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Ars Electronica 2001
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Festival 1979-2007
 

 

Container Park
featuring: Thilges 3 (Vienna), XDV.ORG (Vienna), Senor Cocont (Chile)

'Wolfgang Fadi Dorninger Wolfgang Fadi Dorninger

5.9.2001, 21:00 – 24:00, Containerhafen der Linz AG, Hafen Linz

Zum erstenmal Mal „reitet“ die Veranstaltungsserie „Ridin' A Train“ nicht auf Schienen durch das Werksgelände der VA-Stahl, sondern zieht ans Wasser in den Containerhafen Linz, wo Klangskulpturisten, „expanded“ Artists und Musikmorphologen Extrempositionen von Electronic Music und Pop präsentieren. Der Containerhafen ist ein Ort kontinuierlicher IN/OUT-Abläufe, immer im Wandel, ein architektonisches Fragment, ein gebautes Abbild eines Netzwerkes – genau der richtige Ort für Gruppen wie „XDV“, „Thilges 3“ und „Señor Coconut y su conjunto“. XDV operieren als Netzwerk bereits seit Jahren parallel zu Kunst-, Wirtschaft- und Wissensstrukturen. Thilges 3 verweigern sich herkömmlicher Musik- Präsentationsformen und versuchen mit ihren eigenen Interfaces an den öffentlichen Raum anzudocken, während Uwe Schmidt aka Señor Coconut aka Atom Heart aka Lassique Bendthaus aka ... als eine Art Formwandler, als Spieler mit multiplen Identitäten zwischen unterschiedlichen musikalische Welten pendelt.
Programm: Wolfgang Dorninger / Fotos: by the artists

Ton-Installation Hafen

Thilges 3 (Wien, www.thilges.at ) verstehen sich als akustische
Bildhauer, die temporäre einmalige, mit analogen Soundmodulen
generierte Klangskulpturenausstellen.
Thilges 3 tritt ganz selten wie eine elektronische Band auf, bei ihren Aktionen funktionieren die Arbeitsschritte wie „bei der Inszenierung eines Theaterstückes“. „Viele unserer Werke sind Spezialanfertigungen für Räume oder Situationen. Das heißt, dass sich unsere Ideen mit uns entwickeln. Manchmal ist der Ausgangspunkt ein rein musikalischer, sehr oft aber haben wir das sinnliche Gesamtbild der Aktion als Vorstellung im Kopf“.

Armin Steiner, Gammon und Nik Hummer bezeichnen sich als Klangbildhauer, die schon immer raumakustische Überlegungen (wie Quadrofonie) in ihre Ideen einbezogen haben. „Mit der Zeit haben wir uns auch auf die visuelle Umsetzung unserer Gedanken konzentriert und dabei neue Methoden entwickelt, Musik zu interpretieren. Mittlerweile haben fast alle unsere Aktionen performativ-bildhauerische Züge“. Die Gruppe verwendet für Klangerzeugung und Klangverarbeitung ausschließlich modulare analoge Synthesizer, die nicht mit MIDI-Daten angesteuert werden. „Obwohl wir elektronische Musik machen, haben wir noch keine Möglichkeit gefunden, unsere Patches zu speichern, vielleicht auch deshalb, weil wir uns noch nicht wirklich bemüht haben – wir arbeiten an unplugged Versionen!“ Das einmalige Ereignis, das Werk ist wichtig, und da Wiederaufführungen unmöglich sind, werden wesentliche Aktionen auf MiniCD dokumentiert und via Abonnement vertrieben. Thilges 3 lassen sich glücklicherweise nicht auf „Electronica“ beschränken, geistern doch Wünsche wie „Ein Pop-Projekt mit so großartigen Künstlern wie Jaliba Kuyateh, Youssu N`Dour, Mandolin und Shankar an 30 Tagen an 30 verschiedenen Schauplätzen in einer europäischen Kleinstadt" durch ihre Köpfe.

Diskografie: „polka“ (staalplaat), „johanna zyklus" (thilges) 10 piece miniCD serie (subscription): cd1 10.12.1999 hackerbrücke / cd2 18.02.2000 dr. kern / cd3 26.05.2000 saumarkt / cd4 19.08.2000 vekks / cd5 30.1. 2001 rosner / cd6 aug. 2001 / cd7 dez. 2001 / cd8 march 2002 / cd9 june 2002 / cd10 oct. 2002

Programm-Zelt

XDV.ORG (Vienna, http://xdv.org)
X V · O r G
[±®µ5±·å ±||5µ3®µ53®·±35±·å±]
XDV ist eine Plattform zur Schaffung und Erhaltung von technischer Infrastruktur, welche einer Gemeinschaft für klassische Kommunikation sowie mediale, kommunikative und technische Experimente und Produktionen zur Verfügung steht. Die Funktions- und Arbeitsweise von XDV entspricht einem vernetzten Zentrale/Satelliten-Modell. Die Basis befindet sich in Wien V, fg6.

Die Experimente und Produkte bestehen meist aus der Verknüpfung selbst- und fremderstellter Programmteile nach dem Open-Source-Prinzip. Diese Produkte bieten die Grundlage für weitergehende Produktionen wie Performances oder Installationen.´

XDV existiert als eigenes Netzwerk parallel zu den Strukturen der Kunst-, Kultur- oder Wissensindustrie. Projekte werden in flexiblen Besetzungen erarbeitet und in unterschiedlichen kulturellen Kontexten präsentiert.

