leben gerufen wurde.
Die Stadtregierung war in einem Bereich aktiv geworden, in dem der freie Markt versagt hatte. Natürlich befindet man sich auf glattem Parkett, wenn man vom freien Interzugang zu Karl Marx übergeht. Rendell, der neueste Günstling der Telekommunikationsbranche, schritt zur Tat, um Pennsylvania eine gravierende Bedrohung seiner wirtschaftlichen Freiheit zu ersparen, wobei er die „City of Brotherly Love“ sogar ausschloss. Wir wollen hoffen, dass es sich dabei nur um den ersten Schritt handelt. Wenn man nämlich genau hinsieht, stellt man fest, dass die kommunistische Bedrohung die Regierungen überall infiltriert hat. Sind Ihnen schon einmal die freien Photonen aufgefallen, wenn Sie des Nachts durch die Stadt spazieren?
Haben Sie schon einmal an die bedauernswerten Unternehmen gedacht, die für die Straßenbeleuchtung verantwortlich zeichnen, deren Geschäfte schlecht gehen, da die Kommunen genau das gründlich umsetzen, was die Privatwirtschaft nur unvollständig erledigt? Oder denken Sie an den Skandal im Zusammenhang mit den öffentlichen Straßen: Wie viele Mitarbeiter von Mautstellen haben ihren Arbeitsplatz verloren, weil wir unsere Straßen nicht mehr (ungefähr seit dem 18. Jahrhundert) über private Unternehmen finanzieren? Städtische Busse konkurrieren mit privaten Taxiunternehmen. Städtische Polizeidienststellen beeinträchtigen den Geschäftsgang der Detektivagentur Pinkerton's (nunmehr Securitas). Das ist wirklich ein nationaler Skandal. Also sollten sich die Regierungen überall von dem Prinzip leiten lassen, das Rendell geleitet hat: Wenn die Privatindustrie eine Dienstleistung anbieten kann, wie mangelhaft und unzureichend diese auch sein mag, sollte die Regierung vom Wettbewerb ausgeschlossen werden. Was für Wi-Fi gilt, sollte auch für Wasser gelten.
Nein, ich habe nicht den Verstand verloren. Aber diese Art von Wahnsinn verbreitet sich heutzutage in den USA. Durch den Druck von Lobbyisten haben mindestens 14 Bundesstaaten ähnliche Gesetze wie in Pennsylvania erlassen. Ich habe mich schon immer gefragt, welchen Nutzen man daraus zieht, wenn man fast eine Milliarde US-Dollar für das Lobbying von staatlichen Gesetzgebern ausgibt. Schön langsam wird es mir klar. Die Argumente der Telekommunikationsunternehmen sind nicht subtiler als die einleitende Polemik dieses Artikels: Unternehmen sollten nicht mit Regierungen konkurrieren müssen. Was der Markt erledigen kann, sollte nicht von der Regierung übernommen werden. Zumindest sollten wir diese Lehre aus dem Zusammenbruch der Sowjetunion gezogen haben.
Dieses Prinzip trifft zwar in den meisten, nicht aber in allen Fällen zu. Die Regierung sollte auf keinen Fall Aufgaben übernehmen, die private Unternehmen besser erledigen können (z. B. Computer herstellen). Und die Regierung sollte es privaten Unternehmen nicht verbieten, mit ihr in Konkurrenz zu treten (z. B. FedEx). Aber die Regierung sollte sich auch nicht von einem der mächtigsten Industriezweige des Staates instrumentalisieren lassen, indem sie den Wettbewerb mit diesem für illegal erklärt, unabhängig davon, ob es sich um Konkurrenz durch die Regierung oder von anderer Seite handelt. Das trifft zumindest dann zu, wenn es unklar ist, welchen Vorteil ein derartiger Wettbewerb haben würde.
Breitband-Internet stellt das perfekte Beispiel dar. Auf dem privaten Markt haben die USA bisher versagt. Am Anfang waren wir weltweit führend am Breitband-Sektor. 2004 fanden wir uns jedoch auf dem beschämenden 13. Platz wieder. Es gibt viele Orte, wie z. B. Philadelphia, wo es an Service fehlt. Es gibt aber auch viele Orte, wo Wettbewerb fehlt. Das Ergebnis des Duopols, das derzeit den „Wettbewerb“ bestimmt, besteht darin, dass sowohl die Preise als auch der Service mehr als zu wünschen übrig lassen. Wir sind in der Internet-Technologie weltweit führend – und können uns doch nicht darauf berufen. Die Lösung besteht nicht darin, das Angebot am privaten Sektor verstärkt auszuweiten, sondern den Wettbewerb anzufachen. Kommunen im ganzen Land experimentieren mit verschiedenen Möglichkeiten, das private Angebot zu ergänzen. Und diese Experimente erwirtschaften unerwartete Erträge.
Teilweise entdeckt man, dass kostenloser drahtloser Internetzugang den Wert von öffentlichen Bereichen steigert, wie das auch bei der Straßenbeleuchtung der Fall ist. Und so wie Straßenlaternen andere Arten von Beleuchtung nicht überflüssig machen, beseitigt kostenloser drahtloser Internetzugang in öffentlichen Bereichen auch nicht den Bedarf an Internetzugang in privaten Bereichen. Ökonomisch korrekt ausgedrückt, können diese öffentlichen Services sehr wohl auch positive externe Effekte bieten. Doch werden wir diese externen Effekte nie erkennen, wenn die Kommunen nicht die entsprechende Freiheit für Experimente haben. Das ist der Grund dafür, dass TechNet, eine aus Vertretern beider Parteien bestehende Lobbygruppe des Silicon Valley, es explizit befürwortet, dass lokale Regierungen mit Anbietern von Breitband-Internetdiensten in Konkurrenz treten.
Politiker auf städtischer und staatlicher Ebene sollten Lobbyisten, die sich auf ihre eigenen Interessen konzentrieren, die Stirn bieten. Die Bürger sollten sich überall gegen Günstlinge der Telekommunikationsbranche wenden, die das nicht tun. Wir mussten uns lange genug mit Breitband-Internet begnügen, das nicht dem neuesten Stand entsprach. Lassen wir Wettbewerb zwischen den privaten und öffentlichen Märkten zu, um den Service zur Verfügung zu stellen, den Telekommunikation und Kabel nicht bieten. Ursprünglich erschienen in Wired, März 2005.
Aus dem Englischen von Eva Gebetsroither
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