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Ars Electronica 2000
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Festival 1979-2007
 

 

D.A.V.E
digital amplified video engine

'Klaus Obermaier Klaus Obermaier / 'Chris Haring Chris Haring

Transplantationstechnik, prothetische Chirurgie, mikrophysikalische Stimulation des menschlichen Körpers: Die Technologien werden nicht mehr zu anderen Planeten geschickt, sondern beginnen die Invasion des Menschen selbst, der durch nichts mehr wirklich geschützt wird, weder durch die Ethik noch durch die biopolitische Moral.

Paul Virilio, Die Eroberung des Körpers, Hanser Verlag 1994
Die Performance D.A.V.E. thematisiert die künftig mögliche Entgrenzung des Körpers. Personifizert durch den Performer, wird dessen Körper zugleich Bühne und Vermittler einer Utopie, die besagt, dass man dank zukünftiger Technologien und Implantate in der Lage sein wird, die Begrenzungen des natürlichen Körpers aufzuheben. Eine Vielfalt von Erlebnissen wird möglich sein: Ein Mann kann spüren, wie es ist, eine Frau zu sein, und umgekehrt. Auch gibt es keinen Grund, warum eine Person bei der Realisierung ihrer allein geträumten Fantasien nicht Mann und Frau zugleich sein sollte. Der Körper wird längst nicht mehr nur durch den Alterungsprozess verändert, die ungeahnten Möglichkeiten der Eingriffe erklären ihn selbst zum „Sensationsobjekt“.

D.A.V.E. switcht mühelos zwischen jung – alt – männlich – weiblich, er verformt seinen Körper, seine Gliedmaßen. Sein After spricht mit der Stimme eines Kindes tiefgründige wie ironische Bibeltexte, der Körper löst sich auf in strömende digitale Bildwelten. D.A.V.E. thematisiert die Manipulation und Neugestaltung des menschlichen Körpers durch Gen-, Bio- und Computertechnologie.

D.A.V.E. spielt mit realen und virtuellen Situationen und der Auflösung der Grenze zwischen diesen beiden Zuständen, morpht zwischen Alptraum, Erlösung und Verwandlung bis zur Auflösung des Körperlichen.

Das Konzept der Performance basiert auf dem gleichberechtigten Einsatz der Medien Video, Musik und Tanz über die Schnittstelle Computer. Ziel war es, eine Bühnenrealität zu schaffen, die inhaltlich und technisch bestehen kann, ohne dass es für das Publikum notwendig ist, über technische Kniffe und verwendete Tools Bescheid zu wissen.

Neuartig an diesem Ansatz ist die Konzentration der Projektionen auf den bewegten Körper unter Vermeidung herkömmlicher Raum- bzw. Screenprojektionen. Man denkt nicht mehr an das Video, es gehört einfach zum Körper dazu. Es ist Teil des Körpers bzw. der Performer ist Teil des Videos. Die Grenzen verschwimmen und werden aufgehoben. Komplexe Computerbearbeitung und die Entwicklung spezieller, vom Tänzer nachvollziehbarer Bewegungssequenzen ermöglichen eine exakte Positionierung der Projektionen auf den bewegten Körper oder auf Körperteile.

Videoprojektion, körperliche Präsenz und akustisches Umfeld verschmelzen so zu einer Symbiose und kreieren eine eigene, neue Wirklichkeit: D.A.V.E. – digital amplified video engine.
… wer kann erkennen, was für den Menschen besser ist in seinem Leben, während der wenigen Tage seines Lebens voll Windhauch, die er wie ein Schatten verbringt.

Das Buch Kohelet, Altes Testament


D.A.V.E. basiert auf einer Idee des Medienkünstlers und Komponisten Klaus Obermaier und wurde gemeinsam mit dem Choreografen und Tänzer Chris Haring entwickelt.