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Ars Electronica 2001
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Festival 1979-2007
 

 

Großstadt-Dub, mikroskopisch klein


'Heinrich Deisl Heinrich Deisl

Einerseits: Unendliche Weiten, Gletscherlandschaften. Andererseits: Urbanität, Clublandschaften. Mittendrin: Ein finnischer Musiker. Wie soll man ihn ansprechen: Luukas Onnekas, Luomo oder doch der Einfachheit halber Vladislav Delay? Obwohl: Namen tun hier nichts zur Sache. Sie sind höchstens Indikator für nicht-marktkonforme Verwirrtaktiken. Wenn der aus Helsinki stammende Delay seinen Laptop aufklappt, finden sich auf seiner Festplatte Sound-Entwürfe, die zunächst diametral erscheinen. Einzig die Vorzeichen haben etwas gemeinsam: Reduktion, Abstraktion, Transcodierung. Die überzeugenden Ausdifferenzierungen der verschiedenen Sound-ästhetischen Ichs haben den Electronic-Autodidakten und Ex-Schlagzeuger Onnekas/Luoma/Delay zu einem fixen Bestandteil im vieldurchforsteten Niemandsland zwischen Electronica, Dub und House gemacht. Und das mit 24 Jahren und einer „Cuts+Clicks“-Programmiererfahrung (www.forcetracks. net/theory/theo.php4?theory=49), die bis vor rund zwei Jahren noch in Richtung eines wagemutigen On/Off-Switchings tendierte. Die erste 12”-Veröffentlichung kam auf dem finnischen Label Huume heraus. Releases auf Chain Reaction, sigma editions und Max Ernst folgten. Mit Mille Plateaux (www.mille-plateaux.net/mp/index.html)/Force Inc. (www. force-inc.net/fim/index.html) hat Delay sein Favourite Label und in Stefan Betke aka Pole (www.pole-music.com) seinen Bruder gefunden. (Besonders dafür geeignet: die Sampler-Serie „Städtizism“ auf dem ~scape-Label (www.scapemusic.de/flash/index.html)

Every-/No-Where
Finnland, jene mythenhafte Seenlandschaft, ist für den platzbeengten Mitteleuropäer nicht erst seit Säkhö- und PanSonic-Tagen ein gefrorener Projektionsort von Sound-Experimenten. Unabhängig von dieser Crowd und jazzsozialisiert ging Delay daran, seine Beatkomplexe mit Dub-geerdeten Space- und Echokammern kurzzuschließen. Die gegenseitige Katharsis siedelte er in molekularen „Glitch“-Sphären, in meta-musikalischen Bereichen an, die „Möglichkeiten einer epidemischen Verschaltung von Soundfiles” (Achim Szepanski; Mille Plateaux) zulassen. Diese operieren in einem geografisch nicht verortbaren organisch-abstrakten Raum mit verdichteter Zeit.
Auf der Suche nach welchem Beat
Wie macht man Beat-Abwesenheit und Beat-Orientiertheit miteinander kompatibel? Der einzige gemeinsame Nenner zwischen Vladislav Delay; Loumo und Uusitalo ist der Musiker selbst, der für jedes seiner Alter-Egos Klang-Universen schafft, die bisher nicht oder nur wenig transgressiv durchlässig waren. Zu homogen und ideomatisch schienen die jeweiligen Referenzsysteme. Luomos minimalistische, soulful Housetracks gehen ebenso wenig mit dem Ballast aus historisch Gewachsenen hausieren wie die Delay’schen mikroskopisch fraktalisierten Dubbeats. Als Luomos Erstling „Vocalcity“ erschien, hieß der Produzent Luukas Onnekas. Das Album wurde mit seiner Kombination aus „Micro-House“ und Vocals ein Renner, als Delay schiebt er dann 2001 das 60-minütige Epos „Anima“ nach, das seine in Musik abgebildeten „split-personalities“ wohl am griffigsten definiert.


Einige Releases – als Vladislav Delay: Anima (Mille Plateaux), Entain (Mille Plateaux), Multila (Chain Reaction) – als Luomo: Vocalcity (Force Tracks) – als Uusitalo: Vaapa Muurari (FIM)