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Media-Spasm, sinnlose Zerstreuung und Absturz. Zukünftige Zustände der Medienausbildung


'Birgit Richard Birgit Richard

1. FLOGGING A DEAD HORSE? VERSUCH EINER SELBSTBESCHREIBUNG DER MEDIALEN PRÄSENZ IN DER KUNSTAUSBILDUNG
Dieser Beitrag unternimmt den Versuch, Konzepte der gegenwärtigen Medienausbildung in Frankfurt darzustellen, und kulminiert in einem Entwurf für die Zukunft der Medienausbildung in Frankfurt, einem Zentrum für Medien und Wissenskulturen, das auf seine Realisierung seitens der Universität wartet.

Zu beginnen wäre mit dem Ist-Zustand der Medienausbildung, die an der Johann Wolfgang Goethe Universität als „Neue Medien“ im Fach Kunstpädagogik (Magister und Lehramt) angeboten wird. Daneben gilt es, kurz einen Blick auf die benachbarte Kunstgeschichte zu werfen, aus deren Umklammerung eine Medienausbildung herausgelöst werden muss. Auf dem deutschen Kunsthistorikertag 2001 in Hamburg versuchte man angesichts der Omnipräsenz von Informations- und Biotechnologie für die Kunstgeschichte eine „ihrem geistigen Potenzial angemessene Position im Konzert der Wissenschaften zurückzugewinnen“. Ob das gelingt, darf bezweifelt werden, solange grundsätzlich Paradigmen wie Historizität, die z. B. von Horst Bredekamp (Bredekamp im Gespräch mit Kerscher 1998 )gefordert wird, bestehen bleiben. Wenn hier die Beschäftigung mit Medien stattfindet, dann in der Form wie Beltings großes Projekt einer „Mediengeschichte der Kunst“. Der XXV. Deutsche Kunsthistorikertag in Jena 1999 erwähnte die Medien im Programm an letzter Stelle – eingeleitet von dem bedeutungsvollen Wörtchen „schließlich". Eine eigenständige Beschäftigung mit den Bildern der technischen und apparativen Medien scheitert an der strukturellen Verschiedenheit der Bilder. Die immateriellen Medien mit ihren verschwindenden, prozessualen Bildwelten werden aus dem Diskurs herauskatapultiert. Diese klassische Beschränkung des Diskurses behindert auch die Medienausbildung, sodass die Kontexte und Referenzen für diese zwangsläufig in anderen Wissenschaften gesucht werden müssen. Die Rezipienten der medial fundierten Bilder werden immer jünger. Nach Auskunft von Peter Weibel sind 70 Prozent der Besucher des Z KM Jugendliche. Das Publikum für die analogen künstlerischen Bilder vergreist und stirbt langsam aus (Florian Rötzer, Telepolis, 02.02.2001, Studien im Auftrag der NEA National Endowment for the Arts, Soziologen der Vanderbilt University). Beim Kunstmuseum ging die Besucherzahl von 30 auf 19 Prozent zurück, die Zahl der über 60-Jährigen hat nicht zugenommen, weil laut Meinung der Soziologen (Leiter Richard Peterson) alte Menschen oft nicht mehr gut zu Fuß sind und nicht mehr lange stehen können. Der Forscher führt die Geringschätzung der traditionellen Kunstformen darauf zurück, dass die jüngere Generation nur noch spielen will und nur „Art Lite“ verdauen kann. Damit geht er von einer manipulierten Konsumentengeneration aus, die nicht mehr in der Lage sei, der großen ernsten Kunst das gewünschte kontemplative und gesittete Verhalten entgegenzubringen. Rötzer fordert statt Publikumsschelte die Einbeziehung der vom System Kunst ausgeschlossenen Formen: Film, Popmusik und die eigentlich neueste Kunstforum des digitalen Zeitalters, das Computerspiel. Er geht davon aus, dass nicht nur die Rezipienten der traditionellen Kunstformen veralten, sondern der traditionelle Sektor der Kunst insgesamt, da er von öffentlichen Geldern und Stiftungen abhängig bleibt, während die neuen „Kunstformen“ mit Unterhaltungsangeboten verschmelzen und daher auch anderen Rezeptions-, Distributions- und Vermarktungsstrukturen gehorchen. Auf diese neuartigen Strukturen bezieht sich die Medienausbildung als eine nicht ideologisch besetzte Fortsetzung der Visuellen Kommunikation. Bisher hat man auf die Existenz einer komplett neuen Medienwelt immer nur punktuell mit einer qualifizierten Medienausbildung reagiert. Im Theoriefeld der Kunstpädagogik herrscht leider immer noch die Bewahrpädagogik vor. Hier werden die Neuen Medien – insbesondere Erscheinungen wie Computerspiele – von einer großen Mehrheit als schädlich eingestuft, die die Kinder von ihrer „natürlichen“ Umgebung – was immer das sein mag, Natur als Konstrukt ist ein hier nicht bekannter Diskurs – fern halten.