Projects/ Participants u. a.: farmers manual, epy, pure, fuckhead, dr. echtzeit, dj glow ... Präsentationen: -biennale 2001, venedig, -whatismusic 2001, sydney/melbourne, -diagonale 2000 + 2001, graz, -international computer music conference 2000, berlin, -opening sounds+files 2000, vienna, -demudi.org q: Wo geht's hin mit XDV, Wünsche, Visionen??? xdv: „World domination.“

Señor Coconut y su conjunto (Chile/D/DK)
www.multicolor-recordings.de/senorcoconut
ist eine exzentrische Verschmelzung von Kraftwerk mit lateinamerikanischer Musik, ein Tanzkurs frei nach dem Motto:
„El Baile Alemán“
Von Frankfurt nach Chile ist es zwar ein langer Weg. Von Uwe Schmidt zu Señor Coconut genügt hingegen ein Knopfdruck. Auch wenn falsche Bärtchen etwas anderes nahe legen – dieser Señor Coconut, der auf der genialen Tanzplatte „El Baile Alemán“ Kraftwerk- Klassikaner so klingen lässt, als gehörten sie schon immer zur Hollywood-Wunderwelt gefaketer südamerikanische Carmen-Miranda-Exotica, existiert eigentlich nur in den Musikmaschinen von Uwe Schmidt. Dass in diesem Maschinenpark dafür überhaupt noch Platz ist, grenzt an ein Wunder. Wurden damit doch seit 1996 fast hundert Alben mit elektronischer Musik produziert. Wobei sich hier Kontextverschiebungen, Ent- und Neukontextualisierungen (also die ganze Cut'n'Paste-Palette) nicht nur in „elektronischen“ Bearbeitungen popmusikalischer Klassikaner (auch die Rolling Stones und John Lennon finden sich Schmidts Musikmaschinen wieder) festmachen lassen. Denn Uwe Schmidt ist auch eine Art Fantomas, der unter zig Pseudonymen agiert und dessen Ausweisfälschungen selbst von geschulten Organen nicht als solche erkannt werden können. Zur Auswahl stehen dabei u. a. Atom Heart (wohl das bekannteste Projekt), Lisa Carbon Trio, Geez'n'- Gosh, LB, Flanger (zusammen mit Burnt Friedman, dessen „Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich auch Dromed, Nonplace Urban Field, Some More Crime heiß“-Arbeitsweise zwangsläufig zu einem gemeinsamen Projekt führen musste) und eben Señor Coconut. Diese Spiel mit Pseudonymen und wechselnden Identitäten gehört in der Popmusik spätestens seit David Bowie zum fixen Inventarium zur Untergrabung eindeutiger Identitätszuschreibungen. Nur blieb das „Pop-Chamäleon“ Bowie als „Major Tom“, „Ziggy Stardust“, „Alladin Sane“, „Young American“ oder „Tin White Duke“ immer noch als David Bowie identifizierbar. Diese „Vielheiten“ der Erscheinungsformen waren keine rhizomatischen im Sinne von Deleuze/Guattari (offenes, heterogenes System ohne Zentrum mit möglichst vielen Ein- und Ausgängen), sondern funktionierten immer noch auf der Ebene einer „Rollenvielfalt“, die dem klassischen Theater/ Kino näher war als dem Bowie im postmodernen Popdiskurs dann später oft und gerne in die Plateau-Schuhe geschobenen „Tod des Autors/ Künstlers“.

Auch wenn die permanenten SelbsterfinderInnen der Achtziger – Madonna und Prince – ein Konzept wie „Identität“ nur noch als stets wechselndes, fragmentiertes und widersprüchliches definierten, blieben beide immer noch als „Madonna“ bzw. „Prince“ identifizierbar. Was einmal etabliert ist, verschwindet halt nicht so leicht. Da konnte sich Prince als „The Sign“ bzw. „TAFNAP“ („The Artist Formerly Known As Prince“) noch so anstrengen – seine gefälschten Ausweise wurden überall als solche erkannt.

Womit im Grunde auch schon klar sein dürfte, warum es sich gerade bei Techno (vor allem wie er Ende der Achtziger/Anfang der Neunziger in Detroit und Chicago definiert und produziert wurde) und seinen Folgen (so wie elektronische Heimfrickel-Musik im Allgemeinen) um genau jene Future-Zonen handelt, von denen Michel Foucault sprach, als er eine Diskursivität „ohne dass die Funktion Autor jemals erscheine" (Michel Foucault) forderte. Wenn sich etwa Breakbeat-Wissenschaftler wie Dego und Marc Mac (Reinforced Records) abwechselnd „4 Hero“, „Jacob's Optical Stairway“, „Tek 9“ nennen, dann geht es hier vor allem um mannigfaltigste und differenteste Intensitäten und Aggregats/ Bewusstseinszustände. Also genau um jene Qualitäten, durch die und mit denen Señor Coconut locker mehr als Tausend-Plateaus-Schuhe zum Glühen bringt und Robotern, falls nicht gerade von elektronischen Schafen träumen, elegante Cha-Cha-Cha-Bewegungen beibringt.
Text Señor Coconut: Didi Neidhart

Señor Coconut: „El Gran Baile“ (Multicolor Recordings/ Ixthuluh, 2000) „El Baile Alemán“ (Multicolor Recordings/ Ixthuluh, 2000) Señor Coconut y su conjunto: Singer: Agenis Brito, Keyboard: Uwe Schmidt, Saxofone: Thomas Hass, Trumpet: Lars Vissing Pedersen, Percussion: Peter Kibsgaard, Vibrafone: Morten Groenvad, Marimba: Carsten Skov, Bass & Bandleader: August Engkilde Supported by MC-Marketing GmbH and Linz AG, Container Terminal



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