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Ars Electronica 2001
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Pixelspaces


'Horst Hörtner Horst Hörtner

Pixelspaces ist eine Veranstaltungsreihe, in der während des Festivals Ars Electronica durch Theorie und Arbeitsbeispiele verschiedener Proponenten der Virtual Reality (VR) neue Ansätze – sowohl in der Hardware- als auch der Applikationsentwicklung – präsentiert und diskutiert werden. Die Beiträge stammen von David Nahon, Dietmar Offenhuber, Dan Sandin, Maurice Benayoun und Michael Shamiyeh. Parallel dazu betreiben das Ars Electronica FutureLab und die Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung, Linz, das Projekt Pixel + Space (siehe Beitrag von Michael Shamiyeh in diesem Buch), in dessen Rahmen an Bedingungen geforscht wird, die für Architekten wie Bildingenieure bei der Inszenierung von Erlebnisräumen – realen wie virtuellen – relevant werden.

VR ist seit ihrem Entstehen in den frühen 60er-Jahren eng mit der Kunst- und Technologieentwicklung verbunden; sie hat in der Kunst – mit dem Erfinder des CAVE, Dan Sandin, oder Myron Krueger, der Systeme der Bilderkennung vorweggenommen hat – sowohl personelle als auch inhaltliche Wurzeln. Für Pixelspaces und teilweise auch für Pixel + Space gibt es – sowohl unter dem Gesichtspunkt der Verfügbarkeit als auch der Content-Entwicklung – zentrale Fragestellungen, deren Herleitung aus der Geschichte ebenso wie aus der gängigen Praxis der VR zumindest zwei Kernpunkte ausweist – Interaktion und „Intertainment“. Im Handlungsraum vereinen sich die Herausforderungen der interaktiven Kunst und der VR.

Die Artikulation und Gliederung des Handlungsraumes des Benutzers ist, nach Gui Bonsiepe, der zentrale Bereich des Interface-Designs. Interface meint also nicht das Werkzeug allein, sondern vielmehr die Dimension, in der die Interaktion zwischen dem Körper des Nutzers, dem Werkzeug und dem Handlungsziel gegliedert wird. Bonsiepe definiert das Interface als den Raum zwischen drei Elementen:

  1. dem Nutzer, der eine Handlung realisieren will;

  2. einer Aufgabe, die er bewältigen will;

  3. einem Werkzeug oder Artefakt, das der Handelnde zur Ausführung der Handlung benötigt.
Sind die Aufgabe und das Artefakt (oder das Werkzeug) gegeben, gilt es also von Interface- Design zu sprechen. Die kreative Auseinandersetzung, die diesem Prozess des Interface-Designs vorangeht, also die Entwicklung eines spezifischen Werkzeugs (eventuell für eine bestimmte Benutzergruppe), ist demzufolge „Interaktionsdesign“ und verschmilzt (zumindest in der Ausbildung) deutlich mit der Disziplin des „Interface-Design“.

Wie aber nennt sich die Disziplin, die nicht nur das Werkzeug entwickelt, sondern auch die Aufgabe für den Nutzer, mit dem Werkzeug in einem bestimmten Handlungskontext zu agieren, um auf eine spezielle Art und Weise der Interaktion einen Inhalt zu vermitteln? „Experience Design“ (siehe Nathan Shedroff: Experience Design. A manifesto for the creation of experiences, New Riders Publishing, April 2001) scheint nicht exakt genug. Vermutlich wäre die Art des kreativen Prozesses dieser Disziplin im Bereich zwischen „Interaktiver Kunst“ und – infolge des Umgangs mit einem vorgegebenen Inhalt – Theater- und Filmregie zu orten.
INTERTAINMENT
Künstlerisches Know-how, das in der (interaktiven) Kunst diszipliniert wurde, erobert ein neues Einsatzgebiet. Dabei ist es nicht von Belang, ob das Ergebnis heute als Kunst verstanden wird oder nicht; von Belang ist vielmehr das Entstehen eines neuen Tätigkeitsfeldes für die Träger dieses künstlerischen Know-hows (die „KünstlerInnen“). Ein Arbeitsgebiet also, in dem die Know-how-Träger exakt in ihrer ureigenen Domäne agieren und nicht etwa in Form eines Nebenjobs erlernte Fingerfertigkeiten einsetzen, um sich danach wieder der eigenen Domäne zuwenden zu können.