Neue Medien sind kein (ästhetisches) Korrektiv jugendlicher Alltagswelten oder negativer sozialer Auswirkungen struktureller Gewalt oder medialer Bild- und Netzwelten. Jugendliche erzeugen sehr oft eine spezielle mediale Welt. Angebote in den Neue Medien übernehmen keine wie auch immer geartete Kompensationsfunktion, sondern erweitern die Alltags-Medienkompetenz von jungen Rezipienten. Zu diskutieren, ob man sich damit beschäftigt, geht an den Alltagswelten, die durch die Medien osmotisch durchgedrungen sind, vorbei; es geht darum, das Wie zu entwerfen. Die entscheidende Frage vor dem Einsatz eines neuen Mediums in Lehre und Vermittlung ist: Welche einzigartigen Möglichkeiten bieten die Medien- Strukturen?

Der Bereich der Medien erfordert neue Methoden der Selbstbeschreibung und neue Unterscheidungen. Die hierarchische Unterscheidung zwischen High und Low, zwischen bildender Kunst und Trivialem, die die Kunstpädagogik aus der Kunstgeschichte übernommen hat, macht nicht nur in den neuen Netzwelten wenig Sinn, sondern ist schlichtweg die falsche Fragestellung. Alltagskreativität, Pop und Cross-Cultures sind gleichwertige Systeme neben der Kunst, nicht modische Randgebiete. Diese Ränder sind nämlich von der Peripherie in das Zentrum gerückt: Seit Mitte des 20. Jahrhunderts üben Jugendkulturen oder triviale Bildsprachen einen nicht unbeträchtlichen Einfluss auf die bildende Kunst und Design aus, da es oft eine sehr enge Symbiose zwischen zeitgenössischen jungen Künstlern und Jugendkulturen und deren ästhetischer Praxis gibt.

Gegen eine Einschätzung der Medien als flackernde Verfallserscheinung des Bildes und Agenten der Zerstörung von Sinn, wie sie Bredekamp vertritt, muss eine sich trotzdem als Bildwissenschaft verstehende Medienausbildung durchsetzen. In Frankfurt wird eine sehr fundierte künstlerisch-gestalterische Praxis in verschiedenen analogen und digitalen Medien angeboten. Die Einführung der Ausbildung für Gymnasiallehrer steht mit dem in Deutschland einzigartigen Modell, eine separate, für alle zukünftigen LehrerInnen bindende praktische Ausbildung in digitalen Medien einzuführen, unmittelbar bevor. Ein Medienlabor bietet Freiraum für ästhetisch-gestalterische Experimente, die zunächst keinen Verwertungsanspruch bedienen. Die wissenschaftlich-theoretische Ausbildung findet auf der Basis der Medienpraxis statt und konzentriert sich auf Theorien zur Medienästhetik, zur sozialen und politischen Bedeutung der Medien, Strukturanalyse der Medien, Interdependenzen von alten und Neuen Medien. Durch projektorientiertes, forschendes Lernen wird eine hohe Basisqualifikation in der digitalen Kommunikation vermittelt. Das Lehrangebot beinhaltet die einführende und vertiefende Praxis der unterschiedlichen Medien (Fotografie, Video, Computergrafik, Multimedia-Applikationen, Web-Design), in Kombination mit traditionellen Medien (analoges Video, Fotografie durch die Möglichkeit der Transformation in eine digitale Form).

