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Vielfalt der Kulturen vs. Einheitskultur im globalen Dorf


'Margit Niederhuber Margit Niederhuber / 'Eva Trötzmüller Eva Trötzmüller

Die UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Förderung
der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen

Am 18. März 2007 trat die UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen in Kraft. Sie definiert kulturelle Vielfalt als wesentliche Voraussetzung für die volle Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten und bietet Staaten die völkerrechtliche Absicherung, dass jeder Staat ein Recht auf eigenständige Kulturpolitik hat. Der Einsatz der UNESCO für die kulturelle Vielfalt ist Teil des globalen Kampfes um ein besseres Gleichgewicht zwischen Handel und Kultur, gegen die Homogenisierung und Kommerzialisierung der Kultur. Einzelpersonen und gesellschaftliche Gruppen sollen darin bestärkt werden, ihre eigenen kulturellen Ausdrucksformen zu schaffen und zu verbreiten, jenseits der Event- Globalisierungskultur.

Marlene Streeruwitz hat sich in einem viel beachteten Text, der unter dem Titel „Walzer und WTO“ in der Zeitung Die Presse am 09. 12. 2006 veröffentlicht wurde, in diesen Diskurs eingeschaltet:
In der Betonung der Bedeutung der Vielfalt der Kulturen ist der Idee einer Hegemonialkultur und der Zwangsassimilation in diese eine Absage erteilt. Mit einem solchen Dokument werden alle Menschen als potenziell frei handelnde Wesen angesprochen, denen die Möglichkeit eröffnet werden sollte, ihre eigene Kultur zu entwickeln. Auf einer theoretischen Ebene ist damit die Bildung einer kulturellen Identität als Recht definiert. Das ist zunächst abstrakt. Das ist wieder westlich bestimmtes Denken. Aber im Fluss der Ereignisse ist das das Respektvollste,was möglich ist. Und eine Errungenschaft.

Laut Konvention muss der Zugang zu Kultur auch die Bedingungen und Bedürfnisse von Frauen sowie von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen einschließlich Minderheiten gebührend berücksichtigen. Die Staaten werden aufgefordert, Rahmenbedingungen für eine zivilgesellschaftliche, kulturelle Mitgestaltung der politischen Öffentlichkeit zu setzen.

Gabriele Eschig, Generalsekretärin der Österreichischen UNESCO-Kommission dazu:
Die UNESCO ermutigt Regierungen, eine aktive Rolle zu übernehmen, um kulturelles Schaffen und Partizipation systematisch zu unterstützen. Die Konvention ist ein Angebot für politische Handlungsfreiheit, politische Verantwortung für Kultur und ordnungspolitische Instrumente für die Wahrnehmung dieser Verantwortung zu stärken. Freiheit bedeutet nicht nur Freiheit der Anbieter, sondern auch der Kulturschaffenden.

Marlene Streeruwitz zum globalen Kultur-Ausverkauf:
Es geht also nicht um „die“‘ dort irgendwo weit weg. Es geht um hier und um uns. Es geht darum, ob die eigenen Kulturen weitergegeben und neu entwickelt werden können. Derartige Kulturen betreffen alle Ebenen einer Gesellschaft. Unserer Gesellschaft. (...) Es findet ein Kampf um die Äußerungsgewalt statt (....) das bedeutet den vollkommenen Stillstand in vorgeschriebene Formate und keine Demokratie. Die uns übergebene Kultur und Mentalität definiert uns.Wir müssen uns in Beziehung dazu setzen und entscheiden, wie wir diese Definition auf uns wirken lassen wollen. Das ist ein lebenslänglicher Vorgang. Kunst und Literatur und Musik. Nur die neuen Texte können diese Beziehung beschreiben und deuten. Im derzeit weltweit tobenden Krieg darum, wer was wissen kann.Wer was wissen soll.Wer was wissen darf. Und wer was wissen muss. Es ist Totalitarismus, wenn von weit außerhalb und mit ausschließlich materiellen Interessen, Alltagskultur beherrscht wird.

Die Konvention zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen bietet die Grundlage für eine gleichgestellte Partizipation von Frauen und Männern am Kulturleben. Wie kann also Gendergerechtigkeit, die in der Konvention ja schon verankert ist, wirklich gesichert werden? Ein kurzer Exkurs dazu von Professorin Karin Neuwirth, Universität Linz:
Die Konvention zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen kann in ihren Grundsätzen bereits jetzt als Leitbild einer gendergerechten und gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern im Kulturleben und einer Anerkennung weiblichen Kulturschaffens angesehen werden. Zwar bedarf die Konvention erst einer innerstaatlichen legistischen Transformation, doch legt sie in ihrer Einleitung und insbesondere im Artikel 2 Absatz 1 fixe Rahmenbedingungen für eine derartige Umsetzung fest. Dazu gehören Grundsätze wie die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie sonstiger Prinzipien des Völkerrechts. Was die Gleichberechtigung der Geschlechter betrifft, stellt bereits Artikel 3 der 1982 in Österreich ratifizierten CEDAW (UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau) auch auf die gleichberechtigte Teilhabe, uneingeschränkte Entfaltung und Förderung von Frauen im kulturellen Gebiet ab. So kann sich zwar die Einzelne ohne gesetzliche Regelung nicht auf konkrete Förderungen aus der Konvention beziehen oder Rechtsverletzungen geltend machen, die Perspektive der Gendergerechtigkeit ist jedoch z. B. bei Neugestaltung von Förderkriterien jedenfalls mitzudenken. Genauso ist im Zusammenhang mit länderübergreifenden Projekten jedenfalls zu gewährleisten, dass auch dort kulturelle Vielfalt dermaßen gefördert wird, dass die oben genannten Prinzipien nicht verletzt werden.

Als wichtig wird in der Konvention auch der Einsatz neuer Technologien für Informationsaustausch und Meinungsbildung gesehen. Neue Technologien sind wichtige Innovationstreiber. Die Bedeutung neuer Technologien für die Entwicklung steht außer Zweifel. Es stellen sich aber neue Fragen, wie technischer Wandel funktioniert, welche Bedeutung radikale Innovationen haben, welche Rolle die verschiedenen Länder spielen und welche Gestaltungsmöglichkeiten existieren. Einiges deutet darauf hin, dass trotz neuer Technologien alte Besitzstandswahrung wirkliche Fortschritte verhindert. Und gleichzeitig diese neuen Kommunikationstechniken auch dazu verwendet werden, die Privatsphäre der Menschen zu beschränken.

Die Konvention bietet keine fertigen Lösungen für das Leben im globalen Dorf, der Diskurs aber ist eröffnet ...