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Hey Mickey, "just do it" in the Museum Mall


'Peter Higgins Peter Higgins

Virgin-Boss Richard Branson erzählt uns, er sei 20.000 Fuß über dem Erdboden im Unterhaltungsgeschäft tätig. Während wir die Beine ausstrecken, um eine Venenthrombose zu vermeiden, läuft er in der Kabine auf und ab, plaudert, serviert uns zum indiskutablen Film Eis oder verabreicht erschöpften Oberschicht-Executives Massagen. Wieder zurück auf der Erde, liefern uns die praktischen, aber irritierenden Beschreibungen einen provokanten Ausgangspunkt, der uns hilft zu erkunden, welches Bewusstsein und welche Einstellung die KonsumentInnen zu dem entwickelt haben, was die umtriebige Kulturindustrie zu ihrer kollektiven Ergötzung vorbereitet. Stephen Bayley, bekannt vor allem dafür, dass er sich noch vor der Bauphase als Kreativdirektor des Millenium Dome abschaffte, meint, dass wir an der Komplexität zugrunde gehen werden: „Der Überfluss ist überwältigend, nie zuvor hat es soviel Auswahl, Verwirrung, Segmentierung, Medienfragmentierung, Datensmog und öffentliche Verunsicherung gegeben.“ Mit dem zunehmenden Konkurrenzkampf um die Freizeitausgaben wird es schwierig, die Angebote auseinanderzuhalten.

Man denke nur an das Citadel-Shoppingerlebnis, wo sich hinter aufragenden fensterlosen Fassaden eine synthetische Szenografie verbirgt, die ihre Schöpfer allen Ernstes als filmischen Storyboard-Event beschreiben, in dem der Besucher die Hauptrolle spielt und Fantasie, Kommerz und Entertainment eine Fusion eingehen. Diese verführerische Metapher mag zwar geeignet sein, Bauherren zu ködern, ist aber ganz und gar unangemessen. Ein Storyboard ist ein Werkzeug, das die Struktur einer Erzählung komplett vorherbestimmt und in keiner Weise mit der wuchernden Assemblage aus rekonstruierten pittoresken, dislozierten urbanen Versatzstücken vergleichbar ist, die den Hintergrund für farbenfrohe Banner, Straßenverkäufer, Musiker, Jongleure und andere Straßenkünstler bildet. Commedia dell'arte meets Federico Fellini (nur nicht auf der Multiplex-Grossbildleinwand). Es wird argumentiert, dass die Fähigkeit des „Placemaking“ – ein vom Architekten John Jerde geprägter Ausdruck – tatsächlich dem Massengeschmack und den menschlichen Bedürfnissen entgegenkommt. Zwar pilgern die Menschen wirklich herdenweise zu seinen Supermalls, aber ihre einzige echte Berührung mit Urbanität ist der Weg vom vollklimatisierten Auto am Parkplatz zum Eingang der bewusstseinskonditionierenden Mall. Nie käme man auch nur auf die Idee, dass die hier aufeinandertreffenden Menschen jemals in Beziehung zueinander treten könnten oder dass die Symbolik der Piazza, Agora oder des Bürgerforums tatsächlich ein Gespräch oder einen Ideenaustausch anregen würde. Der einzige wirkliche Gemeinschaftssinn ist der für die Gemeinschaft der Konsumenten, die dazu ermutigt werden, sich auf die Weise frei auszudrücken, die sie am besten kennen und zu der sie sich am ehesten ermächtigt fühlen: in ihrer Freiheit zu konsumieren.

