Terminal-Sex
Der Sex der Zukunft als Kunstwerk
'Stahl Stenslie
Stahl Stenslie
Wie viel süßer ist deine Liebe als Wein … (Hohelied, 4,10) Die Zukunft der Kunst heißt Sex. Nachdem die Kunst nun mit Hilfe der Biowissenschaften nicht nur Objekte und Systematiken, sondern auch Leben erschaffen kann, wird Sex zu einem Grundpfeiler der künstlerischen Arbeit werden. Allerdings wird dieser Sex anders sein, als wir ihn heute praktizieren. Der Einstieg in unseren nächsten Sex wird endgültig sein. Er bedeutet das Ende all dessen, was wir als Sex kennen. Und gleichzeitig den Anfang unseres Next Sex. So wie Silizium die Revolution der Biotechnologie ermöglichte, bereitet uns der aktuelle Trend zur vernetzten Gesellschaft auf eine Kommunikationskultur vor, die den Sex der Zukunft revolutionieren wird. Sex wird so zu einem verteilten, dynamischen, vernetzten, arten- und lebensformenübergreifenden Prozess, zu einer romantischen Orgie der Life-Art. Im Folgenden möchte ich einige Möglichkeiten der neuen Life-Art aus ästhetischer Sicht kommentieren.
Prolog: Der epigenetische Paradigmenwechsel Begreift man die neuen Entwicklungen der Biowissenschaft als Vorboten eines neuen Paradigmas, so kann dies als Übergang vom präformativen zum epigenetischen Zeitalter angesehen werden.
Im 18. Jahrhundert spaltete die Frage nach dem Ursprung des Lebens die Intellektuellengemeinde in zwei Lager – auf der einen Seite standen die Verfechter der Präformationstheorie, auf der anderen die junge Fraktion der Befürworter der Epigenese. Die Präformisten waren der Ansicht, die Entstehung neuen Lebens sei zur Gänze im männlichen Samen oder – in gleichem Maße – in der weiblichen Eizelle vorherbestimmt. Die Epigenetiker waren der Überzeugung, dass neues Leben – etwas wahrhaft Neues – nur aus der Vermischung und Vermengung der Geschlechter entstehen konnte. Sie wurden so zu den Geburtshelfern einer als „Romantizismus“ oder „Liebe zur Romantik“ bekannten Zeit. Die Kunst propagiert das Zeitalter der Biowissenschaft, weshalb neue Wege und Methoden der Schöpfung zu erwarten sind. Keine monologischen „Introvertierten“ mehr, sondern das freie Spiel inter-bio-aktiver Kräfte. Das heißt, das Medium (das Leben) überwindet seine Einsamkeit durch das Spiel/Zusammenleben mit dem Benutzer. Es offeriert dem Benutzer verschiedene Möglichkeiten. Verfolgt man diese Typologie weiter, so befinden wir uns derzeit in einer eminent epigenetischen Situation, verursacht durch die neuen technologischen Möglichkeiten wie etwa die Fortschritte in der Biowissenschaft, in der Entschlüsselung der DNA und in der Gentechnik. Durch digitale (Kontroll-)Techniken noch leistungsfähiger, eröffnet die zukünftige Life-Art daher neue Wege der Wahrnehmung und des Begreifens.
Life-Art Grundmaterial der Biowissenschaften ist der lebende Körper. Autorisiert durch die biowissenschaftlichen Technologien werden Künstler das Leben selbst zum nächsten Kunstmedium machen. Die gegenwärtige Transformation des Lebens in Kunst kann als Life-Art bezeichnet werden. Die Ästhetik der Life-Art betrifft die Gestaltung, Modifizierung, Änderung, Perfektionierung, Schöpfung und Weiterführung des Lebens. Das Buch des Lebens, das wir gerade schreiben, verwandelt den Körper in eine Leinwand des Seins. Meiner Ansicht nach wird es dabei weniger um die Schaffung eines Supermenschen als um die Schaffung neuer Nuancen des Daseins gehen.
