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Ars Electronica 2005
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TANA-BANA
Srishti School of Art Design and Technology

'Geetha Narayanan Geetha Narayanan

Design von Grundfreiheiten

Die Srishti School of Art Design and Technology, ein kleines Privatcollege in Bangalore im Süden Indiens, wurde 1996 vom gemeinnützigen Akademikerinnenverein Ujwal Trust gegründet. Heute ist Srishti eine pulsierende Gemeinde von Künstlern und Designern, Studierenden und Wissenschaftlern und ein Zentrum der Innovation und des Experimentierens.

Im Hinblick auf die kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff Hybrid im Rahmen der diesjährigen Ars Electronica sei darauf verwiesen, dass Fragen nach dem Zusammenhang zwischen materiellem Reichtum, technischer Expertise/Infrastruktur und der Möglichkeit, nach eigenen Vorstellungen zu leben, am Srishti-College bereits seit 1996 diskutiert werden.

Srishti ist in erster Linie ein Undergraduate-College, an dem Studienprogramme in den Bereichen Industrie- und Kommunikationsdesign angeboten werden. Von einzigartigem Wert ist vor allem die Methodik. Die Unordnung der wirklichen Welt ersetzt den Unterrichtsraum; durch die Kombination von Ausbildungslabors und realen Projekten soll die Komplexität der realen Welt in den institutionellen Rahmen transportiert werden.
Heute, fast zehn Jahre nach seiner Gründung, ist das Srishti-College stolz darauf, als offene Gemeinschaft anerkannt zu werden, die wesentliche pädagogische Methoden im Bereich Kunst und Design entwickelt.

Neben der Vermittlung von fundierten praktischen und konzeptuellen Fertigkeiten für eine erfolgreiche Karriere als Künstler und Designer wirkt Srishti außerdem in der Kunst- und Technologiewelt im Bereich Neue Medien an vorderster Front mit, und die gleichzeitige Befassung mit Grundlagenforschung und Entwicklungsfragen setzt einen Kontrapunkt dazu.
Aus dem Englischen von Susanne Steinacher

Das kuratorische Konzept

Das Wort „Freiheit“ erhält gegenwärtig zahlreiche neue Konnotationen. Für viele ist der Begriff Freiheit nicht von nationaler Sicherheit zu trennen, wobei diese Weltanschauung und die dazu erforderlichen Strategien des Misstrauens und die Überwachungsmaßnahmen erst recht wieder Unfreiheiten schufen.

Für die Institutionen, die unsere vereinheitlichte und globalisierte Finanzwelt prägen und regulieren, wie etwa die WTO, der NASDAQ oder die Börsen, impliziert Freiheit freien Handel und freien Markt. Auch diese Ideologie ist wieder von einer Reihe von Unfreiheiten geprägt, unter denen besonders die Herrschaft von Patenten und Quoten hervorzuheben ist.

Wir sind heute in eine Ära eingetreten, in der frei nicht immer fair bedeutet, in der die menschliche Identität bald nur noch eine Sache der Biometrie ist und Fragen der Kultur und des Kontexts mehr und mehr zugunsten der von der Technik geschaffenen Illusion einer künstlichen Menschlichkeit marginalisiert werden. Es ist heute wichtiger denn je, die eigentliche Bedeutung von Menschlichkeit neu zu überdenken.
Die Ausstellung von Srishti für die Ars Electronica 2005 trägt den Titel TANA-BANA, was wörtlich übersetzt „Kette und Schuss“ bedeutet und das Ideal der Integration von Communities oder Gesellschaften evoziert.

Die Ausstellung zeigt, dass sich der Erfolg einer Gesellschaft primär an den Freiheiten ablesen lässt, die eine Gemeinschaft genießt – jenen wesentlichen Freiheiten, die die Fähigkeit zur Selbsthilfe und zur Gestaltung der eigenen Welt fördern. Die Ausstellung umfasst Äußerungen kreativer Unzufriedenheit einer jungen Frau, die in den Straßen des heutigen Indien belästigt wird, das konstruktive Unbehagen heutiger Studenten mit der Kunst und Design-Akademie, eine interaktive Installation, die die Probleme des Lebens in einer globalen IT-Hauptstadt aufzeigt, und die Erfassung der eigenen Mikrowelt.

Eine weitere Arbeit konzentriert sich auf das Vermächtnis des indischen Mystikers, Dichters und Webers Kabir aus dem 15. Jahrhundert, die den Weg aufzeigt, wie der Geist der Grundfreiheit in die heutige Gesellschaft einzuweben ist – TANA-BANA.
Bei der Entwicklung des kuratorischen Konzepts dieser Ausstellung wurden die verwandten Themen der kreativen Unzufriedenheit und des konstruktiven Unbehagens aus Amartya Sens wegweisender Arbeit über Lebensqualität und die Bedeutung des Begriffs substanzieller Freiheiten für die menschlichen Entwicklung übernommen.

Allerdings stellte es sich während der konzeptuellen Arbeit am Ausstellungsinhalt als zunehmend schwierig heraus, sich auf diese beiden Themenkonstrukte zu beschränken. Einige der für uns wichtigen Fragen werden deshalb auch dem Publikum gestellt:

  • Drücken Unzufriedenheit und Unbehagen ähnliche menschliche Empfindungen aus? Inwiefern unterscheiden sich diese Begriffe qualitativ?

  • Lässt sich kreatives Unbehagen auf eine andere Weise äußern als konstruktive Unzufriedenheit?


Für uns in Sristhi sind diese Fragen entscheidend, da wir in Bangalore leben, einer Stadt, in der der Rhythmus der Globalisierung immer schneller wird und wo heute durch die Medien, den Staat und staatliche Unternehmen eine sich memetisch reproduzierende Identität einer globalen IT-Stadt geschaffen wird.

Diese neuen, sich viral verbreitenden Identitäten wecken große Erwartungen bei den nationalen und transnationalen Communities, die es hierher zieht. Nicht alle harmonieren mit der Gründung offener Gesellschaften, kreativer Gemeinschaften oder eben der Grundfreiheiten.

Wir in Srishti sind nicht der Meinung, dass Spitzentechnologie der einzige und primäre Motor für Medienkunst & -design ist. Um diese Idee weiterzuentwickeln, haben wir uns für den thematischen Leitfaden des Webens entschieden - wobei Kultur und Identität die Kettfäden und Reisen, Erfahrungen, menschliche Empfindungen die Schussfäden des Gewebes der Grundfreiheiten bilden.

Das Rohmaterial, das für die Gestaltung der Ausstellung verwendet wurde, besteht in erster Linie aus Fragmenten von Plakatwänden. Die grafische Sprache der städtischen Werbung wird neu verwoben und in einem Remix präsentiert.
Aus dem Englischen von Martina Bauer


EXHIBITION DESIGN CREDITS
Concept and lead designer: New Media artist Ashok Sukumaran
Design Team: Industrial Designers Arvind Lodaya, John Mathew & Rajesh Narasimha, along with students of Srishti
Graphic Design: Graphic Designers Kumkum Nadig, Sarita Sundar & students of Srishti