Alforabit
Randbemerkungen zur Themenausstellung Print on Screen
'Heimo Ranzenbacher
Heimo Ranzenbacher
Die Traditionslinie, an der entlang eine Entkoppelung von vermeintlich eindeutigen Sinnund Zeichenzusammenhängen der Sprache vollzogen wurde, ist lang. In der Literatur, die nach diversen narrativen Techniken Handlungen und Geschichten vermittelt, mag die Methode der Travestie – wenn also durch ganze Handlungs- und Erzählebenen mythische Muster schimmern, die den Bedeutungskanon des Erzählten beeinflussen – einen Anfang markieren. Das Wortspiel – vom bloßen Kalauer über die Experimente der russischen Futuristen nach Art Waldimir Majakowskijs, des Dadaismus, beispielsweise von Kurt Schwitters, bis zu den Ausprägungen, in denen es James Joyce auf die Spitze des literarischen Olymp getrieben hat – liefert weitere Assoziationen.
Semantisch zu oszillieren begannen die sprachlichen Zeichen und Buchstaben später in den Arbeiten der Konkreten Poesie, die in der Visuellen Poesie der bildenden Kunst ihre Entsprechungen fanden. Gemeinsam war all diesen Unternehmungen der Rekurs auf die primär physischen Gesten der Piktografie, der Ideografhie und der Buchstabenschrift. Von der Entkoppelung, die sich in dieser flüchtigen Skizze als Sequenz der künstlerischen Moderne wie ein widerständiger, anstrengender Vorgang während nahezu eines Jahrhunderts ausnimmt, wurde dieser Vorgang durch die Möglichkeiten des Computer unverhofft in eine Phase übergeleitet, die der Kunst, der Literatur scheinbar nicht mehr bedurfte. Die Darstellung von Text und Schriftzeichen auf dem Monitor überführte ihre dereinst physischen Gesten in ein flüchtiges Erscheinungsbild, deren Bearbeitung wie Interpretation weniger die Pixel als vielmehr die Bits, durch die ihr Leuchten prozessiert werden, zur Referenz haben. Anders als bei einer etwa auf Papier materiell repräsentierten Schrift mit primär semantischen, also vom Träger unabhängigen Referenzen (Papier bringt kein Wort hervor :-), ist die Referenz eines Wortes, das am Monitor erscheint, auch der Prozessor; dieser vermag Worte, Texte, Schriftbilder sogar zum Sprechen zu bringen. Durch den Computer ist es auch möglich, Worte von ihrer Funktion als semantisches Interface zu entkoppeln. Viele KünstlerInnen teilen die Erwartungen, dadurch vielleicht sogar tiefer in das Universum der Sprache und des Alphabets vorzudringen.
„Die Geschichte des Abendlandes vom Alphabet bis zum Computer“, bemerkt Derrick de Kerckhove, (1) „wird von einem Wortspiel von James Joyce zusammengefasst: ,alforabit‘, was soviel heißt wie ,Alles steckt im Detail‘“. „Alforabit“ könnte auch die Themenausstellung Print on Screen untertiteln. Die im Anschluss näher vorgestellten, im Rahmen des Festivals 2000 präsentierten Installationen befassen sich mit Typografie, Schriftbild und Text als Medium der Interaktion. Das Projekt wird nach dem Festival fortgesetzt und ab Herbst von einer Reihe theoretischer Veranstaltungen begleitet.
(1) Derrick de Kerckhove: Schriftgeburten. Vom Alphabet zum Computer, München 1995 zurück
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