Die Biowissenschaften werden verschiedene Bereiche kreuzen und letztendlich Körper (Fleisch), Technologie und Kreativität in einer einzigen Sinnesorgie zusammenführen, die eine neue Form des kreativen Raums eröffnet. Dies ist die Spielwiese für den ultimativen schöpferischen Akt: die Erschaffung von Leben. Alle möglichen Arten von Leben. Als neue Leinwand der Kunst wird das Leben als evolvierende, dynamische und anpassungsfähige Prozesse künstlerisch gestaltet sein. Das Kunstobjekt „Leben“ ist nicht dazu gedacht, an die Wand gehängt oder installiert zu werden und braucht auch keine Steckdose. Es lässt sich nicht abschalten und es geht einfach weg, wenn ihm danach ist. Sein Text ist bestenfalls unvorhersagbar. Dieser entlegene Bereich der Kreativität beheimatet die endgültige Kreativität. Sie ist endgültig, weil sie vom Ende des Schöpfers selbst handelt. Die künstlerischen Ambitionen sind klar: Kunst im Zeitalter der Biowissenschaft will Kunst schaffen, die größer als das Leben ist. Als das eigene Leben, wohlgemerkt. Im Laufe der Zeit wird die künftige, durch Life-Art geschaffene Designer-Spezies sich verselbständigen und mit ziemlicher Gewissheit an die Stelle ihres Urhebers treten. Entweder zur Gänze oder in erhöhter Form. Wie in unseren strahlendsten eugenischen Fantasien – oder dunkelsten Albträumen. Wie dem auch sei, was die Cyber-Theorie über das post-humane Dasein gesagt hat, die Biowissenschaften werden es vollenden. Doch diesmal wird es nicht bloß virtuell sein. Mit Genoshop, dem künftigen Äquivalent zu Photoshop, heißt es dann ein für alle Mal Abschied nehmen vom Menschen. Aber dieser Abschied wird jede Menge Spaß machen. Das große Versprechen des Terminal-Sex ist der Nervenkitzel, etwas Brandneues zu schaffen. Etwas bisher nie Gefühltes, nie Gesehenes, nie Gedachtes. Nun, da sich der Hype um die zeitgenössische Digitalkunst gelegt hat, verblasst die Ehrfurcht vor dem Neuen. Doch mit der Life-Art wird sie mit neuer Kraft wiederkehren. Terminal-Sex verwandelt uns in Götter, die nach dem Bild ihrer Freuden Leben erschaffen.
Terminal-Kälte: Der Sex der Zukunft als DNA-Sampling Heute stecken die Biowissenschaften die äußersten Grenzen des künftigen Sex ab. Bis jetzt war Fortpflanzung/Befruchtung eine Frage der Kombination weiblicher Eizellen mit männlichen Samen. In der Biologie der Zukunft wird die Fortpflanzung ohne komplementäre Paare (weiblich / männlich) auskommen. Die neuen Bücher des Lebens werden durch die Kombination von DNA verschiedener Quellen geschrieben. Die Erbanlagen eines Kindes werden sich aus einer Auswahl sensueller und dynamischer Anlagen mehrerer Männer und Frauen zusammensetzen. Es ist denkbar, dass zwei oder mehr Männer genetisches Material für ein- und dasselbe Kind zur Verfügung stellen. Bis zum Äußersten weiter gedacht, lässt sich vorhersagen, dass Sex und Fortpflanzung wie das Surfen im Netz sein werden. Heute benutzen wir das Netz, um intellektuelles Material zu lesen und zu verbreiten. Bald werden wir es zur Zeugung unserer Nachkommen im wirklichen Leben benutzen. Beim zukünftigen Sex hinterlässt unser Info-Surfen und unser Umgang Spuren in Form unserer DNA-Beschreibung. Mittels DNA-Synthese werden wir unseren Nachwuchs aus den einzelnen Komponenten einer Vielzahl von Menschen konstruieren. Surf im NETZ – und gib Deinem Kind tausend Väter und Mütter. Oder lass es vom DNA-Jockey samplen.
