Piraterie, Privatheit und Gedankenkontrolle
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Jaromil
Dieser Text thematisiert die Anti-Piraterie-Kampagnen, die weltweit die Privatsphäre der Bürger verletzen. Schon seit einigen Jahrzehnten verraten Anbieter digitaler Geräte, die mit der Dynamik digitaler Entwicklungen konfrontiert sind, die Prinzipien des Smith’schen Marktliberalismus. Einige große Konzerne stellen mobile Geräte mit diversen Einschränkungen her, die weltweit verkauft werden: Der Zugang zur Software-Entwicklung und die Distribution an die breite Masse sind ihren Geschäftspartnern vorbehalten,während der Nutzer lediglich das Recht zugestanden bekommt, aus vorkonfigurierten Mobiltelefonen und technischen Geräten auszuwählen. Solche mobilen Kommunikationsgeräte konstituieren heute das breiteste Netz rund um den Globus, das in erster Linie von Bürgern für die private Kommunikation verwendet wird.
Den Gesetzen des freien Markts zufolge gilt nach wie vor, dass eine Ware, für die ein Käufer bezahlt hat, bedingungslos dessen uneingeschränktes Eigentum ist.
Doch die legitimen Besitzer haben keine wirkliche Kontrolle über diese mobilen Geräte. Sie wissen meistens nämlich nicht, was die eingesetzte Software eigentlich macht, und werden durch das Aufkommen der Trusted Computing-Technologien auch daran gehindert, selbst gestrickte Applikationen zu verwenden.
Der Markt der mobilen Kommunikation, der kulturelle, politische und gesellschaftliche Entwicklungen weltweit betrifft, ist nicht offen; er lässt nicht einmal wirklichen Wettbewerb zu. Ein solches Monopol forciert eine Art Kolonialismus im Bereich der Informationstechnologie: Lokale Bastler haben keine Möglichkeit, eigenständig mit den Architekturen der Informationssysteme zu interagieren, in Kommunikationsinfrastrukturen einzugreifen, sie an ihre eigenen Bedürfnisse anzupassen und kleine Märkte zu gründen, auf denen solche Modifikationen verkauft oder ausgetauscht werden können.
Die Piraterie existiert nicht deshalb,weil es unverfrorene Leute gibt, die sich nicht an die Regeln und Gesetze der zivilisierten Welt halten. Sie taucht immer dann auf, wenn es eine hegemoniale Macht gibt, die sich durch den Aufbau eines Handelsmonopols durchsetzt. Es liegt in der Natur eines Monopols, dass es den Wettbewerb mit anderen Unternehmern ausschaltet und bestehende Handelsmöglichkeiten zerstört. Menschen, denen die traditionellen Möglichkeiten, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, genommen werden, flüchten oft in kriminelle Handlungen. Die hegemoniale Macht selbst scheut nicht davor zurück, Gewalt anzuwenden, um andere auszubooten. Sie erhebt den Anspruch, das Gesetz zu verkörpern und definiert die Aktivitäten anderer als Piraterie. Armin Medosch zur Piratologie Ein weiteres interessantes Zitat aus dem Buch Trade Secrets: Intellectual Piracy and the Origins of American Industrial Power von Doron S. Ben-Atar:
Während der ersten Jahrzehnte des Bestehens Amerikas als Nation unterstützten Bürger, freiwillige Interessensverbände und Regierungsvertreter den Schmuggel europäischer Erfindungen und die Einschleusung europäischer Handwerker in die Neue Welt. Diese Aktionen waren eine offene Verletzung der Schutzsysteme für das geistige Eigentum der europäischen Nationen. [...] Der amerikanische Wirtschaftsaufschwung im 19. Jahrhundert wurde durch ein duales System angekurbelt, das einerseits auf einem prinzipiellen Bekenntnis zu einem Schutzsystem für geistiges Eigentum beruhte, andererseits bei der Durchsetzung dieser Gesetze sehr nachsichtig war. Diese Ambivalenz brachte Innovation, indem sie Patent-Monopole versprach. Durch die Weigerung, gegen Technologie-Piraten hart durchzugreifen, ermöglichte sie gleichzeitig die rapide Verbreitung von Innovationen, was dazu führte, dass die amerikanischen Produkte besser und billiger wurden. Kommen wir nun zum Thema Privatsphäre der Bürger: Die heutigen Gesellschaften tendieren zu einer immer rigideren Durchsetzung der erwähnten Schutzsysteme für geistiges Eigentum, wie deutlich aus der IPRED2, der „EU-Richtlinie zu strafrechtlichen Sanktionen zum Schutz geistigen Eigentums“, die am 12. Juli 2005 von der Kommission der Europäischen Gemeinschaft verabschiedet wurde, hervorgeht.
Eine solche Durchsetzung führt letztlich zu einer „Privatisierung der Justiz“, indem urheberrechtlichen Verwertungsgesellschaften eine direkte Rolle bei der Suche nach Urheberrechtsverletzungen zugestanden wird: Informationen über Bürger können gesammelt und von Privatunternehmen, in Absatzanalysen und zu anderen, nicht einmal explizit zulässigen Verwendungszwecken benützt werden,was in deutlichem Gegensatz zum Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention steht.
Während Regierungen eine immer geringere Rolle bei der Gesetzesdurchsetzung spielen und der Tatsache ins Auge sehen, dass Informationsinfrastrukturen von global agierenden Konzernen geregelt werden, entwickeln sich im Zuge des Hypes um das Web 2.0 rasend schnell „gemeinschaftsorientierte“ Technologien, mit deren Hilfe Unmengen privater Daten über die Bürger weltweit gesammelt werden.
Aus dem Englischen von Martina Bauer
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