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Ars Electronica 2001
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Festival 1979-2007
 

 

Tgarden


' FoAM FoAM / ' Sponge Sponge

Stellen Sie sich einen Raum vor, in dem sich die Medien und Stimmungen ständig ändern, wenn Sie sich darin bewegen oder darin tanzen. Sie benötigen keinerlei Vorwissen. Sie werden durch keinerlei unförmige, unschöne Geräte an Kopf, Händen und sonstigen Körperteilen eingeschränkt. Stattdessen können Sie sagenhafte Designerklamotten aus den denkbar ausgeflipptesten Textilien tragen – Textilien, die eigentlich lebende Stoffe sind, die Ihre Körperbewegungen wahrnehmen können. Stellen Sie sich ferner vor, dass dieser Raum nicht nur von Ihnen allein, sondern auch von anderen bespielt wird. Dann befinden Sie sich im TGarden, einem reagierenden Environment, das in einer internationalen, interdisziplinären Kooperation zwischen zwei Kulturorganisationen entwickelt wurde: Sponge in San Francisco, USA, und FoAM in Europa. Sowohl Sponge als auch FoAm konstruieren und erforschen tief verwurzelte Körpererfahrungen und deren zunehmende Formung durch Technologie. Beide Organisationen sind der Idee verpflichtet, dass Kunst und ihre Begriffsbildung in die Ökonomie des Alltags eingebettet sein müssen. Dies gilt nicht nur für die künstlerische Praxis, sondern auch für neue Medien, Materialien, Symbole und soziales Kapital. Das Tgarden- Projekt erkundet ökonomische, ethische, soziale und architektonischen Fragen, die für die Struktur avancierter Technologien von entscheidender Bedeutung sind.

TGarden versteht sich also sowohl als konkretes „Responsive Environment“ wie auch als Methode zur Konzeption und Konstruktion solcher Environments.

Der Raum:

TGarden ist in erster Linie ein gebauter, bewohnbarer Raum. Die Kleider, die Sie zum Anziehen erhalten, fungieren als zweite Haut, mit der Sie und Ihre Mitspieler die Medien und die Umgebung gestalten können. Das Nervensystem des TGarden besteht aus einem Computernetzwerk, das Ihre Aktionen interpretiert und daraus eine Reihe komplexer, sich entwickelnder Reaktionen choreografiert. Die Art Ihrer Aktionen ist Ihnen selbst überlassen, obwohl die Kleidung, die Sie tragen, die Mitspieler, denen Sie begegnen, und die Stimmung, die in dem Raum herrscht, sicher wesentlichen Einfluss auf Ihren Spaßfaktor haben werden. Das Verhalten des Raums kann von Ihnen manipuliert werden, ist aber auch Resultat autonomer Prozesse. Sie sind kein User, und der TGarden stellt Ihnen keine Aufgaben. Sie haben es mit keiner grafischen Benutzeroberfläche zu tun. Der Raum ist nicht dazu da, um darin zu navigieren oder etwas zu suchen, sondern um darin abzuhängen, zu tanzen, aufzufallen, Leute zu beobachten oder sich einfach zu entspannen.

Performance:

Sie können im TGarden zwischen der Rolle des Performers und des Zusehers wechseln. Es gibt keine Hinweise oder Anleitungen, die Ihnen sagen, was Sie tun sollen. TGarden realisiert ein neues Modell von Stegreif-Performance, wie es sie in der Clubund Modewelt gibt.

Erlebnis:

Tgarden ist kein vorfabriziertes Erlebnis wie die Fahrt durch einen Themenpark – wir sind eher daran interessiert, verschiedene technologische Schichten zu bauen, mit deren Hilfe Sie in nicht von uns diktierte Erlebnisse eintreten können. Dem Spaß liegt eine ernste Methode zugrunde. Sagen wir einfach, wir schaffen ein reagierendes, dynamisches Feld, das Ihr Spiel in diesem Raum registriert – manchmal lockerer, manchmal enger an Ihre Aktionen gekoppelt.

Spiel:

Auch wenn es ums Spiel geht, ist es TGarden durchaus ernst. Sponge und FoAM experimentieren damit, was Spiel in einem weiteren Sinn bedeuten könnte: Wie bringt das Spiel, vor allem in einem fluiden Environment, neue Formen der Sinnstiftung hervor? Wie lange und intensiv können Menschen miteinander und mit dem Raum spielen, wenn sie mit allen Elementen – ihrer Stimme, ihrer Gestik, ihrem Körper – improvisieren dürfen? Inwiefern beeinflussen soziale Spielkonventionen das Erleben? Tgarden ist eine Herausforderung an jene, die meinen, Spiel entstehe nur durch entkörperlichte, kybernetische Erfahrungen.

Interdisziplinarität:

Zum Funktionieren des TGarden haben zahlreiche Disziplinen beigetragen. Das Tgarden-Team kommt aus sechs verschiedenen Ländern, ihm gehören Spezialisten aus Philosophie, Computerwissenschaft, Mode- und Textildesign, Medien- und Interaktionsdesign, Mathematik, Physik, Computermusik und Tontechnik, Elektrotechnik und Maschinenbau, Informationsarchitektur, Mensch-Maschinen-Interaktion und Projektmanagement an. Die Realisation des TGarden verdankt sich wesentlich der Verbindung all dieser Spezialkenntnisse.

Kooperation:

Angesichts des hohen Einsatzes – in wirtschaftlicher und intellektueller Hinsicht wie auch in Bezug auf Präsentation/ Distribution – bildet TGarden ein Konsortium zur Auslotung der strategischen Themen. Die Mitglieder dieses Konsortiums sind ähnlich gesinnte Technologie- und Medienzentren wie das Bannf Center, V2, die Ars Electronica, STEIM und C3. Dazu kommen noch weitere Förderer: die Daniel Langlois Foundation, Creative Disturbance in San Francisco, das Georgia Institute of Technology, Ground Zero in Silicon Valley und ein paar, die sich noch bedeckt halten. Am Ende soll das Konsortium auch Partner aus der Industrie und größere gemeinnützige Stiftungen umfassen, weil die Kulturinstitutionen die Kosten eines solchen Projekts nicht mehr allein tragen können.

Forschung:

Das Konsortium wird den TGarden als Laboratorium für eine ganze Reihe von Forschungstätigkeiten nutzen, die von Modellen für reagierendes Echtzeitcomputing, über neue Autorensprachen für Designer bis zu einer Heuristik für die Messung von Publikumserfahrungen in innovativen ortsgebundenen Unterhaltungsformen reichen. Die Forschungsresultate werden in die angemessene Form von Berichten, Symposien oder experimentellen Technologien gebracht und sollten denselben Stellenwert haben wie andere Arbeiten im öffentlichen Wissenschaftsbetrieb. Diese Ideen fließen wieder in neue Formen des TGarden ein und nehmen darin Gestalt an.

Ökonomien:

TGarden versucht neben dem gängigen Marktmodell mit anderen Tauschformen zu arbeiten. Die Ökonomien der Aura, des Spiels und der Gabe mögen sich auf lange Sicht global als wesentlich nachhaltiger erweisen. Gemeinsam mit seinen Partnern arbeitet sich TGarden von Open-Source-Prinzipien in die Medien-, Erlebnis- und Wissensindustrie vor. Wir betrachten TGarden als einen lebendigen Garten, in dem wir und unsere Partner unsere Zeit und unser Kapital aussäen. Die Menschen, die ihn durchwandern – den Raum wie das Projekt –, kommen verändert heraus. Darin besteht vielleicht der wirkliche Takeover.