Terminal-Hitze 1: Die Orgie als Sexualpraktik der Zukunft In Zukunft werden Sex und Fortpflanzung sich an das Wesen der Internet-Kommunikation anpassen. Ebenso wie das Netz selbst wird auch der Sex dezentral sein. Das Internet dient als Test- und Trainingsgelände für künftige Kommunikationsmuster. Es ist ein monosensorisches Medium mit geringer Bandbreite, gibt uns aber einen Vorgeschmack auf die Topologie der Kommunikationskultur von morgen. Kommunikation im Netz kann von einer Person an viele, von vielen an eine oder von vielen an viele gerichtet sein. Und genau so wird in der Tel-Emotion-Gesellschaft von morgen Sex ausgeübt werden. In Zukunft wird Sex netzorientiert sein und daher immer häufiger wie das Chatten heute praktiziert werden. Die Orgie wird also als Musterbeispiel der sinnlichen Kommunikation dienen. In Zukunft muss reproduktiver Sex nicht länger eine Privatangelegenheit zwischen zwei Menschen sein. Auf der Basis synästhetischer Biologie, übertragen von extremen Medien, wird er sich zu einem dynamischen, dezentralen Phänomen entwickeln, dessen Teilnehmer über den ganzen Erdball verstreut sind.
Warum die Orgie? Die Orgie bricht die Grenzen auf, die Menschen als Individuen definieren. Außerhalb der Orgie sind die Menschen isoliert. Nicht nur von einander, sondern auch von der Natur, vom Himmel und von Gott. Eine mögliche Auswirkung des Terminal- Sex ist die Erzeugung einer techno-religiösen Ekstase in der Tradition der archaisch-ekstatischen Erfahrung des Göttlichen. Traditionellerweise erreichte man dies durch Musik, Tanz, Sex und/oder Drogen. Nun können wir es besser, und noch dazu intensiver. Man stelle sich vor, die DNA kodiert eine Lebensform, die ständig durch selbstproduzierte Endorphine „high“ ist. Man kann von der Erwartung ausgehen, dass Terminal-Sex den genetischen Bauplan des Einzelnen zerlegt und ihn als ein mythologisches Wesen mit vielknotigen, rhizomatischen Netzwerkverbindungen wieder neu zusammensetzt. Sieht man die Zukunft des Lebens vom jetzigen Zeitpunkt, so erscheint sie göttlich – genau so, wie es vor wenigen Jahrhunderten als Zauberei gegolten hätte, durch Betätigen eines Wandschalters einen Raum in helles Licht zu tauchen.
Terminal-Hitze 2: Sextrem kreative Umgebungen Durch die Wissenschaft potent gemacht und von den Fortpflanzungsaktivitäten abgekoppelt, wird Sex in Zukunft synonym mit dem Schöpferischen künstlerischen Arbeiten sein. Durch das Umfunktionieren sowohl des menschlichen als auch des nichtmenschlichen Körpers zu einem biotechnologischen Raum der Kunst wird uns ein extrem kreativer Schauplatz zur Kombination und Rekombination von Eigenschaften und potenziellen Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Und das nicht nur auf Grund der Milliarden genetischer Kombinationsmöglichkeiten.
