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The Use of Seifenblasen


'Werner Jauk Werner Jauk / 'Heimo Ranzenbacher Heimo Ranzenbacher

Abstract
The Use Of Seifenblasen initiiert – auf Basis eines Fakes von E-mail-Adressen und der Verteilung von sinnloser Information und Viren – einen „Attraktor“ im Netz, der die Scheinfunktion eines Hosts ausübt und für Viren attraktiv wird. Auf diese Weise entsteht die Fiktion einer Community, die üblicherweise Viren- (und Spam-)Attacken ausgesetzt ist, in unserem Fall jedoch durch Attacken erzeugt wird. Mit diesem System viralen Verhaltens gekoppelt sind Duft und Seifenblasen und die Reaktion des Publikums darauf. Diese dient als Regelmechanismus zwischen digitaler Fiktion und dessen Perpetuierung durch das Gleichgewicht zwischen Attacke und Abwehr (Antivirusfunktion).

Die Idee
Die kurz gefasste Genese des WWW von der Kriegstechnologie zum kommerziellen Kommunikationsmittel verführt zur Annahme, dass die Struktur des Web horizontale politische Strukturen impliziere. Der Vereinnahmung dieser Strukturen durch kommerzielle Systeme setzt sich das Hackertum entgegen: Es attakiert Instanzen und Repräsentationen des Besitzes, um deren Funktionen bloßzulegen. Einerseits tragen die dabei gängigen Methoden jedoch die Gefahr eines sowohl elitären als auch pupertären Agierens in sich, das andererseits aber trotz seiner sich selbst ästhetisierenden Selbstgefälligkeit zugleich die Möglichkeit zu Brüchen im politischen System birgt.
Viren sind per definitionem Geschöpfe des Kitsches und dynamische Hybride. Ihr Lebenszweck ist die eigene Vermehrung; im evolutiven Prozess sind sie „sowohl als auch“ – Hybriden ihrer Funktion und Gegenfunktion. So entspricht die tägliche Erfahrung ihrer Präsenz einer Phänomenologie des Kitsches, definiert als ein Genügen am Selbstzweck, das aus Üppigkeit – z. B. durch Informationssteigerung zum Zweck der Erhöhung von Redundanz – seine Seinsform bezieht. Als eine im Entwicklungsprozess gestärkte Existenz wiederum ist das Virus zugleich Waffe gegen ein politisches System wie zu dessen Schutz. Dabei definieren wir Virus nicht als eine in einem bestimmten Zustand eines Systems erscheindene Eigenexistenz, sondern als ein Zusammenspiel, ein die virale Existenz ausformendes dynamisches System. Das heißt, Virus ist das sich selbst durch Viren und Antiviren, Waffe und Schutz, erhaltende System. Unter der Annahme, dass kein System auf Selbstvernichtung aus ist, bedarf auch dieses einer Antivirusfunktion. Antivirius ist ein Virus unter umgekehrten Vorzeichen, Teil des selben Systems, in dem Virus und Antivirus einander dialektisch bedingen.
Ist Hacking eine Methode zur bewussten Dekonstruktion von Horizontalität gefährdenden Strukturen oder ein selbstsüchtiges Spiel zur eigenen politischen Positionierung? Ist Hacking ein Spiel, das – obwohl vielleicht hedonisch motiviert – durch massenhaftes Auftreten politisch wirksam wird? Die Erfahrung des Pop-Geschäftes (das sich – wie Starmania & Co. es exemplarisch ausführen – infolge der Substitution des Verkaufs von Dissidenz durch den Verkauf der Verkaufsmechanismen die Parodie seiner selbst zur Handlungsgrundlage gemacht hat) nährt den Verdacht auf das industrielle Interesse, den Hacktivismus durch die Potenzierung seiner selbst, durch virale Vermassung von Einzelphänomenen, auszutreiben. Die „gehackte“ Welt
dürfte von den Attacken nicht wirklich berührt werden; eher dürfte das Gegenteil, nämlich Protektion, der Fall sein. Antithetik der Scheinfunktion viraler Attacken.

The Use of Seifenblasen
The Use of Seifenblasen bedient sich der Methoden des Hacking, um eine mögliche polemische Betrachtung des Systems in einem sinnlichen Zusammenhang zu überhöhen, d. h. Überinformation vermittels sinnlicher Überstimulation auszuformen: Eine Seifenblasenmaschine, ein Duftspender und eine Entlüftung inszenieren ein situatives Interface zur spielerischen Partizipation an einem durch Attacke und Schutz initiierten Regelsystem.
Die Menge der Seifenblasen und die Duftintensität sind mit dem Wachstum der fiktiven Community gekoppelt, das Entlüftungssystem mit der Antivirusfunktion. Die Steigerung der Intensität von Duft und Seifenblasen geht mit einer Intensivierung des Publikumsverhaltens, des Geräuschpegels einher: Ein gewisses Maß an infizierter Lautstärke initiiert das Antivirus. Nach einer gewissen Refraktärzeit erholt sich das Virus und kommt gleichsam gestärkt wieder. Aus der Logik des Verhältnisses zwischen Virus und Antivirus folgt über die Betriebsdauer der Installation eine sukzessive Intensitätssteigerung der beteiligten Elemente.

Interface
Eigentliches Interface ist die gemessene Intensität der Stimmung der Besucher, ihres lautlichen Verhaltens unter dem Eindruck des sinnlichen Overflows durch Seifenblasen und Duft. Das Antivirus wird letztendlich durch das Verhalten des Publikums initiiert, das die Hackeraktivität im Netz als ein intensives Seifenblasen- und Duftspiel erlebt. Dadurch verkehrt sich eine Situation: Hedonisch ist nicht nur das Spiel der Hacker, sondern auch das der Partizipienten.
Natürlich ist die Eignung des Publikumsverhaltens als Indikator für die Richtigkeit der hier inszenierten Hypothese fragwürdig. Aber selbst wenn es sich nur um die Inszenierung des Spaßes am System handelt – wirkt er nicht trotzdem als politische Kraft?

In collaboration with leonart '05,http://www.leonding.at/leonart