Intertainment bezeichnet dieses erweiterte Einsatzgebiet für künstlerisches Know-how zwischen etablierten Disziplinen.

Genau dieses künstlerische Know-how schafft den Schulterschluss zwischen Inhalt und Vermittlung. Hier ist nicht die Rede von Computerspielen, VideoOnDemand-Systemen oder Trainingssimulatoren, nicht von Entertainment, Infotainment oder Edutainment – es geht um Intertainment, dessen unmittelbare Nähe zur Interaktiven Kunst beispielsweise in der Play- Zone des MillenniumsDome (www.dome2000.co.uk/) ebenso belegbar wird wie in den Ausstellungen des Ars Electronica Center.

Ausstellungen, Museen oder „Experiences“ sind derzeit die primären Einsatzorte für die Methoden des Intertainment.
PIXELSPACES
Virtual Environments (VEs) sind eine Sonderform des Intertainments und ihre Erstellung, Entwicklung eine Sonderform des künstlerischen Know-hows. Die Erstellung eines Virtuellen Environments, etwa einer CAVE-Applikation, impliziert in besonderer Weise den Benutzer, respektive dessen Erfahrungshintergrund.

In einem (virtuellen) Raum, in dem es prinzipiell weder ein Oben und Unten noch ein Vorher und Nachher geben muss, ist Grundlegendes wie Orientierung und Navigation ein ganz und gar nicht triviales Problem. Das Anliegen der Nutzbarkeit und Verständlichkeit ist gleichermaßen Voraussetzung wie Hindernis.

Die meisten Applikationen der VE bedienen sich bislang herkömmlicher Formen und mehr oder weniger realistischer Nachbildungen der Realität. Dass sehr oft Architekturvisualisierungen – Räume, durch die navigiert wird – entstehen, hat seinen Grund in dem Anliegen, dem Besucher die Navigation und Orientierung durch Parameter wie Oben und Unten, Vorher und Nachher zu erleichtern.

Virtuelle Environments sind aber nicht a priori an unsere Vorstellungen von Raum gebunden. Wir sind es, die Benutzer und Entwickler, die an diesen Vorstellungen festhalten. Neue Ansätze, wie jene der „subjektiven Parameter des Raumes“ (vgl. Vortrag VE Beyond the Object, Dietmar Offenhuber ) zeigen aber Möglichkeiten auf, diese Vorstellungen von Raum zu überwinden.

Wenn auch die ersten Anzeichen für ein Ende von VR-Applikationen in der Art bloßer Nachbildungen der Realität bereits bemerkbar werden, so ist der Entwicklungsstand unserer VEs vergleichbar mit dem der ersten Prototypen von Automobilen.

In dem Maß, in dem die Methoden der Interaktion und der Formensprache der ersten Automobile noch deren Vorgängern, den Pferdekutschen, glichen, entsprechen die Methoden der Interaktion und Formensprache heutiger VEs denen des Realraumes. Sein formales Erbe legte das Automobil erst ab, als es enorme Verbreitung erfuhr.

Ein wichtiger Beitrag zur Entwicklung der VEs also ist die Verbreitung und Verfügbarmachung dieser Technologien. An eben dieser Schwelle zur Massentauglichkeit befinden wir uns. Die ersten PC-basierten CAVE-Systeme existieren bereits. Game-Consolen werden immer leistungsfähiger. Virtuelle Umgebungen – Auto-Navigationssysteme, vernetzte Computergames, digitale Fernsehmoderatoren usw. – durchdringen zusehends unseren Lebensraum.

Es ist zu erwarten, dass sich unsere Rezeptoren für die Möglichkeiten der VEs in dem Maße entwickeln – und sich die VEs an diese Entwicklungen anpassen werden –, wie sich auch ein Formenalphabet, etwa des Car-Designs, entwickelt und etabliert hat.