Für die Architekten dieses Ersatz-Filmsettings ist es vielleicht sogar irritierend, wenn hinter den Sekundärfassaden der Läden schließlich doch die wahre Persönlichkeit und der eigene Ausdruck der Statisten zur Entfaltung kommt. Denn tatsächlich ist das Einkaufen im Grunde etwas vollkommen Aktives, ja sogar Interaktives. Bei der Entscheidungsfindung kommunizieren Individuen, Partner und Familien miteinander und mit dem Verkaufspersonal; sie verwickelt die TeilnehmerInnen in komplexe Samplingprozesse, die mit verschlungenen kognitiven Verarbeitungsvorgängen, der Bewertung von Alternativen, Datenanalysen und persönlichem ästhetischen Ausdruck verbunden sind, selbst wenn es nur um den Kauf von Haarspray geht. Ladendesigner werden heute von Web-Designern und Designern interpretativ-interaktiver Museen zu einer Neubetrachtung des Konsumenteninterface herausgefordert, wo ich die Farbe des Sofas, auf dem ich sitze, dadurch verändern kann, dass ich smarte Farbmuster in eine reagierende Holzschale werfe. Eine kommerzielle Verkaufsumgebung für Mobiltelefone kann durch Rekonfigurierung der Tagesprojektions- Hardware in eine Nachtbar verwandelt werden; sie erzeugt dann eine großformatiges Webcam- Stadtambiente in Echtzeit – die Wahl der Stadt bleibt Ihnen überlassen.

Markenerlebnisse sind in Wahrheit bessere Verkaufsgelegenheiten. Es handelt sich um eine Form immersiver Konditionierung, die vorgibt, mit glatten audiovisuellen Präsentationen seriöse Information zu vermitteln. Das Dilemma bei der Vermittlung solcher Informationen ist der unweigerliche Mangel an Objektivität, der durch die Promotion einer einzigen Marke entsteht. Niketown New York bietet in sporadischen museumsartigen Schaukästen leichte, entbehrliche Geschichten und Sachinformationen an und zwingt dem Besucher hin und wieder eine groß aufgemachte audiovisuelle Show auf, die ihm das Gefühl gibt, während einer Werbepause im Kino bei vollem Saallicht in der ersten Reihe zu sitzen.

Das Markenerlebnis ist heute allgegenwärtig. Mit ihm werden Wesen und Philosophie von Autos, Malz-Whisky, Schokolade und sogar vom Leben eines Benediktinermönchs vermittelt. Außer bei Letzterem liegt der kreative Prozess dabei meist in den Händen von Marketingabteilungen, die entdeckt haben, dass sie bei der Entwicklung integrierter Präsentationsstrategien bei den Kreativen mitmischen können. Außerhalb ihres angestammten Bereichs agierend, muss die Werbeagentur beweisen, dass sie in der Lage ist, Below-the-Line-Ereignisse mit ungewöhnlichen Medien in Echtzeitumgebungen zu schaffen. Das Endergebnis ist dann meist eine aufgedonnerte Verkaufsshow, für die die Öffentlichkeit zahlen muss, um die Marke verkauft zu bekommen.

Die Mutter aller Markenerlebnisse ist natürlich Disney. Disneyland erblickte 1955 das Licht der Welt und ist mittlerweile zum ultimativen Standard für alle durchinszenierten, geschützten Environments geworden. Mit atemberaubendem Talent schafft, gestaltet und verbreitet ein Team milchgesichtiger „Imagineure“ perfekt szenografierte Umgebungen, die letztlich ihre eigenen Fantasien darstellen. Das Problem dabei ist, dass sich das Genre Film nicht so ohne weiteres in ein greifbares physisches Environment übertragen lässt. Maßstab, Beleuchtung, Zusammenstellung und selbst das surreale Aussehen schaumstoffgefüllter Charaktere entwerten diese Fantasiewelt, die sonst so vollständig durchgestaltet ist, dass sie keinerlei Vorstellungskraft oder intellektuelle Teilnahme durch den Besucher erfordert. Es besteht eine überwältigende passive Markenerwartung, die durchgehend auf sichere, verlässliche und homogene Weise erfüllt wird. Selbst in den gefährlichen Szenen bleiben die Knöchel schön rosa. Es ist alles so beruhigend wie der Hygienestreifen auf einer Hotelklobrille.

