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Ars Electronica 2007
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Festival 1979-2007
 

 

Ars Electronica Animation Festival 2007




Eine Szene, wie man sie aus vielen Filmen kennt: ein Bus auf einer gottverlassenen, staubigen Landstraße, irgendwo in Middlewest. Schnitt: Ein einsamer Cowboy steigt aus. Wir sehen ihn von hinten – zuerst nur die Füße in Stiefeln im Close-up, dann die Totale: Stetson, lange wehende Mantelschöße, einen kleinen vernarbten Koffer in der Hand, geht er auf den Saloon zu. So haben zahllose Westernfilme begonnen, oder doch nicht? Denn da ist diese unglaubliche Irritation des Looks eines Sieben-Minuten-Films: gebrochene pastellige Farben, viel näher am Schwarz-Weiß als an den meist satten und doch oft artifiziellen Farben und Texturen der Computergrafik, ein Verwirrspiel zwischen 2D und 3D, zwischen Zeichnung und Raumgestaltung, tempo- und actionreiche Kamerafahrten und eine Story, die schnell vom anfangs vermuteten Genre – des Western eben – in eine rasante Science-Fiction-Story kippt, in der die Macht des Bösen nach den Nugetts der nahen Zukunft strebt – Datenmonopole gegen Open Source – und die dabei in aller Kürze alle Assets eines Spielfilms in sich hat.

Codehunters, der Film, mit dem der Schweizer Ben Hibon (Blinkink Productions für MTV Asia) die Goldene Nica 2007 für Computeranimation erhält, ist sowohl gestalterisch wie im Storytelling ein Meisterwerk, das stellvertretend für einen Haupttrend in der aktuellen Computeranimation steht. Er repräsentiert eine neue Form von Kurzfilm und Erzählung, die in den letzten Jahren nicht nur in der Computeranimation bzw. im digitalen Film zunehmend Fuß gefasst hat, sondern auch in meisterhaften Cartoons und Character-Animationen oder in experimentellen abstrakten Filmen, die sich über die Jahre standhaft den kommerziellen Produktionen verweigert hatten. Der digitale Kurzfilm ist längst nicht mehr wegen seiner Beliebtheit bei noch in Ausbildung stehenden FilmemacherInnen mit dem StudentInnenfilm gleichzusetzen, sondern ist dank seiner adäquaten Ausdrucksformen mittlerweile auf dem besten Weg, zum eigenständigen Genre zu werden – vergleichbar mit der Literatur und ihren Genres Kurzgeschichte versus Roman, auch wenn der Vergleich gerade im Hinblick auf die Computeranimation nur zum Teil legitim ist.

Wenn noch bis vor etwa zehn Jahren die digitale Bildwelt weniger in ihrem filmischen Gestus als vielmehr technologiegesteuert agierte, ist es mittlerweile – wohl auch aufgrund einer spürbaren Stagnation im Softwarebereich – zu einem massiven Umschwenken gekommen, wobei diese Stagnation sicherlich nicht der alleinige Grund ist.Was in der Entwicklung der sich zunehmend herauskristallisierenden Eigenständigkeit des digitalen Kurzfilms viel entscheidender ist, ist die Tatsache, dass dieser sich zunehmend von jeglicher Abbildung der realen Welt und ihrer Bewohner verabschiedet: einerseits fantastische Stories in imaginierten Szenerien, der Rückzug in die Innenwelt, ins Private und andrerseits überbordende Gewaltszenarien, Kämpfe, Verfolgungsjagden jenseits jeder Realität (um nur zwei Szenarien herauszufiltern) – der digitale Kurzfilme bildet nicht eine von vielen möglichen Wirklichkeiten ab, sondern generiert sich aus dem Medium selbst – und die einzige Grenze ist die des Denk- und Vorstellbaren oder, wenn man so will, die einzige Grenze ist die Fantasie!

