Goodbye FM/AM
Digitaler Rundfunk - Chancen und Risiken für freien Rundfunk
'Michael Schweiger
Michael Schweiger
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'Sandra Hochholzer
Sandra Hochholzer
Ein Ausgangspunkt für die Radio FRO Konferenz 2007 ist die Empfehlung des Ministerkomitees des Europarates (Ende Jänner 2007)(1), in der die Rolle der freien Medien und des freien Rundfunks bezüglich demokratischer Meinungsbildung hervorgehoben und die Mitgliedsstaaten aufgefordert wurden, diese stärker zu fördern. Sie reflektiert die Menschen- und Freiheitsrechte in einem gesellschaftlichen Sinn und vor allem auch im Sinne der freien Medien. Die elementaren Grundrechte – Recht auf freie Meinungsäußerung und Meinungsbildung – brauchen eine Fülle von Meinungen, die ohne freien Zugang zu Informationen und zu Medien undenkbar ist. Die Medienvielfalt, erst durch freie Medien geschaffen, wird aber von Medienkon zentrationen unterschiedlicher Art als Folge von Marktlogiken bedroht.(2) Medienkonzentrationen sind hier nicht bloß als „Concentration of Media Ownership“ zu verstehen, sondern bezeichnen auch, dass Codecs, von Expert Groups(3) bzw. Firmenkonsortien geschaffen und auf dem Markt als Standards definiert, zugleich Schlüssel sind: Schlüssel zur Regulierung von Zugängen, die gleichzeitig neue Märkte, Lizenzabgabenmärkte, Rechteverwaltungsmärkte etc. entstehen lassen.
Ein zweiter Ausgangspunkt ist die weltweit ablaufende Digitalisierung des Rundfunks und die geplante Abschaltung des analogen Rundfunks. Die EU-Kommission plant im TV-Bereich bis 2012 die analogen Frequenzen abzuschalten. Österreich hat sich verpflichtet, den analogen Rundfunk bis 2010 abzuschalten.Wie sieht das im Bereich des digitalen Hörfunks aus?
Dabei spielen andere europäische und internationale Organisationen eine maßgebliche Rolle. DAB (Digital Audio Broadcasting) ist der bekanntere Name des EUREKA-Forschungsprojektes, E! 147 und als dessen Ergebnis ein industrieller Standard.(4) DVB (Digital Video Broadcasting) ist mit allen Unterteilungen(5) auch das Ergebnis eines Firmenkonglomerats aus 250 bis 300 Firmen, das – anfangs auf Europa beschränkt – heute weltweit verankert, einen Standard entwickelt hat.(6) EUREKA(7) hat als EU-Programm die internationale Wettbewerbsfähigkeit der EU und ihrer Mitgliedsstaaten zum Ziel, stellt also Technologieförderung dar, die Demokratie weder explizit zum Ziel hat noch demokratisch gestaltet ist. EUREKA verwendet öffentliche Mittel, um einen Rahmen für kooperative Forschung zu schaffen, aber wer bestimmt politisch, wohin Technologien entwickelt werden, was sie können bzw. bieten sollen, wer kann sich in solche Entscheidungen einbinden? Das sind Fragen, die aufgeworfen werden sollen.
Digitalisierung meint die Digitalisierung der Übertragung, die Produktion ist längst digitalisiert. Für die digitale Übertragung gibt es aber verschiedene Technologien, DAB ist nur eine davon. Manche versprechen interaktive Möglichkeiten, so etwa DVB-C (MHP)(8), andere wie DAB oder DMB – beide sind Technologien im UKW-Bereich, werben mit besserer Signalqualität, DRM (Digital Radio Mondial – digitales AM-MW und KW-Radio) stellt das Kosten/Reichweiteverhältnis in den Vordergrund, und DRM+ (über 30 Mhz) hingegen steht wegen der hohen Audioqualität in Konkurrenz zu DAB. Aber alle sind von Firmenkonsortien entwickelt und stehen in Konkurrenz zueinander.
Die Mehrkanaligkeit von DAB wäre für mehrsprachige Programme interessant.DVB-H ist interessant, weil Handys schon jetzt meist Multimedia-fähig sind und in Zukunft DVB-H-fähig als Empfänger dienen. So wird das Handy zum universellen Mediengerät, ein Beispiel für die Konvergenz der Medien und der Technologien.(9) Und DRM bzw. DRM+ sind interessant, weil sie größere Reichweite bei geringerem Energieverbrauch erreichen und zudem den aktuellsten Audio-Codec verwenden.
Egal welche Standards kommen,(10) die Digitalisierung wird Kosten verursachen, z. B. Kosten für Zubringung zum und für Multiplexing. Freier Rundfunk muss vor negativen Aspekten der Digitalisierung geschützt werden,(11) das gilt für jeden zukünftigen Standard. Beispielhaft dafür sind Entwicklungen im DVB-H Bereich: Die Mobilfunkbetreiber verhindern unverschlüsselten und damit freien Empfang von DVB-H Programmen.(12) Das zeigt aber auch auf, was mit digitalem Mehrwert gemeint ist: Digitalisierung – Schlüssel – Mehrwert.Was bedeutet das für freie TV Initiativen wie OKTO (Wien) und CODY (Linz)? Wie kommt freier Rundfunk, egal ob Hörfunk oder TV, auf DVB-H-Plattformen, wenn der Empfang mit einem Vertrag verbunden ist? Welche Wirkungen hat das auf den offenen Zugang?