Die Entwicklung des Entertainments zu einem fundamentalen Bestandteil der kommerziellen Umwelt hatte enorme Auswirkungen auf die Welt der Museen, die heute nur noch einfacher Bestandteil des Freizeitangebots sind. Ihre Direktoren, jetzt CEOs genannt, bekommen es mit der Angst zu tun. Architekten werden damit beauftragt, „Markenzeichen"-Gebäude zu schaffen – schon die Nomenklatur des Gebäudes ist mit einer Marke versehen, wie das 350 Milliarden Dollar schwere Guggenheim belegt. Das Paradoxon wird deutlich, wenn Marketing- und Geschäftspläne die traditionelle Rolle des Museums als „Gefäß des Authentischen zur Anregung sinnlicher Wahrnehmung und kritischen Denkens“ unterlaufen und wir die räumliche Ausdehnung der unterirdischen Shoppingmall im Louvre realisieren. Oder darin, dass die Baseline einer landesweiten Werbekampagne das Londoner Victoria & Albert Museum zu „einem irren Café mit einem netten Museum nebenan“ erklärte, während das benachbarte Naturhistorische Museum zwar die Paläonthologen vor den Kopf stieß, dafür aber das Publikum in Schlangen um den Block stehen hatte, um den Geruch des neuesten animatronischen Dinosauriers einzuatmen. Da kann man sich leicht vorstellen, wie sich Architekt Richard Meier mehr als nur beiläufig den Soiree-Räumlichkeiten für die Großunternehmer widmete, die er in seinem spektakulären Masterplan für Herrn Getty in Los Angeles anbot. Tatsächlich stellt sich die Frage, wie sehr Architektur wirklich die Funktion und die emotionale Situation der Publikumserfahrung widerspiegeln und unterstützen soll. Ein Museumsbesucher könnte ja z. B. auf der Suche nach gut erhaltenen, sensibel und intelligent dargebotenen Objekten sein oder nach einer Sammlung, die das innerste Wesen eines künstlerischen Lebenswerks erfasst und zu sinnlicher Wahrnehmung und kritischem Denken anregt. Beides könnte durch das Gebäude, das das Gehäuse dafür bietet, unterlaufen werden, praktische Erfordernisse könnten unerbittlich untergeordnet werden. Von der Staatsgalerie Stuttgart meinte Architekt James Stirling, ohne Gemälde wäre sie besser. Es scheint oft, als seien die Kunstwerke nur Gäste des Architekten. Selbst beim Holocaust Museum in Washington, dessen Gebäude einer klaren erzählerischen Linie folgt, gestand Ausstellungsdesigner Ralph Appelbaum ein, das Gebäude und sein Innenleben entwickelten sich nicht im Einklang miteinander.

Im Hinblick auf die idiosynkratischen „interpretativen“ Gebäudetypen haben Architekt und Bauherr oft zu wenig Verständnis für die Notwendigkeiten der Raumfolgen, die Medien- und Kommunikationseinrichtungen, den Einsatz natürlichen und künstlichen Lichts und den Rhythmus des Erzählverlaufs oder auch nur die Existenz einer Erzählung. Als die vier rostfreien Steeldrums des National Centre of Popular Music in Sheffield aus den Boden gestampft wurden, erklärte der Bauherr, es sollten damit fünf Geschichten gleichzeitig erzählt werden. Wenig erstaunlich, dass dieses 15-Millionen-Pfund-Zentrum nach nur einem Jahr zusperrte, ein typischer Fall von form swallowing function.

