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Ars Electronica 2007
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Festival 1979-2007
 

 

FEED


'Kurt Hentschläger Kurt Hentschläger

FEED ist eine Performance ohne Menschen in zwei Teilen: Der erste Teil operiert mit Darstellungen ebenso dürrer wie gesichtsloser primitiver Figuren, die auf eine kinogroße Leinwand projiziert werden. Animiert werden diese mit der Karma-Engine, dem prozeduralen Teil des Computerspiels Unreal Tournament. Diese Engine erzeugt ihre Animationen nicht mit Keyframes, sondern mit in Echtzeit ablaufenden dynamischen Simulationen. In Unreal zucken und zittern die Figuren, wenn sie erschossen werden, um den Eindruck eines langsamen schmerzhaften Todes zu vermitteln. Gleichzeitig aber kommt das zwangsläufig ernste Thema Tod ohne Pathos daher und das Ergebnis hat eher Camp- oder Satirecharakter. Hentschläger dagegen schneidert sich die Engine so zurecht, dass sie hoch emotionale Bilder erzeugt, denen man unmöglich das ethische Urteil austreiben kann.

Darüber hinaus erweitert Hentschläger die expressiven Möglichkeiten der Echtzeit-3D-Engine noch insofern, als er sie zum Treiber eines nach eigenen Entwürfen entwickelten Musikinstruments macht. In FEED folgt die Engine den Bewegungen der Gliedmaßen der acht virtuellen Körper und steuert damit einen Softwaresynthesizer. Erinnert der Soundtrack an das Dröhnen von Begräbnisglocken, so ist die Bildsprache gotisch,was beides an das Hochrelief eines Kathedralenportals denken lässt: Höllen- und Himmelfahrt in einem. Der so entstehende Eindruck ist synästhetisch: Sound und Visuals scheinen sich gegenseitig hervorzubringen.

Der zweite Teil von FEED ist ein vollkommen immersives Environment aus flackerndem Licht, in dem sich die „reale“ physische Welt in eine Ursuppe aus pulsierenden Klängen, dichtem Kunstnebel und zuckenden Strobos verwandelt. Es ist gleichzeitig überwältigend und erhebend.Wir scheinen die Welt dieser sich windenden Figuren zu erleben und ähnlich wie sie von einer jenseitigen physikalischen „Engine“ getrieben zu werden, die unsere autonomen Reaktionen außer Kraft setzt.Dieser zweite Teil von FEED wird vom Besucher eigentlich eher mit dem Gehirn als mit den Augen „gesehen“.Wir erleben quasi leibhaftig „ein erhabenes Licht“, ein Licht, das wahrhaft psychedelisch ist. Das ist die Welt wie sie ein sterbender Roboterklon aus dem Inneren eines Turner- Gemäldes sieht.

Wenn Klang und Licht verebben und der Nebel sich verzieht, werden wir aus diesem unwirklichen Himmel oder dieser unwirklichen Hölle allmählich „wiedergeboren“. FEED gelingt es, zugleich moralische Allegorie und ein in höchstem Maße ästhetisches Erlebnis zu sein.

Aus dem Englischen von Wilfried Prantner

Max/Msp & Unreal interaction: Michael Ferraro; 3D Modeling: Francisco Narango;
Thanks to Claudia Hart & Friedrich Kirschner
Supported by: Bundeskanzleramt: Kunst / Federal Chancellery Austria
Land Oberoesterreich – Kultur / Cultural Department, Province of Upper Austria
Meda™ –mission for vision
A Creation for Theater Biennial Venice 2005