Der Sex der Zukunft wird über die Fortpflanzung hinaus das Reich der Ästhetik durchdringen. Sex als ästhetischer Ausdruck wird extrem kreative Umgebungen ermöglichen, die durch klare existenzielle Implikationen von Lebenszyklen gekennzeichnet sind. Die Kunst der Zukunft wird sich mehr mit dem Überleben als mit Darstellung, Kontext, Schönheit und Information befassen. Sie wird daher auch nicht altmodisch oder langweilig werden, sondern vielmehr untergehen und aussterben. Die positivistische Einstellung der gegenwärtigen Medienkunst, wie sie in der auf Informationsverteilung basierenden Netzkunst zu beobachten ist, wird durch die Prinzipien hedonistischer Freuden darwinistisch-dionysischer Selektionsprozesse erweitert werden. Das Gen der „schönen“ Kunst der Zukunft wird durch seine Fähigkeit überleben, die Erfahrung des „Benutzers“ bis zum Punkt orgastischer Kreativität zu verstärken: Welche außergewöhnlichen Sinneseindrücke wird es seinem Träger ermöglichen? Welch ausgeprägte Wahrnehmungen kann er entfalten? Der Sex der Zukunft wird eine physio-induktive Praktik darstellen, die das Fleisch manipulieren und so als Grundstein der Erfahrung dienen wird. Er wird die leibliche Blaupause unserer ästhetischen Wahrnehmung manipulieren. Der daraus resultierende Life-Art-Körper wird als Navigationsinstrument für eine symbiotische Ästhetik dienen, welche dem Unterschied zwischen Leben und Fiktion ein Ende setzen wird. Wohin führt uns das? Next Sex wird zu Terminal- Sex. Terminal-Sex als Strategie zur Intensivierung existenzieller Ästhetiken.
Ästhetischer Terminal-Existenzialismus in der Life-Art Bislang ging es in der Ästhetik um die Identifizierung von Wahrnehmung, um zeitgenössische Definitionen mit Schwerpunkt auf dem „Kunstwerk als einer Art Artefakt, erschaffen zum Zweck der Präsentation vor einem Kunstpublikum“ . Solche Definitionen berühren Fragen des Kontexts und der Präsentation, aber nicht den fließenden, dezentralen, prozessorientierten Charakter eines Großteils der interaktiven Kunst und der Netzkunst. Life-Art wird in noch größerem Ausmaß ein Umdenken im Hinblick auf Sinn und Zweck der Kunst erfordern. Terminal-Sex repräsentiert ein neues, biologisch gesteuertes Konzept dessen, was Kunst alles sein kann. Unsere Kunsterfahrung wird sich von der heute üblichen Werkzeugorientierung hin zu einem neuen körperlichen, erfahrungsorientierten Paradigma bewegen. Es ist ein ästhetischer Wandel von der identifizierenden Wahrnehmung, wie sie heute üblich ist, hin zur existenziellen Wahrnehmung vorhersehbar, die auf der Umsetzung von Sinneswahrnehmungen in Gefühle und Eindrücke basiert. In der Life-Art geht es um Wahrnehmung aus dem Inneren der Kunst heraus. Die Erfahrung kommt aus dem Wesensinneren. Life-Art ist Koexistenz, ja, sogar In-Existenz, mit der Kunst. Mit der Verinnerlichung und der Einverleibung der Life-Art kommt es sehr wohl darauf an, ob die Kunst jemanden tötet oder nicht. Was, wenn unser Körper Kunst-Krebs entwickelt? Dieser Unruhezustand ist ästhetischer Existenzialismus.
Terminal-Lust am ästhetischen Existenzialismus So wie wir die DNA heute lesen, werden wir sie bald verwenden, um damit neue Lebensformen zu „erdichten“. Eine künstlerische Strategie zur Bearbeitung dieser „Dichtung“ wird darin bestehen, den Geschlechtsverkehr als Modell zu verwenden. Der kühle Charakter wissenschaftlicher Enthüllungen wird zur heißen künstlerischen Arbeit werden. Kunst als Aktion, angetrieben vom Verlangen. Kunst wird andere ästhetische Parameter involvieren als die gewohnten. So wird die Verführung zu einem Parameter der Life-Art werden. Ebenso die Quantität und Qualität der Lust. Sogar die Vergewaltigung kann dann als kunstschaffende Strategie gelten. Der künftige „Benutzer“ der Life-Art wird die Qualität der Kunstform innerhalb der Ästhetik körperlicher Lustgefühle messen. Welcher Lustgefühle? Der Kunstgenuss wird wahrscheinlich als Krönung des ästhetischen Gipfelsturms mit einem Orgasmus enden. Sex ist der Weg der Life-Art, kreativer Orgasmus das Ziel.