Abseits des virtuosen „Placemaking", das die Patina von 500 Jahren italianesken Stadtlebens nach L.A. oder Japan zu verpflanzen verspricht, oder der kreativ-verblödenden Lehre von der Marke, unserem Gott, bietet der kritische Zeitgeist einer Museumserfahrung potenziell die Möglichkeit zur Zusammenarbeit innovativer Architekten, Szenografen, Kommunikations- und Medienberatern, Schriftstellern und Kuratoren, die uns dazu anregen könnten, die Vielfalt unserer Kultur durch einen aktiven Informationsaustausch zu ergründen, an dem sowohl der Verstand als auch die Sinne beteiligt sind. Der signifikante Wettbewerb um die Kaufkraft des Konsumenten muss das Museum dazu bringen, sein USP gegenüber dem traditionellen Besucherprofil zu bestimmen. Als Schlüsselkriterien können folgende Ziele genannt werden: Inspiration, Anregung und Information durch die „Macht des Realen“ (reale Menschen, realer Ort, reale Zeit, reale Objekte) und durch den Einsatz intuitiver und sinnlicher Medien- und Interpretationsinstrumente, Ermutigung zum Lernen durch physische/kognitive Teilnahme und Schaffung eines Zugangs zu hierarchisch gestaffelten Daten und Informationen.

Die Entwicklung des San Francisco Exploratorium setzte den Standard für partizipative und explorative Lerneinrichtungen. Wie es bei allen neu entstehenden Genres der Fall ist, wurde dieses Zentrum für „Hands-on"-Interaktivität auf der ganzen Welt zitiert und nachgebaut. Heute aber ist es an der Zeit, die Methoden, mit der wir Menschen zur Beschäftigung mit explorativem Lernen anregen, neu zu überdenken. Es ist heute nicht mehr angebracht, sich blind auf unzuverlässige, einfallslose elektromechanische Mechanismen zu stützen, langweilige, reizlose Touchscreen-Interfaces mit Schaltflächen für binäres Ja/ Nein-Lernen anzubieten oder den MuseumsbesucherInnen gar den Zugriff auf die hauseigene Website zu ermöglichen. Derartige allgegenwärtige Gerätschaften sind lediglich sekundär und sollten in manchen Fällen besser auf den Heimgebrauch beschränkt bleiben. Denn wenn sie nicht einer einfallsreichen Weiterentwicklung unterzogen werden, werden sie zu einem Bedeutungsverlust der Museen auf dem Kommerzmarkt führen und sogar ihre Existenz gefährden.

Frühe Recherchen haben bereits ergeben, dass gewisse Medienkünstler in ihren Arbeiten unwissentlich einige der heute auf das Museum anwendbaren Kriterien erforscht haben. Ein solches Beispiel ist die Informationsvermittlung an eine große Gruppe durch die Aktivierung eines Avatars/ Navigators. Dazu müssen sich Publikum und Avatar kollektiv des Kontexts und der intellektuellen Zielsetzung einer interpretativen Installation bewusst sein. Will man diese Erfahrung auf größere Gruppen ausdehnen, muss die letztendliche Vermittlung des Materials genügend Kohärenz aufweisen und in einem angemessenen Maßstab erfolgen. Diese Präsentationsmethode nutzt die Macht des Realraums und die menschliche Fähigkeit zur Wahrnehmung von Gruppendynamiken.

