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Festival 1979-2007
 

 

Text Rain


'Romy Achituv Romy Achituv / 'Camille Utterback Camille Utterback

Text Rain ist eine spielerische, interaktive Installation, die die Grenze zwischen Vertrautem und Magischem verschwimmen lässt. Besucher der Text Rain-Installation benützen ihren vertrauten Körper für scheinbar Magisches – zum Auffangen herabfallender Buchstaben, die nicht wirklich existieren, um mit ihnen zu spielen. In der Text Rain-Installation steht oder bewegt sich der Besucher vor einer großen Projektionswand, auf der er sich als gespiegelte schwarz-weiße Videoprojektion mit einer Farbanimation von herabfallendem Text sieht. Der Text scheint wie Regen oder Schnee auf Kopf und Arme des Besuchers zu fallen. Der Text reagiert auf die Bewegungen des Besuchers und kann aufgefangen, hoch gehoben und wieder fallen gelassen werden. Der herabfallende Text „landet“ auf allem, was einen bestimmten Schwärzungsgrad hat, und „fällt“, sobald das Hindernis entfernt wird.

Sammelt ein Besucher genügend Buchstaben auf seinen ausgestreckten Armen oder auf der Silhouette eines dunklen Objekts, kann er bisweilen ein ganzes Wort oder sogar eine Phrase auffangen. Die Buchstaben fallen nicht zufällig, sondern sind Zeilen eines Gedichts über Körper und Sprache. Während die Buchstaben einer Gedichtzeile zu Boden gleiten, verblassen sie und werden von oben durch andersfärbige Buchstaben der nächsten Zeile ersetzt. Falls überhaupt möglich, ist das „Lesen“ des Gedichts in Text Rain für den Besucher eher eine physische als eine intellektuelle Anstrengung.

Text Rain verbindet das Verhalten abstrakter, virtueller Symbole mit den physischen Bewegungen menschlicher Körper. Der physische Dialog in Text Rain ist bestens vertraut. Die herabfallenden Buchstaben reagieren auf die Bewegungen der Besucher wie Regen oder Schnee. Einigen Besuchern ist das Gefühl dieses Dialogs so vertraut, dass sie tatsächlich behaupten, das Auftreffen der virtuellen Buchstaben auf ihren Schultern und Armen zu „spüren“.

Es ist faszinierend, wie leicht wir diese physische Beziehung hinnehmen, selbst wenn sie sich über das Nichts ins Virtuelle spannt. Beim Übergang ins Virtuelle verwandelt sich die Beziehung zwischen Körper und fallenden Objekten von einem rein physischen Dialog in eine Konversation zwischen einem realen und einem imaginären Raum. Konversationen zwischen realen und imaginären Räumen sind nichts wirklich Neues. Die Sprache selbst ist eine virtuelle Welt – ein System abstrakter Klänge und Symbole mit einer Text genannten visuellen Darstellung. Wir manipulieren diesen abstrakten Symbolraum Sprache sowohl physisch – durch Mund und Hände – als auch mental – durch unsere Gedanken. Text Rain frustriert unsere intuitive mentale Sprachmanipulation. Um den herabfallenden Text lesen zu können, muss der Betrachter es verstehen, seinen Körper und seinen Geist einzusetzen. Besucher, die den herabgleitenden Text lesen wollen, werden ihren eigenen Weg dazu finden. Einige bleiben ruhig stehen, andere bewegen sich schnell hin und her. Einige Besucher erhaschen einzelne Wörter, andere arbeiten zusammen, um auf zwischen ihnen gespannten Schals oder Kleidungsstücken ganze Zeilen aufzufangen. Der herabfallende Text der Installation entstammt einem Gedicht über Körper, Sprache und Konversation. Der wahre „Inhalt“ der Installation ist jedoch der persönliche Prozess des Entdeckens und Spielens jedes Besuchers, der damit seine eigene Konversation mit der Installation eingeht.