Intercourse
Interaktive Transmissionsmaschinerie in progress
'Istvan Kantor
Istvan Kantor
The File Cabinet Project / Executive Machinery Das digitale Zeitalter hat die alte Hardware der Informationstechnologie nicht ausgemerzt. Metallene Büromöbel sind heute ein Teil des neuen elektronischen Kommunikationsnetzwerks. Istvan Kantors anhaltendes Interesse für Aktenschränke ist nicht einfach nur eine Begeisterung für den physischen Gegenstand oder eine ästhetische Besessenheit davon, sondern zeugt von einer umfassenderen theoretischen Beschäftigung mit robotischen skulpturalen Systemen und kinesonischen Informationsmechanismen. Heute sind gewöhnliche Aktenschränke über Computer in ein gigantisches Netzwerk eingebunden, das eine weltweite Maschinerie von Informationsmöbeln bildet.
Wenn wir uns die Büroarbeit als eine andauernde Performance vorstellen, so sehen wir Menschen in Büros ständig Aktenschränke auf- und zumachen, in denen selbst im Zeitalter der digitalen Kommunikation noch Papierkopien aufbewahrt werden. Diese simple Geste des Auf- und Zumachens von Schubladen, ihres Aus- und Eingleitens in einem umschlossenen Raum, lässt sich als ein vom Menschen gesteuerter Motor der heutigen Informationsspeichermaschine interpretieren. Und so erkennen wir, dass der Austausch von Information und das Herstellen von Bildern und Tönen immer mit dieser physischmechanischen Bewegung verbunden sind.
Mit INTERCOURSE, der jüngsten Manifestation des File Cabinet Project, sexualisiert Istvan Kantor diese simple Geste und führt sie als grundlegendes Aktionsinterface vor, das alle Aspekte des Informationsaustausches steuert. Zugleich verbindet er hier seine Erkundung des skulpturalen Systems und des kinesonischen Potenzials des Aktenschranks mit dem missbrauchten und erotisierten menschlichen Körper. Während der Körper in Kantors Lesart zu einem robotisch kontrollierten digitalen Bild wird, das man nicht direkt berühren kann, wird die Kommunikations-Hardware des Informationsspeichermöbels (das Objekt Aktenschrank) durch die neue Technologie erweitert und mutiert zu choreografierten Mechanismen, die in die Realität des physischen Raums eindringen. Es erscheint wie eine totale Herrschaft der Technologie in sämtlichen Lebensbereichen, von der Büroarbeit bis zur Sexualität, auf dem Weg über die Unterhaltung. Kantors neoistisch-totalitäre Vision wäre allerdings unvollständig, gäbe es nicht die interaktive Intervention des Individuums, die zum Motor dieser Maschine wird.
INTERCOURSE beteiligt das Publikum direkt an der Aktivierung und Steuerung einer Reihe von Videobildern, die den Körper als Elementarmaschine erkunden, auch dort wo er sich in den Cyberspace erstreckt. Der Aktenschrank fungiert dabei als Getriebe und Kontrollmechanismus für die projizierten Bilder. Gleichzeitig wird er auch selbst durch robotische Werkzeuge zum Leben erweckt.
INTERCOURSE verbindet durch die Kombination von robotischer Skulptur und interaktivem Video die traditionelle Büroeinrichtung mit moderner Elektronik. Der simple Akt des Auf- und Zumachens der Schubladen eines Aktenschranks löst Reaktionen bei allen anderen Möbeln im Raum aus. Am Physischen wie an der Präsenz und Macht des Körpers festhaltend, ventiliert Kantor Möglichkeiten des Übergangs, der Mutation und der Schönheit des Dialogs zwischen Elektronik und Körpermechanik.
Die Benutzeroberfläche von INTERCOURSE ist ein mit Fotozellen präparierter Aktenschrank, der beim Öffnen und Schließen der Schubladen auf die Lichtintensität von Leuchtdioden reagiert. Über einen Chip (Basic Stamp) und Midi-Interfaces werden die Signale an Computer und direkt zu den Patches der interaktiven Applikationen (MAX) geschickt, die die Bilder auf den Schirmen auslösen und bewegen und die pneumatischen Antriebe der mit den Aktenschränken verbundenen Maschinen steuern. Jede Schublade steuert ein anderes Video und eine andere Maschine. Durch Herausziehen und Hineinschieben der Schubladen des Interface-Aktenschranks kann der Benutzer die Länge und Geschwindigkeit der auf großen Projektionsschirmen gezeigten Videoloops manipulieren und die Bewegungen der Maschinen choreografieren.
INTERCOURSE repräsentiert das wechselnde Ambiente der Kommunikationsintensität, die sich aus allen Aspekten der lärmenden Spektakel der heutigen Technologiegesellschaft speist, ob nun Arbeit, Sexualität oder Kunst.
Sowohl die Steuerbewegungen als auch die dadurch ausgelösten Bilder und Töne sind mit sexuellen Anspielungen und ironischen Kommentaren auf Informationstechnologie und Kommunikationsbusiness aufgeladen.
INTERCOURSE enthüllt die Lust des Individuums und die Macht der Konzerne in rein sexueller Form. Kantor verbindet darin das Büro und den Konzertsaal, Kommunikation und Terror, neue Technologien und Wahnsinn, sexuelle Symbolik und Lärm.
Mitarbeiter: 3D-Design: Kristan Horton, Maschinenbau: Kristan Horton, Glenn Orr, Stephen Richards, Steuersystem/Programmierung: Jeff Mann Istvan Kantor bedankt sich für die Unterstützung des Canada Council, des Ontario Arts Council, des International Cultural Relations- und des Toronto Arts Council bei der Realisierung des File Cabinet Project, von Executive Machinery und von INTERCOURSE. Zusätzlicher Auftrag von: ACREQ, Montreal. Special Thanks an Anna Balint, Mirjam Coelho, W.A. Davison, Ioana Georgescu, Krista Fry, Roddy Hunter, Jowita Kepa, Stephen Kovats, Benoit Maubrey, David Rokeby, Susken Rosenthal, Werner Schmidt, Alain Thibault, Jurg Da Vaz, Artpool, InterAccess, Le Lieu, MonteVideo, Oboro, V-Tape
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