Für die Forschung an Objekten steht ein materielles und virtuelles Jugendkulturarchiv mit Informationen und Tutorials zur Ästhetik von Jugendkulturen zur Verfügung (www.uni-frankfurt.de/fb09/kunstpaed/indexweb/jkastart.html). Die Hypertextstruktur der Neuen Medien erzeugt eine Art Labyrinth, die zunächst einen Trailblazer (Bush), den Pfadfinder in Form eines Moderators, benötigt, der einen sicheren begründeten Pfad vorzeichnet. Der Trailblazer erarbeitet Filter, die die Qualität der angebotenen Information überprüfen, sowie „Information Retrieval“-Systeme, die bei der Selektion von Informationen helfen. Die ergänzenden Fähigkeiten der Trailblazer, die nicht notwendigweiser auch programmieren und motorisch geschickt spielen können müssen, stehen hilfreich im Hintergrund. Sie vermitteln Analyse- und Rezeptionskompetenz und Fertigkeiten wie Sammeln, Speichern, Ordnen, Bewerten, Weiterverarbeiten, Konvertieren, Aneignen (Downloaden), Transformieren von Informationen. Eine „Technological and Computer Fluency“ stellt nicht die Programme, sondern Prinzipien und Strukturen der Medien in den Mittelpunkt. Hinzu treten erprobte Lernformen wie interdisziplinärer Projektarbeit und Lernen in Gruppen und Teams. Qualitätskriterium für die Gestaltung ist Medienadäquanz, die die Zweckentfremdung mit einschließt. Von entscheidender Bedeutung ist es, sich die Grundstrukturen des Mediums und den Zusammenhang zu anderen Medien zu vergegenwärtigen, weil diese a priori den Inhalt beeinflussen. Digitale Medien sind keine neutralen Werkzeuge, sondern grundlegende Strukturen, die soziales Handeln und den Umgang mit Informationen prägen. Im Zentrum sollte neben einer Thematisierung der ambivalenten ökonomischen, gesellschaftspolitischen Bedingungen und den Auswirkungen der digitalen Medien vor allem eine Vermittlung grundsätzlicher Techniken und Kompetenzen stehen.

Ein hoher Grad an wissenschaftlicher Reflexion zeigt, dass es nicht primär um die Hervorbringung von exzellenten Künstlern geht. Bis jetzt ist der Praxisstandard jedoch bedeutend niedriger als an Fachhochschulen und in den seltensten Fällen berufsqualifizierend, es fehlt oft jeglicher Anwendungsbezug außerhalb der Kunst. Die breit angelegte und gleichzeitig spezialisierende Ausbildung ist aber nicht an engen Berufsfeldern orientiert und soll vor allem ein Forum und Labor für Experimente vorstellen, das die spezifischen Voraussetzungen jugendlicher Medienkompetenz nutzt.
2. JUGENDLICHE ALS USERS OF EXCELLENCE
Die immer stärkere mediale Durchdringung des Alltagslebens von Kindern und Jugendlichen sowie die immer frühere Nutzung auch der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien durch die Heranwachsenden hat im medientheoretischen Diskurs zu der Diagnose geführt, dass sich das pädagogische Generationenverhältnis in Familie, Schule und anderen Institutionen auflöst bzw. umkehrt. Die jüngere Generation habe gegenüber der älteren Generation beim Umgang und bei der Nutzung der neuen interaktiven Medien einen Informations- und Kompetenzvorsprung (vgl. Lenzen 1996, 8). Bolz (1997, 60). Die Definition von Mediengeneration gilt es für die universitäre und schulische Lehre mitzubedenken: Im Zeitalter von Multimedia hätten die verschiedenen Generationen, die in unterschiedlichen Medienwelten leben, kaum noch gemeinsame Bezugspunkte. Die ältere ausbildende Generation ist mit eindimensionalen (Flusser), undialogischen, analogen Medien (z. B. TV) aufgewachsen, sodass sie Medien generell sehr kritisch gegenüberstehen.

Einleitend lassen sich drei Formen des Mediengebrauchs unterscheiden:
  1. Der affirmative (passive) Gebrauch setzt Anwendungen zweckrational ein zur Lösung formaler Probleme in Beruf und Alltag.

