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Klones


'Heimo Ranzenbacher Heimo Ranzenbacher / 'Dieter Huber Dieter Huber

1994 schuf Dieter Huber den Zyklus KLONES, der Darstellungen von Menschen sowie Pflanzen- und Landschaftsmotive [Landshapes] umfasst. Die computergenerierten Fotoarbeiten zählen zu den frühen künstlerischen Auseinandersetzungen mit den Potenzialen der Gentechnologie und dabei zu den wenigen, deren Ergebnisse das Thema nicht nur kommentieren, sondern auch vermittels des technisches Verfahrens reflektieren.

Das folgende Interview von Heimo Ranzenbacher mit Dieter Huber ist das Konzentrat eines E-Mail-Austausches, der unter http://kultur.aec.at/festival2000/texte/klones. html zu finden ist.

Heimo Ranzenbacher: Sie haben sich sehr früh schon mit den Life Sciences befasst; in einer Zeit, da noch kaum öffentliche Meinungen und Vorstellungen daran geknüpft wurden. Hatte die „Kunst“ ursächlich mit der Erregung Ihres Interesses zu tun?

Dieter Huber: Die Impulse für die Wahl meiner Inhalte kommen eigentlich nie aus dem Kunstbereich. Die Entwicklungen im Bereich der Wissenschaften, der Technologie und soziologische Aspekte sind heute federführend. Ausgangspunkt ist die subjektive Attraktion. Wenn sich in der anschließenden Recherche eine, wenn auch versteckte gesellschaftliche Relevanz herausstellt, wird sie für mich zum Thema einer künstlerischen Auseinandersetzung. Die formale Wahl der Mittel begründet sich im Inhalt wie in der Struktur des Zyklus.

Heimo Ranzenbacher: Was meinen Sie mit „Struktur des Zyklus“?

Dieter Huber: Nehmen wir zum Beispiel die geschlechterspezifische Thematik, die in den Landshapes bearbeitet wurde. Infolge diverser Recherchen habe ich mich für eine Aufsplittung in zwölf Kapitel entschlossen: Ästhetik, Manipulation, Sex/Gender, das Weibliche, Kultur/Kodex, das Androgyne, Scham, Cybersex, Omni-Potenz, Gentechnik, Narzissmus und das Männliche. Im Einzelnen gibt es wiederum Untergruppierungen. Als „subjektive“ Interpretation wurde den Kapiteln jeweils ein Bild zugeordnet. Die Struktur des Kunstwerks ist dann eine andere Frage, die in den Bereich der Interpretation fällt.

Heimo Ranzenbacher: Sind für Ihr Interesse an Gentechnologie auch entsprechend methodische Ursachen geltend zu machen?

Dieter Huber: Die grobe Grundstruktur in der Genetik, ausgehend von der Verfügbarkeit des Materials [Genom, „Welt“] über die Analyse [Mapping, HUGO] bis zur Adaption und Neukreation [Mutationen, „Bereinigungen“, Konstrukte etc.] habe ich auf die künstlerische Ebene übertragen: Bildmaterial von Menschen, Pflanzen und Landschaften wurden analog abgenommen, in Fragmenten digitalisiert, der konkreten Bildvorstellung am Computer angepasst und wieder ins Analoge, „Materielle“ eines schlichten, zweidimensionalen Bildes zurückgeführt. Durch dieses Äquivalent in der formalen Methode wird die technologische Umsetzung schlüssig und macht „Sinn“.

Heimo Ranzenbacher: Dass mittels derselben Verfahren auch thematisch völlig anders gelagerte Interessen behandelt werden könnten, ist evident. Welche Bedeutung hat diese Verfügbarkeit des „methodischen Sinns“ für Sie?

Dieter Huber: Das ist sehr einfach: Genetisch veränderte Pflanzen nehmen wir als „schön“ wahr. Bei genetisch manipulierten Lebensmitteln scheiden sich bereits die Geister. Dasselbe Prinzip auf die formale Erscheinungsform des Menschen zu übertragen, wirkt „abstoßend“. Die Panoramen der „Weltlandschaften“ ironisieren diese meist subjektive Unschärfe der ungeklärten Frage nach der Grenze der Manipulation. Durch schlichte kontrastierende Hängung der verschiedenen Grundmotive bei Ausstellungen erkennen die Betrachter die Problematik und haben einen möglichen Einstieg in die zu klärende Frage nach dem aktuellen und zukünftigen Menschenbild. Wenn der Nachweis gelingt, dass weit über die primären Erbkrankheiten hinaus z. B. auch körperliche und soziale Anpassungsfähigkeit, Suchtverhalten, Psychohygiene etc. genetisch bedingt sind, werden wir gezwungen, neu zu definieren, was „krank“, was „gesund“, was „sozial vertretbar“ ist. Es geht um nichts Geringeres als eine Neudefinition des Menschen. Es ist eigentlich sehr spannend, in einer solchen Zeit zu leben. Die Klärung dieser Frage halte ich für eine der prägendsten für die nächste Zukunft. Zu wünschen ist uns eine gesamtgesellschaftliche Entscheidung. Wenn dies nicht bald gelingen sollte, werden es Pharmakonzerne, Institute, die Nasdaq und der Neue Markt tun.

Heimo Ranzenbacher: Das Menschenbild spiegelt stets auch die Bilder wider, die die Geschlechter voneinander und von ihren Rollen im soziokulturellen Spiel haben. NEXT SEX beschäftigt sich mit diesen Bildern im Zuge der biotechnologischen Möglichkeiten. Einige ihrer Arbeiten interpretiere ich als subtiles Spiel mit möglichen Implikationen. Etwa Klone #7, die unterschiedlich stimulierten Brustwarzen auf einer Brust, nämlich – grob – als Absenz externer Stimulanz; und wohl auch als Anspielung auf das im gegenständlichen Kontext aktualisierte Wort von den zwei Seelen in einer Brust … Welche Bilder schweben Ihnen vor?

Dieter Huber: Wenn wir der griechischen Mythologie Glauben schenken, ist unser Ursprung ja zweigeschlechtlich. Die ästhetischen Ideale der griechischen Plastik wie der heutigen Models basieren doch weitestgehend auf der Imagination eines Zwitterwesens. Die Statuen wurden bewusst mit gegengeschlechtlichen Attributen ausgestattet, die knabenhaften Mädchen auf dem Catwalk sind Idealisierungen, Materie gewordene Fiktionen. Dieses Zwitterwesen kann gleichsam als Ideal der heute zunehmenden Emanzipation vom Anderen gesehen werden. Auf einer solchen Grundlage ist, bei entsprechend entwickelter Technologie, eigentlich alles vorstellbar: Ende der Mutterschaft durch Extogenese, Auflösung des Sex durch [technische] Sublimierungen, „potente“ Menschen durch Keimbahn„therapie“ [!], Vernetzung des Körpers mit Computerimplantaten, „Perfektionierung“ des Ich bis hin zur Abstoßung des Körpers …

Die im europäischen Denken seit Jahrzehnten aktuelle „Auflösung des Individuums“ liest sich vor einem solchen Hintergrund äußerst plausibel. Mir persönlich ist das einfach unangenehm. Ich lege Wert auf Entscheidungen, die ich nach subjektiven Kriterien treffe. Das macht Freunde und Feinde. Wir haben ja die Option, die „Welt“ und den persönlichen „Alltag“ zu gestalten, obwohl der Bauch längst nicht mehr der Frau und mein Gehirn leider nicht mehr mir gehört.