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Tit for Twat


'Kaucyila Brooke Kaucyila Brooke

Tit for Twat: Madam and Eve in the Garden heißt der erste Teil einer dreiteiligen narrativen Foto-Text-Montage. Das sogenannte Paradies ist offensichtlich die Ursache für die Verwirrungen über die Natur des Menschen und der menschlichen Sexualität. Die Arbeit nimmt die Anfang der neunziger Jahre im amerikanischen Trash-TV viel verbreitete spöttische Bemerkung, „wenn Gott Homosexualität gewollt hätte, dann hätte es Adam und Steve oder Madam und Eve geheißen“, wörtlich und erkundet, welche Implikationen ein derart veränderter Schöpfungsmythos hätte. Die Gartengirls werden inmitten ihrer eigenen Schöpfungsgeschichte von den üblichen Talkmastern unterbrochen und provoziert: Oprah, Geraldo, Donahue, Sally Jessie usw. Dieser anscheinend entpolitisierte Raum wird von den einzelnen Showmastern seltsam verallgemeinert beschrieben. In den beiden anderen Teilen begegnen sich Madam und Eve und beginnen eine Welt zu begreifen, die weit über den ursprünglich erforschten Raum hinausgeht.

Das zweite Kapitel trägt den Titel Tit for Twat: Can We Talk? Madam und Eve sind Gäste einer Talkshow und beantworten Fragen des Studiopublikums, werden unterbrochen und falsch interpretiert. Can We Talk? will vermitteln, wie die Medien (lies: „die Schlange“) Informationen versprechen, aber nur selten liefern, und wie sie den Einzelnen nicht wirklich zu Wort kommen lassen.

Im Verlauf der Geschichte werden die zeitlosen Geschöpfe im 20. Jahrhundert zur sensationellen Titelgeschichte. Das paradiesische Paar tritt nun tagsüber im Fernsehen auf und startet damit seine Reisen durch die Archive der westlichen Kultur. Eve muss als Frau afrikanischen „Ursprungs“ oder vielleicht sogar als „Ur“-Afrikanerin feststellen, dass ihre Bedeutung von der Geschichtsschreibung und der Wissenschaft unterschlagen wurde. Madam trägt Piercings und Tattoos und ist von europäischer „Hinkunft“ (denn „Herkunft“ würde die lineare Geschichte auf den Kopf stellen). Sie ist über die Auslöschung der beiden in der zeitgenössischen Kultur empört und protestiert: „EVE WURDE REINGELEGT!“ Derzeit umfasst Can We Talk? sechs fertige Teile.

Die Erzählung wird fortgesetzt. Ich suche nicht nach einem absoluten Ende für das Projekt, sondern werde immer weitere Tafeln anfügen.

Tit for Twat setzt sich mit Dingen wie Schöpfungstheorien oder weiblichen Erzählungen über das Bedürfnis nach Wissen auseinander. Mythen und wissenschaftliche Theorien über die Entstehung der Welt dienten zur Rechtfertigung rassistischer und sexistischer Systeme; Theorien von künstlerischer Originalität ließen um Kunstobjekte eine Aura entstehen, die den Marktwert bestimmt. Madam und Eve sind dank ihres Status als Frauen aus einer anderen Zeit in der Lage, diese Vorstellungen zu kommentieren. Tit for Twat behandelt die biblische Schöpfungsgeschichte im Buch Genesis und die Annahme ursprünglicher Heterosexualität und deren Beziehung zu anderen Ursprungstheorien. Dem Innovations- und Ursprungsbegriff der Geschichtsschreibung, dem Kreationismus, der Wissenschaft und der materiellen Kultur kommen in diesem Erzählprojekt besondere Bedeutung zu. Mein spezielles Interesse gilt dem Schnittpunkt zwischen biologischer und fotomechanischer Reproduktion. Das Werk verbindet Fotomontage mit Text und Erzählung, wobei beleuchtete Manuskripte und Filmstreifen vermischt mit TVSequenzen die visuelle Erzählquelle bilden. Obwohl ich einer linearen Geschichtsschreibung, die retrospektiv zu einem Ursprung zurückführt, kritisch gegenüberstehe, verwende ich bei meiner Arbeit selbstaufgenommene Fotos und von Hand geschriebenen Text; die Layoutmodelle werden digital geplant und das fertige Werk ist eine Serie von einmaligen künstlerischen Fotomontagen.