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Ars Electronica 2000
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Notes on small Fish


'Wolfgang Muench Wolfgang Muench / 'Kiyoshi Furukawa Kiyoshi Furukawa / 'Masaki Fujihata Masaki Fujihata

Active Score Music

Die Vorstellung einer synästhetischen Verbindung von Klang und Bild ist ein immer wiederkehrendes Motiv künstlerischer Arbeit und findet in den gegenwärtigen Möglichkeiten der Computertechnologie faszinierende Werkzeuge. Unabhängig voneinander haben sich Masaki Fujihata und Golan Levin mit dieser Problemstellung befasst und u. a. mit Scribble und Small Fish überzeugende Lösungen entwickelt.

Ars Electronica hat die beiden eingeladen, zum ersten Mal die von ihnen entwickelten Installationen und Softwaremodule als digitale Medieninstrumente für eine Konzertperformance zum Einsatz zu bringen.

Scribble kombiniert Elemente von Grafik- und Musiksoftware in dynamischer und ausdrucksstarker Weise und gibt dem Künstler-Musiker-Quartett die Möglichkeit, komponierte wie auch frei improvisierte Musik aufzuführen. Small Fish ist primär ein interaktives Bild, das Musik erzeugt. Bei der Konzertperformance kommt es als digitales Instrument zum Einsatz.

Masaki Fujihata / Kiyoshi Furukawa / Wolfgang Münch
Notes on Small Fish
Die Welt der Abstraktion, die im 20. Jahrhundert von Schönberg in der Musik und von Kandinsky und anderen in der Malerei eingeleitet wurde, kann nun dank der durch die Computertechnologie ermöglichten interaktiven Medien konkrete Gestalt annehmen. Wir sind es mittlerweile gewohnt, uns Musik in Form von Punkten und Linien vorzustellen, aber wir müssen immer noch unsere Fantasie bemühen, wenn wir Musik aus Malerei heraushören wollen. Ja, es geht geradezu darum, die Musik mit Hilfe unserer Fantasie zu antizipieren. Wenn wir beim Musikspielen einen Film über Malerei sehen, kann das unsere Fantasie nur verkümmern lassen.

Das bestimmende Thema dieser Arbeit ist „Interaktion“. Der Semiotik zufolge erfordert das Schaffen von Bedeutung eine Interaktion zwischen mehreren Zeichencodes. Wenn wir einen Raum kreieren können, in dem die von malerischen Elementen wie Punkten, Linien und Farben erzeugte Bedeutung mit der durch Klangfarbe und Tonhöhe von Instrumenten erzeugten interagiert, sollte es möglich werden, eine konkrete Erfahrung vom Raum abstrakter Bedeutungen zu gewinnen und sie schätzen zu lernen. Dabei geht es nicht um eine zerebrale Interaktion, bei der das Gemälde Stück für Stück entschlüsselt wird, wie es vielleicht beim Betrachten eines Bildes geschieht, sondern um das Erfassen der Bedeutung durch direkte Interaktion mit den Bildern. Das Denken folgt nicht auf die Erfahrung, es ist selbst Erfahrung. Dies ist die Hauptvoraussetzung für das interaktive Environment.

Small Fish versucht einen solchen Raum zu schaffen. Die Punkte und Linien auf der Elektronikleinwand des Computers haben etwas von einer musikalischen Partitur, sind aber auch Instrumente zur interaktiven Klangerzeugung.

Anfangs hat der Benutzer vielleicht noch Schwierigkeiten, die verschiedenen Bedeutungen der Symbole auf dem Bildschirm zu verstehen, aber mit der Manipulation derselben werden sie allmählich klarer werden. Und schließlich werden die dadurch erzeugten Geräuschfolgen wie „Musik“ zu klingen beginnen. (Wir wissen jedenfalls, dass unser Gehirn ständig versucht, aus dem Lärm Musik herauszuhören. Die Art, wie jemand Musik zu hören beginnt, ist demnach ein Indikator für seine musikalische Kultur und Bildung.) Die Suche nach Bedeutung ist hier aber komplexer und geht über bloße „Symbole“ mit musikaler Beigabe hinaus. Die Freuden der Bewegung und der Musik gehen im gemeinsamen Voranschreiten ineinander über.

Es wird viel über die unendlichen Möglichkeiten interaktiver Computerkunst geredet. Die freie Kombination einer Fülle von Elementen, heißt es, überrasche uns mit bizarren und unvorhersehbaren Ereignissen. Unter Laborbedingungen mag das alles stimmen, aber es ist etwas ganz anderes, Zufallsereignisse zu erzeugen und sie einem Publikum als Kunst anzubieten. Bei diesem Projekt legten wir größten Wert darauf, den Hintergrund und das Potenzial jedes Elements zu Gunsten der Bedeutungsgenerierung zu isolieren. Die Faszination der mit der Zeit entstehenden Beziehungen ergibt sich aus der außerordentlichen Komplexität, die auch in einem streng eingegrenzten Feld auftreten kann.

Small Fish ist so konzipiert, dass der Benutzer die von Furukawa angebotene musikalische Struktur gerade durch diese Einschränkungen zu begreifen lernt. Wiederholungen, steigende und fallende Tonfolgen, die linke und die rechte Hand auf dem Klavier – lauter klassische musikalische Strukturen – lassen sich aus dem Chaos heraushören. Aber keine noch so aufwendige Manipulation lässt sie zu perfekter Musik gerinnen. Es ist, wie wenn man in einen Bach greift, um mit den Händen einen Fisch zu fangen.

Small Fish wurde 1999 von Cants als Teil der ZKM Digital Arts Edition #3 herausgebracht.
Bei Ars Electronica 2000 wurde eine eigene Performance-Version konzertant aufgeführt.