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Ars Electronica 2000
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Festival 1979-2007
 

 

Ridin´a Train




Bereits zum fünften Mal „reitet“ Ars Electronica (Programm: Wolfgang Fadi Dorninger) auf Schienen durch das Gelände der VA-Stahl in Linz. Die ersten beiden Fahrten mit dem Panoramazug wurden noch als „Geheimpartys“ für Freunde des Festivals abgehalten. Das steigende Interesse führte zu einer Öffnung der Veranstaltung, die, einfach erklärt, dem Motto „Konzert in Bewegung“ folgt. Das Environment: ein vitaler Industriekörper, geschichtsträchtig und wohlstandsbildend. Nach Aural Screenshots feat. James Plotkin, Death Praxis, Pan Sonic und Radian wird heuer Marina Rosenfeld den Zug durch die VOEST „steuern“.

Marina Rosenfeld, eine dreißigjährige Amerikanerin – ausgebildet als Konzertpianistin und Komponistin – arbeitet hauptsächlich mit parallel laufenden Plattenspielern. Sie präpariert Schallplatten, benutzt kleine Sampler und Effektgeräte, um Loops aneinander zu reihen, die sich additiv zusammengemischt wie Wellen auftürmen.

Marina Rosenfeld bewegt sich in einem sehr weiten Bezugsfeld aus Rock, Improvisationsmusik, DJ-Culture, Neuer Musik und Bildender Kunst. „Ich arbeite mit reduziertem, sparsamem Klangmaterial. Da gibt es keine virtuosen elektronischen Stunt-Einlagen. Das Hantieren mit Schallplatten mag zwar auch ein komisches Element haben, im Innersten aber versuche ich, mit einer gewissen Strenge einen kompositorischen Raum zu bauen, in dem man recht einfachen Einzelheiten lauschen kann, in dem die Musik zwischen den Möglichkeiten schwebt.“ (Skug 42/00)

Ihre Fragment Operas bauen auf gut strukturierten Situationen und Improvisationen auf, „vielleicht in einer Art, in der im Barock Stücke musiziert und ornamentiert wurden. So wie Thema und Variation, aber es gibt kein Thema, nur Variation. Von den Fragment Operas existieren dutzende Versionen, es könnten aber tausend sein; extrem verschieden von einander und doch immer eine Fragment Opera“. (Skug 42/00)

Christian Scheib in Skug 42: „Marina Rosenfelds Kunst steht in einer Tradition des Zeitlupenmusizierens, eine Eroberung der Statik zwecks Auflösung des nur vermeintlich Einfachen. Je genauer die Lupe, desto vielschichtiger die Klänge; je langsamer die Belichtung, desto mehr Tiefenschärfe bekommt die Musik. Das Eintauchen in die Klangwelt wird kompositorisch als Angebot formuliert, nicht als Auftrag: die Musik definiert eher den Raum, einen Ort, an dem man sich aufhält, als eine bestimmte Zeitstrecke, durch die man hindurch muss.“

Seit Jahren lebt Marina Rosenfeld in Los Angeles, einem Ort, der sich weniger auf avantgardistische Traditionen in der Musik berufen kann, sondern vielmehr als Drehscheibe von corporate music fungiert. Vielleicht ist das ein Grund für Marina Rosenfeld, extreme Bearbeitungen von Nenas 99 Luftballons oder Rod Stewarts Musik aufzuführen. So geschehen mit dem Ultramagnetic Ultra Amateur Orchestra für neun DJs und 13 Rod- Stewart-Platten, die mit Nagel und Stecknagel präpariert wurden, um spezielle Loops zu erzeugen. Noch wilder scheint es beim Frauen-Orchester „Sheer Frost Orchestra“ abzugehen, wo 17 Frauen elektrische Gitarren mit Nagellackfläschchen bearbeiten. „Ein Aspekt dieser Technik ist, dass die Spielerinnnen die Gitarre niemals selbst berühren, der Kontakt stellt sich allein über das Glas der Flaschen her. Davon leitet sich auch der Name ab – sheer frost, wie Glas oder Eis oder Transparenz“ (Spex 10/99). Die New York Times beschreibt die Aufführung als „keening, wailing, ululating wall of cacaphony“.

Dank an: VA-Stahl, Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe und der Zugcrew