  2. Der subversive (aktive) Gebrauch impliziert den Einsatz eines Mediums gegen seine eigentliche Bestimmung. Von Kittler wurde dies mit „Missbrauch von Heeresgerät“ bezeichnet. Das für die Computer- und Musikkulturen typische Hacken, Zappen oder Scratchen sind jugendspezifische Nischen der Mediennutzung, die nicht primär zweckgerichtet sind.

  3. Der bildende und aktive Gebrauch der Medien zur eigenen Weiterentwicklung oder zur Unterstützung von Bildungsprozessen soll im Idealfall a. und b. zusammenführen.
Vor allem die zweite Gebrauchsform ist eine speziell jugendliche Art des Umgangs mit einem Medium, die eine besondere Funktion in der Medienausbildung innehat. Das Nutzbarmachen einer innovativen Schlüsseltechnologie ist ein zentrales Charakteristikum der jungen Mediengeneration. Der von Jugendlichen praktizierte Umgang mit Medien wird oft als Zeitverschwendung disqualifiziert, da er nicht der Bewältigung einer speziellen Aufgabe dient. Diese experimentelle Haltung ist auch ein wesentliches Merkmal der Ausbildung: Künstlich soll ein Klima, das zum Experimentieren anregt, erzeugt werden, das nicht durch Zweck oder Zielrichtung definiert ist.

Des Weiteren ist die kollektive spielerische Einübung des Mediengebrauchs eine wesentliche Richtschnur für neue wissenskulturelle Bereiche wie z. B. das Gaming. Das Alter regelt die Modi im Umgang mit den Medien: Geschwindigkeit, Zeitinvestition, Art der Beschäftigung bzw. die Inhalte. Der „Generation Gap“ zeigt sich also heute vor allem in einer Kluft zwischen den verschiedenen Wahrnehmungswelten und -geschwindigkeiten der Generationen (vgl. Richard/ Krüger 1997). Kinder und Jugendliche leben in anderen Wahrnehmungsgeschwindigkeiten, ihre Sinne sind jedoch eher als weitergebildete denn als fehlgebildete zu verstehen. Sie testen die Medien unbewusst im Sinne von Benjamins positivem Zerstreuungsbegriff, der nach wie vor den Umgang mit den technischen Medien treffend fasst
„Die Rezeption in der Zerstreuung, die sich mit wachsendem Nachdruck auf allen Gebieten der Kunst bemerkbar macht und das Symptom von tief greifenden Veränderungen der Apperzeption ist, hat im Film ihr eigentliches Übungsinstrument. (...) Das Publikum ist ein Examinator, doch ein zerstreuter.“