Nicht unerwähnt sei allerdings auch ein möglicherweise sehr pragmatischer Grund für diesen Kurzfilm-Boom: Spätestens mit Web 2.0 und den dadurch ermöglichten Tauschbörsen und Downloadportalen ist in das Filmgeschäft wieder in Bewegung geraten. Während im großen Filmbusiness das Internet zum Feind Nr. 1 avancierte, können die Kurzfilmacher in diesen Portalen die Kürze als Heimvorteil nutzen – nach dem Prinzip „Schau rein und sag mir deine Meinung“ – und auf diese Art und Weise rasch Bekanntheit erzielen. Das mag ein nicht ganz unwichtiger Randaspekt bei dieser Entwicklung sein.

Aus 63 Ländern dieser Welt stammen die im Jahr 2007 zum Prix Ars Electronica eingereichten Arbeiten: Filme von kommerziellen Professionisten ebenso wie von KünstlerInnen und Studierenden rund um den Globus. Filme, die ihre Geschichten auf höchst eigenständige, medienadäquate Weise erzählen, die Befindlichkeiten reflektieren, Schlaglichter auf unsere Gesellschaft werfen oder uns intelligent unterhalten und die Illusionskraft der bewegten Bilder demonstrieren. Aus annähernd 1.500 Filmen von Professionisten aller Sparten ebenso wie von kommenden Talenten wurden zehn Programme erstellt, die beim Ars Electronica Animation Festival 2007 erstmals zeitgleich bei Ars Electronica in Linz, im Museumsquartier in Wien und in unserer Partnerstadt Kiev ein interessiertes, neugieriges und offenes Publikum finden.

Text: Christine Schöpf

Ars Electronica Animation Festival curated by: Ivan Tsupka, Christine Schöpf


Prix Selection: Stretched Worlds
Ist die Welt um uns Realität oder Illusion? Diese Frage ist bereits viel älter als die Computeranimation, aber genau jene versucht, uns eine Antwort darauf zu geben.

Prix Selection: Bestiarium Digitalis
Das Wort „Animation“ bedeutet „eine Seele verleihen“ (vom lateinischen Wort anima – Seele). Surreale Kreaturen sind die dankbarsten Objekte solch alchemistischer Experimente.

Prix Selection: Narrative
Eine interessante Geschichte bildet den Kern eines jeden Films. Auch bei Computeranimationen ...

Prix Selection: Drama
Kernstück jedes Films ist eine interessante Story. Aber nicht alle Stories sind lustig.

Prix Selection: Fight and Chase
Ein wilder Kampf und eine heiße Verfolgungsjagd sind tragende Elemente jedes Unterhaltungsfilms; und viele unabhängige Trickfilmer träumen unentwegt von einer ordentlichen Rauferei. Bis vor Kurzem waren animierte Kampfszenen noch eine technische Herausforderung – aber die Werkzeuge werden immer besser … daher iiiist’s Zeeeeeiiiiiiit zum Kääääääämpfeeeeeeeeen!!!!!!

Prix Selection: Visual Effects
Neue Technologien lassen zunehmend die Grenze zwischen Illusion und Wirklichkeit im Kino verschwimmen. Versuchen Sie doch mal, diese Grenze zu finden!

Prix Selection: Abstract, space, movement
Als zu Beginn des 20. Jahrhunderts die abstrakte Malerei entstand,war man von der Vorstellung beseelt, absolute Schönheit frei von Bedeutung zu schaffen. Niemand konnte absehen, welche Dimension die Computeranimation der reinen Kunst hundert Jahre später verleihen sollte.

Prix Selection: Late Night
Solche Filme gibt’s nur in der Nacht.

u19 – freestyle animation
Witzige, schräge, subtile, tragische und ernste Animationen produziert von jungen Menschen bis zum Alter von 19 Jahren. Jedes Jahr reichen begabte JungregisseurInnen ihre Shorts beim Prix Ars Electronica u19 – freestyle computing ein. Eine Auswahl wird beim Young Animation Festival präsentiert. 2007 werden erstmals auch junge Arbeiten aus anderen Ländern gezeigt: Schweiz (bugnplay-der Jugendwettbewerb des migros/kulturprozent), Deutschland (MB21), Taiwan (Unison– u19) und Japan (Digital Stadium).

Japanese Animation
Visueller Einfallsreichtum und unkonventionelle Erzählformen kennzeichnen die Animationen made in Japan. Das vom Japan Media Arts Festival kuratierte Programm gibt einen Querschnitt über künstlerische Produktionen des vergangenen Jahres.