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Ars Electronica 2001
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Festival 1979-2007
 

 

Superstrings


'Marina Koraiman Marina Koraiman

Superstrings ist ein Tanzstück für zwei Tänzerinnen, Ton und computergenerierte Bilder. Es handelt vom Unsichtbaren. Tanz bzw. Bewegung sind nur durch den in seinen Bewegungsmöglichkeiten limitierten Körper und seine Positionen im Raum sichtbar.

Dieser Raum verändert sich, zudem ist er nicht leer, sondern ein Meer voll Luft, sinnlich wahrnehmbare und gestaltbare Materie. Man kann einen Punkt im Raum nicht sehen, aber man kann ihn fühlen. Punkte im Raum sind nicht alle gleich. Sie vermitteln verschiedene Eigenschaften, je nach unseren Gefühlen: Wärme, Farbe, Größe, Gewicht, Konsistenz. Natürlich ist kein Punkt als solcher wirklich existent. Die physische Existenz äußert sich in der Materie, in Dingen und nicht in Punkten. Wenn überhaupt irgendwo, sind diese Punkte im Geiste weit vom Raum entfernt oder in der vergleichbaren Nähe unserer Gefühle.

Superstrings handelt von der Fähigkeit und dem Streben des menschlichen Geistes, sich seine Existenz und seine Welt mit Hilfe logischer Instrumente beschreibbar bzw. erklärbar zu machen. Das Stück versucht das Unsichtbare mathematisch zu beweisen und durch komplizierte Maschinen in die sichtbare Welt hinauszulocken, indem es nach immer kleineren Bausteinen der Materie sucht. Superstrings handelt auch vom Versuch, durch die logische Erklärung des Nichtsichtbaren, das allgegenwärtige Unbewusste, das schon jenseits der so genannten Irrationalität Liegende zu erfassen. Die Ergebnisse der Versuchsanordnungen sind geeignet, als Täuschungen der sehr leicht täuschbaren menschlichen Sinne, als Wunschdenken des menschlichen Geistes erachtet zu werden. Denn der Geist ist darüber hinaus in der Lage, über jene Grenzen hinauszudenken, die er sich durch Rationalität, Logik bzw. letztlich die Irrationalität gezogen hat.

Die Superstringtheorie ist der brillante Versuch einer Verbindung der zwei großen Gedankenexperimente Quantenmechanik und Relativitätstheorie: Winzige vibrierender Fäden, die zwischen verschiedenen Raumtopologien zittern, verbinden gleichsam mit einem Trick Quanten- und Relativitätstheorie. Diese Gedankenexperimente sind die Gedankenmaschinen, um das Unsichtbare, besser das Undenkbare, aufzurufen. Rituale zur Erreichung neuer Bewusstseins- oder Wissenszustände. Letztlich ist die Kunst in ihrem ursprünglichen Sinn genau dieses Ritual. Klänge, Bewegung, Licht, Bilder etc. sind Komponenten dieses Rituals.

Tanzstück Superstrings ist für das Festivalmotto symptomatisch. Es musste im Frühjahr 2001 als Low-Budget-Produktion schnell erarbeitet werden, da nur zu einem bestimmten Zeitpunkt die räumlichen, technologischen und zeitlichen Kapazitäten für eine Produktion verfügbar waren. Die Mitglieder des Teams stehen in ihrer künstlerischen und beruflichen Arbeit in einem permanenten kreativen Produktionsprozess. Sie arbeiten dezentral. Video und Ton werden mit eigenem Equipment lediglich in Skizzen vorproduziert, um sie ständig flexibel, schnell veränderbar und austauschbar zu halten. Schnelle Reaktionen auf neue Anforderungen seitens der Tänzer und auf die sich wiederkehrend verändernden Anforderungen des Aufführungsortes sind das Grundgebot.

Ziel kann niemals die Schaffung eines dauerhaften Gesamtkunstwerkes sein, sondern die Erreichung neuer Fertigkeiten und Kenntnisse für die weitere eigenständige Auseinandersetzung als Tänzer, Performancekünstler, Ton- und Videotechniker mit Körperlichkeit, Wahrnehmung und Technik. Weder die Technik noch die Räumlichkeiten für eine Präsentation von Zwischenergebnissen etc. sind finanzierbar. Daher prallen die erarbeiteten Elemente in der Generalprobe und der gleich anschließenden Aufführung im jeweiligen Veranstaltungsort aufeinander. Die erzielten Ergebnisse sind nur bedingt wiederholbar, sie sind Produkt spezifischer Befindlichkeiten und Konstellationen der vorgefertigten Komponenten. Letztere werden je nach Tauglichkeit weiterverwendet, modifiziert oder eliminiert. Im Rahmen der Ars Electronica wird eine weitere, neue Variante des Tanzstücks Superstrings präsentiert. Ein neuer Raum, neue technische Möglichkeiten, neue Einschränkungen, die üblichen kurzen Aufbauzeiten, neue Abenteuer für Akteure und Publikum.

Team
Künstlerische Leitung: Marina Koraiman
Choreographie und Tanz: Monika Huemer, Marina Koraiman
Bilder-Animationen und Projektionen: Dietmar Bruckmayr
Musik: Alex Jöchtl
Lichtdesign: Rainer Kocher