Acting in Utopia
'Martin Hochleitner
Martin Hochleitner
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'Dieter Buchhart
Dieter Buchhart
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'Anna Karina Hofbauer
Anna Karina Hofbauer
KINDER! ist das Motto von drei parallelen Ausstellungen in der Landesgalerie Linz im Herbst 2007. Die Projekte nehmen dabei ganz unterschiedlich auf Kinder Bezug. Während die Sammlungspräsentation „Kinderzimmer“ Arbeiten mit verschiedenen Zuordnungen zum Begriff Kind bzw. Kindheit präsentiert, thematisiert die Ausstellung „Krieg der Knöpfe“ mögliche Berührungen zwischen der Welt des Kindes und der Welt der Krieges.
Für diese mit der Ursula-Blickle-Stiftung konzipierte Ausstellung bilden zwei Filme den Rahmen: Einerseits der 1961 entstandene Film Der Krieg der Knöpfe von Yves Robert, andererseits die Dokumentation Lost Children von Ali Samadi Ahadi & Oliver Stoltz, die das Schicksal von Soldatenkindern in Sierra Leone behandelt. Zwischen diesen beiden Filmen verfolgt die Ausstellung eine Recherche zu den Themen Kindheit, Identität und Erinnerung unter den Vorzeichen aktueller Problemstellungen internationaler Gewalt, politischer Konflikte sowie der Tatsache, dass Kinder weltweit als Soldaten eingesetzt werden.
Da die Themenfelder Kindheit und Krieg für sich zuletzt durch eine Reihe von Ausstellungen hinsichtlich ihrer Bedeutung für künstlerische Arbeiten international vorgestellt wurden, erweist sich die Ausstellung „Krieg der Knöpfe“ als Versuch, entsprechende Rezeptionsansätze weiterzuentwickeln und dabei vor allem auf das Verhältnis zwischen biografischen und dokumentarischen Ebenen in den einzelnen Werken zu achten. Gemeinsam zeichnen die vorgestellten Projekte ein politisches Bild, zu dem sich die einzelnen Arbeiten ganz unterschiedlich positionieren und verschiedene inhaltliche Bezüge aufzeigen: Der Blick auf die eigene Kindheit findet sich ebenso wie der Zugriff auf historische Materialien. Die Inszenierung von Situationen mit literarischen und filmischen Bezügen trifft auf die Beobachtung gesellschaftlicher Phänomene und die Dokumentation von realen kriegerischen Konflikten, in die Kinder als Soldaten involviert sind.
Im dritten von Dieter Buchhart und Anna Karina Hofbauer kuratierten Ausstellungsprojekt „Acting in Utopia“ kreieren sieben internationale KünstlerInnen, Künstlerduos und Kunstkollektive utopische Spielräume, in denen die BesucherInnen, ob jung oder alt, spielerisch und ernsthaft mit ihren fünf Sinnen partizipieren und sich intensiv mit diesen auseinandersetzen können. Sie werden Teile der künstlerischen Werke und vollenden diese.
Die Palette der künstlerischen Auseinandersetzungen reicht von stark auf den Tastsinn hin konzipierten Werken, am sportlichen Wettkampf orientierten Arbeiten über utopische Aktionsräume im weitesten Sinn wie auch über Entscheidungsräume und soziale Handlungsräume. Es handelt sich hierbei keinesfalls um leicht identifizierbare Realitäten, da sich die Handlungen in künstlerischen utopischen Aktionsräumen vollziehen. Die Ausstellung, die dem kindlichen Maßstab und Maß unterworfen ist, die gewohnten Ausstellungsbedingungen damit verändert und auch kritisch in Frage stellt, eröffnet sowohl für Kinder, Jugendliche wie auch Erwachsene eine lustbetonte Herausforderung und bietet eine Erweiterung des gewohnten alltäglichen Erfahrungshorizontes. Die Interaktionen ermöglichen einen spielerischen Umgang, können jedoch ebenso nachdenklich stimmen.
Das Potenzial der Partizipation ermöglicht neben der Beteiligung für Erwachsene auch die Öffnung des Zugangs für Kinder und Jugendliche, die mittels teils haptischer Interaktionsmöglichkeiten eine unmittelbare Erlebbarkeit von Kunstwerken erfahren. „Acting in Utopia“ basiert auf der Öffnung des Kunstbegriffs hin zu einem offenen Handlungsfeld, innerhalb dessen die Diskursgruppe des Kunstpublikums bis hin zu den Jüngsten unserer Gesellschaft geöffnet wird, ohne jedoch einen Spielplatz zu konzipieren. Vielmehr werden Werke von KünstlerInnen zusammengeführt, die sich dezidiert mit Spielmodi und der Partizipation der BesucherInnen auseinandersetzen. Da viele dieser Werke entsprechend viel Platz benötigen, wird bewusst mit nur wenigen KünstlerInnen zusammengearbeitet, wodurch jedem der Beteiligten ein gesamter Raum zur Verfügung steht.