Für die mit der Avatar-Installation verbundenen Navigationstools lassen sich zahlreiche innovative Techniken heranziehen. Die interessanteste Applikation ist vermutlich die Idee der Datenvermittlung. Daten lassen sich in einer ganzen Fülle von Formaten – Ton, Bild, bewegte Bilder, Grafik – speichern. Normalerweise ist die Präsentation dieses Materials an den Bildschirm gebunden, in einem Maßstab, der im Heimformat bleibt. Bei diesem Vorschlag geht es darum, die TeilnehmerInnen durch ihre Präsenz in sinnlichen Umgebungen zur Informationsgewinnung zu bewegen. Wenn z. B. die „Mitspieler“ erkennen, dass ihre körperliche Präsenz und Bewegung von einer Kamera erfasst und, sagen wir einmal, als virtuelle lineare Zeitachse verarbeitet wird, so kann dadurch audiovisuelles Material abgerufen werden. Mit einem Schritt lassen sich die Zeit und die damit verknüpften Medien um zehnoder fünftausend Jahre ändern, alles zum Nutzen des umstehenden Publikums, das sich in „passiver Interaktivität“ ergeht. Außer Menschen Geschichten zu liefern, könnten solche Environments auch die Erkundung von Zeiten und Orten ermöglichen – eine bekannte Notwendigkeit interpretativer Prozesse. Großformatige Flächen mit Landkarten könnten physisch begangen und persönliche Interessenschwerpunkte ausgewählt werden, woraufhin mittels Ton und Bild bestimmte ortsgebundene Erzählungen geboten würden. Genau diese Verbindung durch persönliche körperliche Präsenz liefert auch die als Anreiz und Stütze für das Gedächtnislernen so überaus bedeutsame kognitive Verknüpfung.

Ein zentraler Bestandteil des Museums wird immer das authentische, gesicherte und konservierte Objekt sein. Dieses hoch geschätzte Objekt ist an sich etwas Heroisches, doch entscheidend ist, dass wir neue Möglichkeiten für einen direkteren psychologischen Zugang entdecken, ein metaphorisches Öffnen der Glasvitrine. Inspiriert durch einige Arbeiten Raffael Lozano-Hemmers erlaubt dieser Vorschlag dem Besucher, das Objekt mit einer digitalisierten Hand zu berühren, die die Position seiner wirklichen Hand im Verhältnis zum fernen, hinter Glas geschützten Objekt repliziert. Ist die virtuelle Hand einmal ins Spiel gebracht, könnten mit ihr faksimilierte Objekte wie z. B. Harzabgüsse von Maserungen und Gewebestrukturen berührt und so eine unheimliche kognitive Verbindung hergestellt werden. Außerdem ließe sich auf diese Weise das wirkliche Objekt, das vielleicht nur einer geringen Lichtstärke ausgesetzt werden darf oder verborgene Detailinformationen enthält, durch großflächige Bildschirmmanipulationen für ein erweitertes Publikum zugänglich machen und vergrößern. Für dieses Feature würde man allerdings den Zugang zu qualitativ hochwertigen digitalen Abbildungen der Sammlungsgegenstände benötigen, die durch ein digitales Archivierungsprogramm zur Verfügung gestellt werden könnten.

Die Museums-Website hat einen intrinsischen Wert, der von den BesucherInnen nicht immer entsprechend gewürdigt wird. Dieser besteht in ihrem Potenzial, Informationen in beträchtlicher Tiefe und hierarchischer Staffelung zur Verfügung zu stellen, die am sinnvollsten aus der Ferne – von außerhalb des Museums – abzurufen ist. Als Beleg für diese Hypothese hat „Land“ eine reagierende Website namens Walk in Web entwickelt, die tatsächlich das Ambiente der Futures Gallery beim Thinktank des im Bau befindlichen Millenium Point in Birmingham erzeugt und wo man mit der präsentierten Information interagieren und diese beeinflussen kann. Worum es hier geht, ist „On-Site“-Anregung und -Inspiration: Die BesucherInnen können auf ihrem eigenen Level und in ihrer eigenen Raum-Zeit wiederkehren. Dies ist eine Antwort auf die Website als reines Broschürenmaterial. Und auch hier gibt es, da der Präsentationsmaßstab außerordentlich groß ist, ein Gefühl kollektiver Aktivität. Das weitgehende konzeptuelle und finanzielle Scheitern des Millenium Dome in London und der Expo in Hannover sind gut dokumentiert. Die Kritik richtete sich hauptsächlich gegen die fehlgeleiteten Aspirationen der Verantwortlichen, die überoptimistische und unerfüllbare Geschäftspläne erstellten, sodass künftige Expounternehmungen nun durchaus gezwungen sein könnten, sich neue Gedanken über Maßstab, Inhalt, Nachhaltigkeit und Budget zu machen. Die Ironie dabei ist, dass die 150-jährige Expo-Tradition experimenteller Simulation und Stimulation ausgerechnet in diesem Zeitalter der „Erfahrung“, in dem Theming, Branding, Placemaking, Erlebniswelten und interpretative Zentren zu fixen Bestandteilen unserer Kultur werden, auf so spektakuläre Weise gescheitert ist.