Kuriose Fragen betreffen die Zeit als Parameter der Life-Art. Was passiert nach dem Orgasmus? Welche rechtlichen und emotionalen Bande lässt die Entstehung von Life- Art zwischen „Werk“, Künstler und Benutzer erwarten? Wie wäre es mit dem Stillen als Kunstform – oder mit dem Verzehr? Kann der Künstler als Elternteil seiner Bioexperimente angesehen werden? Wie lange wird er sich um sein „Kunstwerk“ kümmern müssen? Und was die Benutzer betrifft: Wie werden sie sich mit Life-Art auseinandersetzen, wenn nicht in symbiotischer Vereinigung? Ob als Modifikation des eigenen, privaten, individuellen Körpers oder in einem gesellschaftlichen, umweltbezogenen Kontext, die Symsthetik der Life-Art stellt uns vor große Herausforderungen.
Biowerkzeuge Wie können die Technologien der Biowissenschaften künstlerisch eingesetzt werden? Wo sind die Werkzeuge, mit denen man Leben anfertigen kann? Derzeit bauen die Biowissenschaften auf Chemie und mechanischer Bearbeitung auf. So werden bei der Invitro- Fertilisation Ei- und Samenzellen händisch ausgewählt, bevor der Samen mit einer Nadel mechanisch in die Eizelle injiziert wird. Die Praktiken der Zukunft lassen eine präzisere Manipulation der Erbeigenschaften erwarten. Proteinscheren und Molekularkoppelung werden letzten Endes exakte Methoden zur DNA-Umgestaltung bieten. Die Herstellung von Life-Art wird man mit dem Mixen eines Cocktails vergleichen können, angesiedelt irgendwo zwischen dem Veranstalten einer Party und dem Praktizieren knallharter Wissenschaft. Eine faszinierende technische Frage ist die der Erfassung und Kontrolle der Milliarden und Abermilliarden an DNA-Kombinationsmöglichkeiten. Interessanterweise wird dieses Problem die Entwicklung von weitaus leistungsfähigeren Kontroll- und Verarbeitungsinstrumenten erfordern, als wir sie heute zur Verfügung haben. Bislang war der Computer eine der mächtigsten Techniken der Biowissenschaften, und wahrscheinlich wird das auch noch eine Weile so bleiben.
Die Schnittstelle zu den Bio-Sex-Technologien Wie wird die Benutzerschnittstelle für künftigen Sex aussehen? Wahrscheinlich „physiokalisierter“, chemikalisierter und internalisierter als die aktuellen skulpturalen Schnittstellen der Medienkunst. Ziemlich sicher wird es nicht so steril und clean wie bei der Siliziumtechnologie zugehen. Die ersten Schnittstellen werden wahrscheinlich auf alten Medienmetaphern basieren, nur dass das Ziel dieser Systeme nun ein anderes ist. Im Bemühen, Life-Art zu züchten, werden Mustererkennung und Musterübereinstimmung für die Suche nach den originellsten Partnern unumgänglich sein. Und dann wird die Verführung zu einem fixen Bestandteil des Kunstschaffens und des künstlerischen Verhaltens werden.
