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Ars Electronica 2005
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Ars Electronica Center
Wahrnehmung statt Besichtigung

'Nicoletta Blacher Nicoletta Blacher

Das Ars Electronica Center – Museum der Zukunft positioniert sich seit seiner Öffnung 1996 mit einem sehr individuellen Profil der Präsentation komplexer technologischer Entwicklungen: ein interaktives Ausstellungszenario, das Anwendungsmöglichkeiten im Spannungsfeld von Kunst, Technologie und Gesellschaft vor die Hierarchisierung von Technologie stellt. In der Ausstellungsdramaturgie erfolgt ein doppelter Bruch mit musealen Traditionen, aber auch mit Präsentationen in Science Centern: einerseits mit der objektzentrierten Präsentation und dem damit einhergehenden Anschein von objektiven Sachverhalten, andererseits mit der Linearität von themen- oder technologiespezifischer Darstellung.

Welche Auswirkungen haben sowohl die gewählten Formate als auch diese spezifische Darstellungsformen auf die Erfahrungsmöglichkeiten der Besucher?
Trotz der medialen und interaktiven Inszenierung wird kontinuierlich das gewohnte Ritual der Besichtigung durchbrochen. Wie in einem Hypertext kann sich der Besucher durch die fünf Stockwerke bewegen. Intuitive Schnittstellen bei einer Installation, die Verdeutlichung von Zusammenhängen in der Gegenüberstellung mit einer anderen, die die gleiche Technologie in einer anderen Anwendung zeigt – all das ermöglicht eine spielerische, kreative Annäherung. Abseits von fachspezifischen Vorkenntnissen können über Ausprobieren und im direkten Erleben Erfahrungen gewonnen werden, die sensibilisieren, fit machen für den Umgang mit Technologie.

Der im Ars Electronica Center gewählte multidimensionale Ansatz – von Virtual Reality und Mixed-Reality – als Mischform physischer und digitaler Handlungs- und Kommunikationsräume ermöglicht dem Nutzer einen individuellen Zugang. Experimentelle situative Wahrnehmungsmöglichkeiten stehen dabei im Zentrum. Der Faszination und damit dem noch immer geschmähten Begriff von Edutainment wird eine besondere Bedeutung für die Aktivierung und Aneignung von Erfahrungswissen beigemessen.
Die personale Vermittlung über InfotrainerInnen unterstützt die BesucherInnen bei ihrer Navigation durch das Museum der Zukunft. InfotrainerInnen kommen genauso wie die Zielgruppen aus unterschiedlichsten Bereichen, von StudentInnen, KünstlerInnen bis PensionistInnen. Hier sind nicht FachexpertInnen mit abstraktem Wissen, sondern VermittlerInnen gefragt.

Ein Spezifikum des Ars Electronica Center liegt aber auch darin, dass die Ausstellungen sowohl internationale künstlerische Projekte zeigen als auch eigene Produktionen des Ars Electronica Futurelab, die in Kooperation mit Künstlern oder in Zusammenarbeit mit nationalen oder internationalen Forschungseinrichtungen und Unternehmen entstehen. Das Museum als Ort der Produktion ermöglicht damit Rückkoppelungen von Seiten der Produzenten, der Vermittler und der Besucher, wodurch das Ars Electronica Center gleichzeitig Kommunikations- und Handlungsraum wird.
Im Mittelpunkt der Vermittlunsaktivitäten des Jahres 2006 steht die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen. Es geht dabei nicht allein um die isolierte Förderung von Medien- und Technologiekompetenz, sondern um eine aktivierende Auseinandersetzung mit Inhalten und ästhetischen Formen. Kinder und Jugendliche erhalten gerade über die Präsentation von Prototypen, wie z. B. Gullivers Welt, die sonst nur Fachexperten vorbehalten sind, die einmalige Möglichkeit direkt in Mixed-Reality-Installationen eigenständige Projekte zu entwickeln. Interaktive Inszenierungen ermöglichen einen Grad der Involvierung, der Aktionen von Seiten des Besuchers in eine spürbare Veränderung überführt. Aufmerksamkeit, Neugierde und ein erwachender Forschergeist schaffen die Voraussetzungen für die Förderung der Handlungs- und Wahrnehmungskompetenz. Die langjährigen Erfahrungen in der Entwicklung von vielfältigen Formaten der Interaktivität und Vermittlung komplexer Themenstellungen ermöglichten integrierte Vermittlungsansätze bereits im Kontext der Ausstellungskonzeption sowie Vermittlungsformate abseits konventioneller didaktisch-pädagogischer Ansätze, die auch für andere Zielgruppen (von Erwachsene bis Senioren) von Interesse sind.