Zur diesjährigen Ars Electronica liefert die Landesgalerie Linz mit ihrem Ausstellungsprojekt „Acting in Utopia“ zwei konkrete Beiträge. Einerseits das aus einer direkten Kooperation zwischen beiden Institutionen entwickelte Projekt von Sylvia Eckermann und Peter Szely, andererseits das interaktive Environment Bubbles von Wolfgang Münch und Kiyoshi Furukawa, das der Landesgalerie vom ZKM – Medienmuseum in Karlsruhe für „Acting in Utopia“ zur Verfügung gestellt wird.
Sylvia Eckermann arbeitet stets in ihren Multi-User-Applikationen an der Schnittstelle zwischen virtuellem und haptisch erfahrbarem Raum. Je nach Projekt stellt sie das einer Aufgabe entsprechende Team aus KünstlerInnen und ProgrammiererInnen zusammen. So schuf sie für Raumstation SKYLAB 5 eine Innenhaut aus großflächigen Projektionen und klangarchitektonischen Strukturen, die keine starre Oberfläche, sondern eine atmende, lebende Biomasse, eine flexible bewegliche Membran bezeichnen. In dem eigens für „Acting in Utopia“ entwickelten Projekt Spiegelzellen, setzt sie sich mit dem Phänomen der 1991 entdeckten Spiegelneuronen auseinander, die im Gehirn bei Beobachtung von Handlungen des Gegenübers dieselben Potenziale auslösen wie bei der eigenen Ausführung gleicher Handlungen. Dabei kreiert sie innerhalb eines architektonischen akusmatischen Raums das Spiel mit der gespiegelten Unendlichkeit. Ziel ist es, ein Klang-Environment zu schaffen, das von den BesucherInnen in Gang gesetzt, manipuliert und gesteuert wird. Es handelt sich hierbei um eine organische Struktur, die so beschaffen ist, dass die Kommunikation der Spieler im GameMod untereinander die entscheidende und die wichtigste Variable des Klang-Environments in Bezug auf Form, Klang und Dynamik der klangarchitektonischen Struktur darstellt.
In ihrer Zusammenarbeit verbinden der deutsche Multimediakünstler Wolfgang Münch und der japanische Avantgarde-Komponist Kiyoshi Furukawa stets interaktive Technologie und computergenerierte Bilder und Animationen mit musikalischen Anwendungen. In dem interaktiven Environment Bubbles können die BesucherInnen mit einer Echtzeit-Simulation von umherschwebenden Seifenblasen interagieren. Mit dem Eintreten in den Lichtstrahl des Projektors wirft der Benutzer einen Schlagschatten auf die Projektionsfläche. Die projizierte Fläche wird von einem Video-Input-System aufgenommen und an das Computerprogramm zurückgeleitet: Die Seifenblasen erkennen sowohl die Berührung durch einen Schatten als auch die Richtung, aus der sie angestoßen werden. Dabei folgt das Verhalten der als autonome Objekte definierten Seifenblasen und ihre Reaktion auf den Benutzer physikalischen Gesetzen. Sie bilden ein kleines komplexes System, in dem sowohl der Gesamtzustand als auch die einzelne Interaktion mit dem Schattenwurf nicht lineare musikalische Strukturen erzeugen, die in Echtzeit über ein Midi-Interface und einen Midi-Synthesizer ausgegeben werden.
Insgesamt verfolgen alle drei Ausstellungen der Landesgalerie Linz ein Ziel: Die Projekte sollen in besonderer Weise für und durch Kinder funktionieren.
Acting in Utopia: Mit Arbeiten von Olaf Nicolai, Ernesto Neto, Christine und Irene Hohenbüchler, Sylvia Eckermann / Peter Szely /Doron Goldfarb,Wolfgang Münch und Kiyoshi Furukawa, Vadim Fishkin, Katrin Sigurdardottir Krieg der Knöpfe: Mit Arbeiten von AES+F, Shahram Entekhabi, Manfred Erjautz, Bernhard Fuchs, Anthony Goicolea, Gintaras Makarevicius, Ursula Meissner, Monika Oechsler, Lisl Ponger, Markus Schinwald, Thomas Sturm und Gregor Zivic. Kinderzimmer: Mit Arbeiten u.a von Peter Friedl, Anna Jermoleva, Tina Bara, Robert F. Hammerstiel und Baltazar Torres.
Landesgalerie Linz, 6. September bis 11. November 2007
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