Ein in naher Zukunft machbares teletaktiles, multisensorisches Cyber-Bio-Sex-System wird eine Umgebung sein, in der man das Persönlichkeitsprofil des künftigen Freundes/ Liebhabers/Samen- bzw. Eizellenspenders fühlen kann. Es könnte sogar selektive Paarung auf der Basis eines multidimensionalen, synästhetischen Profils erlauben, das durch verschiedene Medienkombinationen beschreibbar ist. So etwa durch die Verbindung von Stimulatorgarnituren mit In-vitro-Fertilisationsmaschinen. Mit Hilfe eines 2D-, 3D- oder multisensorischen „Persönlichkeitskombinators“ entwirft man den Vater /die Mutter des eigenen Kindes. Ein derartiger Kombinator wird mögliche DNA-Kombinationen erkennen, beschreiben und ausdrucken. Die DNA kann man als Beschreibung von Eigenschaften und als (Text-)Informationsträger sehen. Das Grundmaterial des Lebens kann daher in einem Text beschrieben werden. Der Kombinator würde die DNA als einen göttlichen, religiösen Schöpfungstext lesen. Und der daraus resultierende synästhetische Text ist wiederum als Blaupause für DNA-Strukturen lesbar. Wir werden vom Leben zum Über-Leben übergehen und die Bausteine der Natur dazu benutzen, uns selbst neu zu konfigurieren.
„Kunst – bitte nicht füttern!“
Art Print Life So wie wir heute Worte auf Papier drucken, werden wir in Zukunft Leben „drucken“. Was für ein Leben wird das sein? Die Biowissenschaften – wie wir sie heute kennen – entwerfen mindestens drei Kategorien von Life-Art-Spezies. Die erste umfasst einzelne Lebensformen – etwa fluoreszierende Hunde oder monströse Konstruktionen von humanoider Gestalt. Die zweite besteht aus verbundenen Organismen mit hirnähnlicher Konstruktion. Die dritte und letzte Kategorie besteht aus möglichen „Biocomputern“, d. h. aus der Kombination von Siliziumrechnern und lebenden Zellen.
Bodytainment Wie wird das unser Leben beeinflussen? Wie wird man es zu Unterhaltungszwecken einsetzen? So wie die Kommunikations- und Biotechnologien unsere Körper auf neue Weise herstellen, werden wir den Aufstieg einer neuen Unterhaltungsindustrie auf Basis der Bioästhetik erleben. Und es wird eine verführerisch lustvolle Erfahrung sein. Eine innerkörperliche Kommunikation für das neue Jahrtausend, glänzend verpackt. Die dystopische Symbolik der vergangenen „Cyber“-Dekade wird man vermeiden. Die Verwendung des Körpers für Manipulationen wird vergnüglich und unterhaltsam sein – Bodytainment, das sowohl befriedigt als auch verändert. Und es wird eine rekursive Modellierung des Menschen sein. Die plastische Chirurgie und die Psychoinduktion der Wiedergeburt sind nichts im Vergleich mit den leiblichen Möglichkeiten, den eigenen Klon durch Gen-Sampling und Genoshop zu modifizieren. Wenn wir entdecken, dass wir zu den Sexualorganen der Weltmaschine geworden sind, dann hat eine – sexy – Terminal- Realität begonnen.
Terminal-Kunst Wohin führt uns Terminal-Sex? So wie der Terminal-Sex Leben nach dem Bild unserer Lustgefühle schafft, kann man davon ausgehen, dass neue sexuelle Empfindungen integraler Bestandteil der Kunst der Zukunft sein werden. Dies ist Endpunkt und Anfangspunkt zugleich. Wie schon die Beispiele der In-vitro-Fertilisation und des Klonens zeigen, wird reproduktiver Sex in eiskalte Wissenschaft umgewandelt – und somit terminiert. Das bedeutet das Ende von Sex, wie wir ihn kennen, aber den Anfang des re-kreativen Sex im Sinne der Epigenese. Terminal-Sex in der Kunst eröffnet neue Wege der Wahrnehmung und des Begreifens.
Vergessen wir nicht, dass die DNA die passivste und konservativste Entität ist, die wir kennen. Sie repräsentiert zwar äußerst komplizierte Pläne des Lebens, ist aber doch nur eine Beschreibung. Zu ihrer Ausführung braucht es schon die Terminale Kunst als Verlangen, Aktion und Verkörperung.
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