(Benjamin 1977, 41)
Die jungen Rezipienten sind geübt im Umgang mit schnell wechselnden Bildern und auf Neue Medien bezogenen Interaktionsstrukturen und suchen in der spielerischen Auseinandersetzung mit den Neuen Medien die Grenzen der Systeme, deren Überschreitung entweder eine neue kreative Erfahrung oder die Destruktion bis zum Absturz sein kann. Kinder und Jugendliche müssen eine selektivere Wahrnehmung entwickeln, die aus einem Leben mit hohen Störfaktoren die wesentlichen Impulse herausfiltert. Durch die Navigation in den digitalen Datenwelten verlassen sie das normale Raum-Zeit-Kontinuum und betreten immaterielle fiktionale Welten, die zum Experimentieren und Abheben einladen. Da staatliche Medieninstitute und Bildungseinrichtungen nicht mit den hohen technischen Standards von Forschungslaboratorien und kommerziellen Anbietern konkurrieren können, müssen sie sich – wie einige Künstler – darauf spezialisieren, mit dem „digitalen Junk“, den technologisch überkommenen Produkten, zu arbeiten und die medienbasierten Wissenskonzepte in den Vordergrund stellen. Gleichzeitig müssen sie neue Kooperationen suchen, die mehr Freiheit von im medialen Bereich einengenden Vorschriften in Forschung und Lehre bieten.
3. DAS ZENTRUM FÜR MEDIEN UND WISSENSKULTUREN: GESTALTUNG ALS WISSENSPROJEKTION UND –KOMPRESSION
Das projektierte Zentrum für Medien und Wissenskulturen (ZMW) und Center for Culture Imagination and Development (CCI D, Initiatoren: Manfred Faßler, Birgit Richard, Gisela Welz, Klaus Neumann-Braun) widmet sich der Erforschung von digitalen Handlungsfeldern (Informationsund Interaktionsräumen) in Interdependenz zu materiell definierten sozialen Räumen und in ihnen befindlichen Alltagskulturen. Mehrere theoretische und anwendungsbezogene Disziplinen kooperieren ohne eine vereinheitlichende und Differenzen nivellierende Metasprache. Das Modell an der Universität Frankfurt demonstriert im Verbund mit nicht-universitären Unternehmen eine Reaktion auf die Veränderung der kulturellen Reichweiten von Wissen. Durch die selbstverständliche Verbindung von Forschung, Projekten und Produkten reagieren die ausgewählten Schwerpunkte Medien und Wissen auf die komplexe Verflechtung von medientechnologischen und kommunikationskulturellen Phänomenen, die durch digitale Medien entstanden sind. Die globale Verbreitung digitaler Medien ermöglicht es, verstreute Wissensinseln im virtuellen Raum der Medien zusammenzubringen. Neue Beobachtungssprachen sollen den Anschluss an die genannten Prozesse herstellen und eine neue Ästhetik entwerfen. Die Beschäftigung mit der Ästhetik der medialen Welten ist nicht Beiprodukt, sondern zentral. Ästhetik stellt Wissen dar: Ästhetische Systeme und visuelle Atlanten für Wissensformationen weichen von den klassischen, z. B. in Datenbanken gültigen Prinzipien ab. Die Medien als Wissens-, Darstellungs- und sozialer Präsenzraum erfordern die Gestaltung von interaktiven Schnittstellen, die Medienentwicklungen initiieren und Wissen weitertragen. Gestaltete Kommunikation führt innerhalb des elektronischen Medienraumes Speicherstrukturen und Menschen in einer kooperativen Umgebung zusammen. Dabei findet eine simultane Beobachtung von medial generierten Wissensformationen (Bild-Text-Raum) statt.

Bei der Mediengestaltung geht es um Informations- und Wissensauswahl im Rahmen von Kommunikationsumgebungen. Das Zentrum stellt sich mit seiner Aufgabenstellung in die offenen Zusammenhänge dynamischer und global verteilter Wissensräume. In der Forschungstätigkeit des Zentrums steht die Verbindung und Konstruktion von Medien und Wissen im Vordergrund. Weitere Stichworte sind: Partizipation, kollektive Arbeitsformen, verteiltes Wissen, Plattformen und Portale. Die Neuen Medien steuern folgende Sektionen bei: Medienästhetik/ Bildwissen, Cyberatlanten als ästhetische Systeme für Wissensformationen, Ästhetik von Alltagskulturen als Wissenskulturen (z. B. virtuelles Jugendkulturarchiv, CD-Rom), Gender und Medien (z. B. das vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst geförderte Projekt „Zur Konstruktion der Repräsentation von Frauen in Computerspielen).

Die Auswahl von Informationen und Wissen ist zu der zentralen Ressource von Kulturen geworden. Zugangs- und Nutzungsbedingungen der Informationsspeicher sind wesentlich für soziale Systeme und Individuen, die an den medialen Kommunikationsumgebungen teilnehmen. Daher richtet sich die Arbeit des Zentrums an den vier Dimensionen aus:
  • Forschung (Grundlagen- und Begleitforschung in den Bereichen Wissens- und Medienkulturen, Subkulturen, Netzwerke, transnationale Kommunikation);

  • Projekte im Bereich Mediengestaltung (Präsentation, e-Learning, medienbasierte zerstreute Wissensräume, audio-visuelle Medienentwicklung, Wissens-Interfaces);

  • Angebot der Lehre in den genannten Feldern, was vor allem deren Modularisierung und studien- bzw. forschungsrelevante Ausrichtung beinhaltet;

  • mit einzelnen Wirtschaftsunternehmen geplante und kooperativ umgesetzte Entwicklung von Modellen für den wechselseitigen Nutzen (wirtschaftliche Forschung und Entwicklung gegenüber wissenschaftlicher Forschung und Entwicklung).
Im Zentrum sind zudem ein Postgraduiertenstudiengang „Wissenskulturen und Mediengestaltung (WuM)“ (als EU-Studiengang) und ein Graduiertenkolleg „Neue Vergemeinschaftungsformen online-offline“ geplant.