Wie die RTR (Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH) am 23. 3. 2007 in Linz betonte, ist die Digitalisierung des Hörfunks auch in Österreich vorbereitet, wird aber, analog zur EU, kaum vorangetrieben, weil der Markt fehlt. Das ist die Chance, sich jetzt zu positionieren und in die Gestaltung der zukünftigen Hörfunktechnik einzuklinken und eigene Positionen zu finden.
Der Europarat betont, freie Medien garantieren freien Zugang zu Informationen und Medien,um Meinungen wieder in den öffentlichen Diskurs einbringen zu können. Weil freie Medien nicht marktorientiert sind, stellen sie eigene Anforderungen an Technologien.(13) Der Markt hingegen, soweit als „freier Markt“ vorhanden(14),„schafft keine öffentlichen Diskurse, bestenfalls definieren sich dort Preise, im schlimmsten Fall fördert er mit der inhärenten Logik der instrumentalen Vernunft soziale Techniken, die einen Diskurs eher verhindern als fördern“.(15)
Die Konferenz soll erörtern, wie ein freier Rundfunk als Teil der freien Medien den unbestreitbar wichtigen Beitrag zur Demokratisierung vor dem Hintergrund der skizzierten Entwicklungen weiterhin leisten kann. Die zentrale Frage bleibt, wie der offene Zugang gewährleistet bzw. verbessert werden kann.Voraussetzung dafür wären eine ausreichende, langfristige und transparente Finanzierung und eine rechtliche Verankerung des freien Rundfunks als dritte Rundfunksäule und alle Vorkehrungen, die etwaige negative Konsequenzen der Digitalisierung abfedern – also „Must Carry“-Regelungen, Reservieren von Bandbreite für freien Rundfunk und freie Medien etc ...
Der Hinweis des Europarates auf die Vernachlässigung von „Randgruppen“ durch „Mainstream- Medien“ ist nicht neu,(16) aber wichtig, er stellt die Forderungen von VFRÖ(17) und IG Kultur und anderer freier Netzwerke in einen übernationalen Kontext. Die Diskussion wird wieder nahe an den technischen Entwicklungen im Bereich elektronischer Medien geführt werden. Dass die Forderungen zum Teil die alten bleiben, zeigt, dass die Arbeit freier Medien ein nie endender, kreativer, subversiver Kampf um Öffentlichkeiten ist.
Ein Projekt von Radio FRO in Zusammenarbeit mit Ars Electronica.
(1) https://wcd.coe.int/ViewDoc.jsp?id=1089615&BackColorInternet= DBDCF2&BackColorIntranet= FDC864&BackColorLogged=FDC864zurück
(2) In diesem Sinne sind auch drei weitere Dokumente des Europarates von Bedeutung: Die Empfehlung „CM/Rec(2007)2“, die darin zitierte Empfehlung „Rec(2003)9“ und der Report der Medien Division des „Directorate General of Human Rights“ über Transnationale Medien Konzentrationen in Europa, „AP-MD (2004)7.“zurück
(3) MPEG = Moving Pictures Expert Groupzurück
(4) Vgl dazu Hans J. Kleinsteuber, „Die Zukunft des Radios“, in Relating Radio – Beiträge zur Zukunft des Radios, S. 94 ffzurück
(5) Nach Übertragungsmethode gibt es DVC-T (terrestrisch) -H (handheld) – C (Kabel) siehe auch http://www.dvb.org/about_dvb/history/index.xml oder http://de.wikipedia.org/wiki/Digital_Video_Broadcastingzurück
(6) http://www.dvb.org/about_dvb/history/index.xmlzurück
(7) http://de.wikipedia.org/wiki/EUREKAzurück
(8) DVB-C ist DVB via Kabel; MHP bedeutet Multimedia Home Plattform und dient der Übertragung und Darstellung interaktiver Inhalte. Echte Interaktivität wird aber nur mit Kabel (DVB-C – MHP) und via GPRS oder UMTS, also DVB-H MHP möglich.zurück
(9) Vergleiche dazu: Oliver Hauf, Die Informationsgesellschaft Anatomie einer Lebenslüge, Peter Lang Verlag Frankfurt a. Main 1996, S. 84ff, S. 34 – 45; siehe auch: Joan Kristin Bleicher, „Die Rolle der Medien in der Wissensgesellschaft“ in Knut Bleicher, Jürgen Berthel, Auf dem Weg in die Wissensgesellschaft, S. 204 – 217, bes.: S. 214fzurück
(10) RTR und „Digitale Plattform Austria betonen, die Standards für digitalen Hörfunk sind noch nicht fix – siehe: http://www.rtr.at/web.nsf/deutsch/Rundfunk_Digitale+ Plattform+Austria?OpenDocumentzurück
(11) Vgl.: http://www.freie-radios.at/article.php?id=171zurück
(12) http://derstandard.at/?url=/?id=2892550 – Ende Mai 2007zurück
(13) Vgl dazu sektor 3/medien99, S. 7 – 10 u. S. 41 – 45zurück
(14) Vgl Noam Chomsky, in Noam Chomsky / Heinz Dieterich, Globalisierung im Cyberspace, S. 41f und S. 25ffzurück
(15) Vgl.: http://www.freie-radios.at/article.php?id=171zurück
(16) Vergleiche sektor 3/medien99 S. 61ff, Hg. Gerald Raunig, Martin Wassermair, IG Kultur Österreichzurück
(17) http://www.freie-radios.at/article.php?ordner_id=27&id=194zurück
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