In London war an diesem Scheitern sicherlich die arrogante und naive „Cool Britannica“- Einstellung schuld. Mit einem Budget von nahezu 1 Millarde Pfund und der Entscheidung für einen gänzlich inadäquaten Kuppelbau, der komprimierte Randzonen zur Errichtung von Pavillons bot, heuerte das Führungsteam rücksichtslos Architekten an, die ein Stilfestival aus High-Tech, Dekonstruktivismus und abstraktem Symbolismus anrichteten, das die Budgets durchwegs überzog und die narrativen Inhalte an den Rand drängte. Andere Pavillons wiederum wurden in die Hände von Produktionsfirmen gelegt, die aus dem engbandigen Face-to-Face-Geschäft mit Großkonzernen kommen. Man nehme dazu noch die fehlende Einsicht in die Notwendigkeit eines Kreativdirektors, die tödliche Skepsis der britischen Presse und die unrealistischen Prognosen von 12 Millionen BesucherInnen, und der Cartoon vom umgedrehten Dome als Titanic erscheint einem durchaus gerechtfertigt.

Gleichwohl griff das überlastete, unerfahrene Bauherrenteam nicht in die Aspirationen von „Land“ zur Realisierung der PlayZone ein. Die von uns festgelegten Kriterien – nämlich dass diese nicht-didaktisch, erlebnisorientiert, auf Anhieb interaktiv, robust und für ein breit gefächertes Publikum gemacht sein sollte –, erlaubte uns, eine Musterausstellung mit Projekten internationaler MedienkünstlerInnen zu entwerfen und zu bauen, die mit digitalen Spielkonzepten arbeiten. Dank der Unterstützung seitens des Ars Electronica Center wurde sie zu einem wichtigen Modell für die Idee einer responsiven Architektur mit äußerst effektiven Sequenzierungs- und Partizipationsmechanismen. Dadurch ergaben sich neue Möglichkeiten, den Besucher zur Auseinandersetzung mit faszinierenden, intuitiven digitalen Schnittstellen zu bewegen. Die PlayZone steht aber auch in der Tradition der Großausstellungen, und zwar insofern, als dass das bei diesem Experiment gewonnene Wissen und die Erfahrung die Entwicklung der vorhin beschriebenen Museumsprojekte beflügelt hat.

Zweifellos verteilt sich die Autorschaft des Erlebnis-Engineering auf eine heterogene Gruppe von Menschen, sowohl was die Auftraggeber als auch was die Kreativen betrifft. In Großbritannien hat das beispiellose Finanzierungsprogramm der nationalen Lottogesellschaft in den letzten fünf Jahren Besucherzentren und Museumsprojekte mit Mitteln in der Größenordnung von drei Milliarden Pfund unterstützt. Sämtliche Projekte müssen sich ohne weitere Zuschüsse auf dem Markt behaupten. Schon jetzt zeichnen sich neben Sheffield weitere Schiffbrüche, aber auch einige Erfolge ab. Es ist zu hoffen, dass wir in naher Zukunft ein klareres Bild gewinnen werden, das uns erlaubt, solche Ziele auf überlegte, wissenschaftliche Weise zu analysieren, und uns hilft, das gegenwärtige Gemisch aus Alchemie, schwarzer Kunst und kommerziellem Hokuspokus einzuschätzen, das Edu- und Infotainment einer Kultur ausliefert, die sich mit der Erfindung einer solch synthetischen Sprache wohl fühlt.