Mit der erstmaligen Präsentation der Beiträge des Wettbewerbs „u19–freestyle computing“ wird die Entwicklung der Szene der jungen Digital Creators in drei interaktiven vom Ars Electronica Futurelab entwickelten Ausstellungsszenarien gezeigt. Die Vielfalt von kreativen und technologischen Ansätzen auch in der Kritik an unzulänglichen Programmen und medialen Vermittlungsformen zeigt die Jugendlichen als FachexpertInnen. Begleitende Lectures und Workshops von Teilnehmern am Wettbewerb zu ausgewählten Themen und für Jugendliche unterstreichen diesen Ansatz. Die Installation einer WikiMap Linz – ein Beitrag des Ars Electronica Center zur beispielhaften Wireless-Lan-Initiative der Stadt Linz – mit vielfältigen Möglichkeiten an individuellen und projektorientierten multimedialen Beiträgen bietet einen weiteren Ansatz für Vermittlungsaktivitäten.

Kinder- und Jugendliche als Surfer zwischen den Realitäten werden auch im Zusammenhang mit dem Virtual-Reality-Schwerpunkt angesprochen. Sonderpräsentationen von Rekonstruktionen der griechischen Antike (in Kooperation mit der Hellenic Foundation) bis hin zu einer internationalen Konferenz zum Thema „Simulation“ zeigen nicht nur die Bandbreite von Anwendungsmöglichkeiten, sondern bieten ein interessantes Forschungsfeld für die Möglichkeiten der Vermittlung komplexer wissenschaftlicher Zusammenhänge.
Als Ort der Produktion und gerade im Zusammenwirken der vier Säulen der Ars Electronica kann das Ars Electronica Center – auch mit Blick auf sein zehnjähriges Bestehen 2006 – im Spannungsfeld von internationaler Referenz und regionaler Präsenz ein wichtiger Impulsgeber für zukunftsweisende Vermittlungsmodelle Akzente setzen.

u19 freestyle exhibition
„u19 – freestyle computing“ ist Österreichs größter Jugendcomputerwettbewerb, der sich seit 1998 im Rahmen des internationalen Prix Ars Electronica als Schnittstelle zwischen dem kreativen Geist der Jugendlichen und unserer Zukunft etabliert hat. Seit dem ersten Aufruf zur Teilnahme wurde die Jury Jahr für Jahr von der Flut kreativer Einreichungen und Projekte überwältigt. Der proaktive Zündstoff der unangepassten Arbeiten überrascht und begeistert, wobei der oft rücksichtslose Umgang mit den Medien zu originellen Ansätzen und Ergebnissen führt, die den geladenen Experten jeden Respekt abverlangen.

Mit der Entscheidung, u19 ein Stockwerk in der Ausstellung des Ars Electronica Center zu widmen, wird den Einreichungen und den dahinterstehenden Persönlichkeiten im Alter von 4 bis 19 Jahren – über die Präsentation der Gewinner und ihrer Projekte hinaus – eine Plattform gegeben.
Bei der Entwicklung der Ausstellung wurde bewusst auf Präsentationstechniken zurückgegriffen, die die immanente Aussagekraft des Materials in den Vordergrund stellen. Architektonisch steht das Oval der „Best Of“-Station im Mittelpunkt, in dem ein Mix aus interaktivem Screening und personalisierten Displays zum informativen Verweilen einlädt. In dieser Info-Lounge mit Chillout-Charakter werden Dokumentationen der Höhepunkte aus der u19-Kategorie präsentiert. Angelehnt an eine Halfpipe dagegen ist das reaktive Medienfries, das die Hauptakteure – die jungen Erfinder und Künstler – collageartig in Szene setzt: „The Wall of Fame“. Die Station „Console“ nutzt an Sammelkarten angelehnte Objekte als Steuerungstools für die Visualisierung von Daten, Videos und Animationen aus dem umfangreichen Archiv der Einreichungen zu „u19 – freestyle computing“.
Text: Pascal Maresch