www.aec.at  
Ars Electronica 2005
Festival-Website 2005
Back to:
Festival 1979-2007
 

 

PHANTASMA I + II


'Zelko Wiener Zelko Wiener / 'Ursula Hentschläger Ursula Hentschläger / ' Zeitgenossen Zeitgenossen

Basis
Phantasma ist ein Webprojekt, dessen Qualität in der sinnlich inszenierten Generierung von Kunst und Wissen liegt. Im Vordergrund der Arbeit steht die philosophische wie webdramaturgische Auseinandersetzung mit Informationskonstrukten und Wahrnehmungsebenen. Unterschiedliche Navigationsmodelle, raumübergreifende Gesamtkonzepte und synchrone Abläufe erlauben dabei neuerliches, immersives Eintauchen in die Welt der audiovisuellen Gesamtereignisse von www.zeitgenossen.com. Bildwelten. Textkörper und Klangräume greifen ineinander und generieren Möglichkeiten, die sich zum Teil in der Nutzung unterscheiden. In Phantasma wird eine Betonruine zur räumlichen Metapher der Vergänglichkeit. Sie bildet das visuelle Gesamtenvironment und bietet Raum für vier formal und inhaltlich unterschiedliche Bereiche, die in einer Vielzahl einzelner Räume zu erforschen sind.

Vocal Poesis
Zwei Environments sind primär mit Stimmen in vokaler Rhythmik ausgestattet. Beide sind jeweils dreisprachig aufgebaut; neben Deutsch und Englisch kann Griechisch (I) oder Arabisch (II) genutzt werden. Die zeitsynchrone Programmierung erlaubt die Beinflussung jedes einzelnen Wortes sowohl hinsichtlich der Sprechdauer als auch der manuellen Wahl der Sprache. Ein noch so minimaler Eingriff in die Grundparameter führt unmittelbar zu einer Veränderung des Sprechrhythmus wie auch der Sprachmelodie. Aussagen mit ihren inhärenten Textzeichen überwinden damit ihre inhaltliche wie poetische Fixierung zum geschriebenen Wort und verwandeln sich in interaktive Sprache, Rhythmik oder Sprechgesang. Die Transformation ist fließend und rekursiv, denn die jeweils drei zugrunde liegenden Sprachen bilden eine gleichwertige Einheit. Trotzdem bleibt der poetische Inhalt im Vordergrund, denn jede formale Veränderung bewirkt gleichzeitig auch eine Verschiebung der Aussage bis hin zur völligen Umwandlung von Gesprochenem zu vokaler Poesis.

ThinkSpace
Eigenständige Denkräume öffnen sich durch die Integration von Interviewauszügen mit internationalen Expertinnen und Experten zum Thema griechisch-römischer Antike (I) und ägyptischer Pharaonenzeit (II). Über die Verlinkung der einzelnen Personen zu ihren Websites wird ein Netzwerk des Wissens zugänglich. Beide Zeitabschnitte haben bis heute in ihren grundlegenden Fragestellungen kaum an Aktualität verloren. Zahllose Besonderheiten unterschiedlicher Vergangenheiten prägen dabei die Informations- und Interpretationsmodelle und bestimmen über Epochen das Weltgeschehen. Die Konstruierbarkeit von Wirklichkeit im Verlauf der Jahrtausende offenbart sich unmissverständlich. Der Umstand, dass kulturelle wie politische Diskurse bislang kaum über die Erkenntnisse eines Aristoteles hinausgekommen sind, wird von dem Wissen begleitet, dass historische Entwicklungen immer ihren Höhepunkt und ihre Transformation erleben.


StandStill
Ein weiteres Environment kann in animierten Bildräumen erforscht werden, deren Besonderheit in der Verknüpfung statischer Grundformen mit einzelnen, dynamischen Objekten liegt. Diese verändern sich kontinuierlich und fließen ineinander, um an einem bestimmten Punkt – und wiederum nur für einen Moment – eine einheitliche, statische Erscheinung zu bilden. Nach dieser Verschmelzung streben die Elemente wieder auseinander. Sie bilden Teilchenwolken, die ineinander übergehen oder sich getrennt weiterbewegen. Synchron zum visuellen Fluss werden musikalische Miniaturen hörbar, die für jeden der Räume speziell komponiert wurden. Die thematische Grundlage dieser Arbeiten bildet die Vergänglichkeit von Form, Raum und Zeit. Der kurze statische Moment weist auf Skulpturen hin, die ohne weitere Erklärung doch eindeutig als Quellen der Vergangenheit interpretierbar sind. Ihre historische Bedeutung wird faktisch außer acht gelassen; sie werden in Form unterschiedlicher Zustände vermittelt. Dieser inhaltlichen Auseinandersetzung entsprechend kann in die einzelnen Arbeiten nur insoweit eingegriffen werden, dass sich der jeweils nächste Raum öffnet. Es gibt jedoch kein Zurück; wer einsteigt, muss durchgehen. Stillstand gilt hier als Qualität.

No Comment
Schließlich wird die Ruine auch aus sich selbst heraus sichtbar. Hier reagieren Abbildungen, deren Wände keinerlei feste Substanz aufweisen, auf Mouse-Rollovers und öffnen sich – ähnlich einem Lamellenvorhang – zu immer wieder anderen Situationen hin. Digitale Fotografien verweisen dabei auf lokale wie kulturelle Zusammenhänge von Phantasma; sie werden lediglich von jeweils typischen Geräuschkulissen begleitet. Die Montagen integrieren also Abbildungen in die Raumarchitektur und nehmen ihnen so ihre Bedeutung als autonome, zweidimensionale Einzelaufnahmen. Die Räume selbst bewegen sich zu den Bildern, die gleichsam durch die Landschaft fliegen, ohne sich architektonisch zu verändern. Mit den jeweils wechselnden Ansichten treten sie in eine visuelle Wechselbeziehung, die auf die Räume zurückwirkt und sie neu und anders entstehen läßt.

Hintergrund
Phantasma ist das dritte Projekt, das seit 1999 eigens für das World Wide Web entwickelt wurde. Den äußeren Rahmen bildet ein Zeitfenster, das von der Gegenwart der Binary Art Site (1999–2001) in die Zukunft der Outer Space IP (2001–2003) nun zuletzt in die Vergangenheit von Phantasma führt (2003–2005). Alle drei Projekte sind gleichwertig über www.zeitgenossen.com. zugänglich.

Bildwelten, Klangräume, Textkörper, Interaktion, Programmierung: Zelko Wiener & Ursula Hentschläger
Übersetzungen: Englisch: Elisabeth Frank-Großebner / Griechisch: Nikolaus Kanakis / Arabisch: n.N.
Wir danken allen Institutionen, Firmen und Einzelpersonen, die zum Gelingen des Projektes beigetragen haben.