Die gegenwärtige und zukünftige Medienausbildung in Frankfurt lässt sich also folgendermaßen zusammenfassen: Sie übt ein in die Beschreibung und Gestaltung von medialen Oberflächen und virtuellen Kommunikationsräumen. Ihre Prinzipien sind künstliche „Sinnlosigkeit“, wie sie sich im nicht zweckgerichteten Spiel zeigt, also eine experimentelle Tätigkeit, die die Ausbildung von Intelligenz und die Komplexität der Struktur der Synapsen erhöht (Palm 2001). Das Spielerische, das Crossen und Switchen zwischen verschiedenen Welten unterschiedlicher Virtualitätsgrade gehen in die Ausbildung mit ein ebenso wie die Förderung von Simultaneität komplexer medialer Vorgänge und Zerstreuung der Wahrnehmung, Dissemination und ihrer Diskontinuitäten. Weitere Leitmotive sind Zeitverschwendung, der Gebrauch der Technik gegen die Gebrauchsanweisung, Triviales, die ästhetische Gewalttätigkeit, Entgrenzung und Absturz. Es findet also der Versuch statt, ein Laboratorium zur Erzeugung widerständiger Bilder und Benutzungsstrategien zur Verfügung zu stellen, das Elemente jugendlicher Mediennutzung und -gestaltung und deren ungerichtete ekstatische Gestaltung und Kommunikation und den experimentellen Umgang mit Medien einbezieht. Zudem sollen kollektive Entwürfe für verschiedene Generationen und gemeinsame Speicherstrategien durchgeführt werden. Jugendliche Praxis und die Frische der Pop- und Club-Kultur sollen, ohne sie zu enteignen, als Prinzipien in den Bereich der Medienausbildung transferiert und transformiert werden. Da das Zentrum sich im Dreieck zwischen Wissenschaft, Kultur und Ökonomie bewegt, sind an dieser Stelle die Trailblazer gefragt, die die Aufgabe haben, die unlösbaren Widersprüche zwischen den verschiedenen sozialen Systemen über subversive Interfaces darzustellen, die sich aus den Medien, Pop und Kunst herleiten. Die vermittelte Selektionskompetenz führt zur Entwicklung von Beweglichkeit in hybriden Räumen, wobei die Figur des Trailblazer diejenige ist, die versucht, zwischen den ökonomischen und sozialen Realitäten und den medialen Welten und ihren Utopien zu vermitteln.

Bibliography

BOLZ, NORBERT: 1953 - Auch eine Gnade der späten Geburt. In: Hörisch, Jochen (Ed.):
Mediengenerationen, Frankfurt am Main 1997, pp. 60-89.
KATZ, JON: The Rights of Kids in the Digital Age. In: WIRED, July 1996, 4.07.
LENZEN, DIETER: Medien-Generationen. In: Erziehungswissenschaft, 1996, Vol.14, pp. 7–9.
PALM, GOEDART: Play Station Gehirn. Über den Zusammenhang von kindlichem Spiel und Gehirnentwicklung. in: Telepolis, 15. 06. 01.
PAPERT, SEYMOUR: The connected family. Bridging the digital generation gap, Marietta 1996.
RIEL, MARGARET: Classroom Collaboration in Global Learning Circles. In: Susan Leigh Star (Ed.):
The Cultures of Computing, Oxford/Cambridge USA 1996 (reprint, 1st edition 1995), pp. 219–42.
BENJAMIN, WALTER: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, Frankfurt a. M. 1977,
pp. 9–44.
Interview with Horst Bredekamp conducted by Gottfried Kerscher and Hans Dieter-Huber, in Kritische Berichte, Vol. 1, 1998.