www.aec.at  
Ars Electronica 1999
Festival-Website 1999
Back to:
Festival 1979-2007
 

 

Biotechnologie & Gentechnik: Juridische und politische Fragen


'R. V. Anuradha R. V. Anuradha

Einige Erklärungen vorab
Wie in jeder anderen Wissenschaft dürften Fortschritt und Entwicklung in der Biotechnologie auf Wissensdurst und den Wunsch nach besserem Verstehen des Lebens zurückgehen. Die sich rapide entwickelnde Biotechnologie hat im Laufe ihrer Geschichte – und heute mehr denn je – Fragen nach der Grenze zwischen dem Fortschritt einer wissenschaftlichen Disziplin und den Implikationen ihrer Kommerzialisierung für die Gesellschaft sowie den ökologischen Implikationen einer solchen Technologie aufgeworfen. Dies lässt sich kaum besser als mit Dorothy Nelkins Worten ausdrücken: “Die Biotechnologie wirft dieselben Probleme wie die Atomkraft auf. Die Gefahren sind unsichtbar und es bleibt eine Ungewissheit, welche gesundheitlichen Folgen eine langfristige Einwirkung bei geringer Dosierung hat” (Nelkin, 1993).

Dennoch bietet eine derartige Technologie einige sehr signifikante Vorteile, und zwar nicht nur in dem Sinne, dass wir unsere Umwelt besser verstehen lernen, sondern auch was die Anwendung dieses Wissens zu Gunsten des Lebens und der Gesundheit der Menschen betrifft. Gleichzeitig ist die Biotechnologie wie jede andere Technologie eine bedeutende Quelle öffentlicher Macht in der modernen Gesellschaft und wirft wichtige Fragen in Bezug auf Nutzungsrechte, Kontrolle und die Beteiligung an ihrer Anwendung auf. Den Diskussionen über die Technologie, ihre Kapazität, was sie kann und was nicht, was sie bewirken sollte und was nicht, stehen auf der anderen Seite Debatten über die Fähigkeiten, Möglichkeiten und Rechte der Betroffenen gegenüber (Feenberg, 1995). Kloppenburg untersucht dies anhand der Biodiversität in der Landwirtschaft, indem er hinterfragt, ob die Mehrzahl der Produzenten in der Dritten Welt tatsächlich vom Zugang zu modernen Zuchtlinien und sonstigem exklusivem Keimplasma, wie sie von kommerziellen Saatgutherstellern in den Industrieländern entwickelt wurden, profitieren werden. Ein solcher Zugang könnte auch einfach die Prozesse sozialer Differenzierung unter den bäuerlichen Produzenten verstärken, die globale Entwicklung von Faktormärkten erleichtern, die Zerstörung der Umwelt beschleunigen und die technologische Abhängigkeit zwischen den Nationen verstärken (Kloppenberg, 1988).

Dieser Beitrag möchte weder ein Urteil über die Entwicklung der Biotechnologie abgeben noch versucht er, die unzähligen Fragen zu diesem Thema vollständig abzudecken. Es sollen vielmehr einige Punkte als Anregung für weitere Überlegungen genannt werden, die sich gegenwärtig im Bereich der landwirtschaftlichen Biotechnologie herauskristallisieren.
Einige Beispiele

Der Fall “Roundup”
Monsantos Herbizid “Roundup” enthält als aktiven Bestandteil Glyphosphat, ein Breitbandherbizid, das jegliche damit behandelte Pflanze zerstört. Es wurde behauptet, Glyphosphat besitze die Eigenschaft, sich eng an die dem Wirkstoff ausgesetzten Erdpartikel zu binden. Dies, so heißt es, verhindere eine Verbreitung des Produkts über den behandelten Bereich hinaus, weshalb die “Nebenwirkungen” minimal seien. Nun gibt es Behauptungen dafür wie auch dagegen. In der Praxis wenden die Landwirte Roundup normalerweise an, bevor die Pflanzen aus der Erde sprießen, während im späteren Verlauf des Pflanzenwachstums andere Unkrautvertilgungsmittel eingesetzt werden. Monsantos Patent auf Roundup läuft im Jahr 2000 aus. Monsanto hat allerdings eine Marktnische für gentechnisch veränderte, gegen Roundup resistente Kulturpflanzen geschaffen. Am bekanntesten sind die Roundup Ready (RR)-Sojabohnen.

Wer RR-Sojabohnen kaufen möchte, muss zuvor einen Vertrag (den so genannten “Grower's Contract”) unterzeichnen, der den Landwirten bestimmte Einschränkungen auferlegt, wie z. B. dass die Sojabohnen nur eine Saison lang angebaut werden und geerntete Produkte nicht zum Zweck des Wiederverkaufs, der Wiederaussaat oder zu Forschungszwecken aufbewahrt werden dürfen. Der Vertrag lässt nur den Einsatz des Roundup-Glyphosphats zur Behandlung der Sojabohnenkulturen zu. Zur Überprüfung der Einhaltung der Vertragsbedingungen müssen sich die Bauern, die einen solchen Vertrag eingehen, verpflichten, Inspektionen durch Vertreter von Monsanto zuzulassen. Bei Nichteinhaltung drohen saftige Vertragsstrafen (GRAIN, 1997).

Eines der Argumente für RR-Sojabohnen war, dass dadurch der Einsatz von Unkrautvertilgungsmitteln sinken würde. Dem amerikanischen Landwirtschaftsministerium (USDA) zufolge hat jedoch der verstärkte Anbau von Roundup-Ready-Sojabohnen in den USA den Einsatz von Glyphosphat bei Sojabohnen um 72 Prozent gesteigert. Das USDA berichtet ferner über einen 29-prozentigen Anstieg des Gesamtherbizidverbrauchs bei Sojabohnen. Die Verwendung von RR-Sojabohnensorten wurde außerdem als eine der möglichen Ursachen für den Ausbruch des Sudden-Death-Syndroms bei Sojabohnen in einigen US-Bundesstaaten genannt, da RR-Sojabohnen dieser Erkrankung gegenüber nicht sehr widerstandsfähig sind (GRAIN, 1997).
Der Fall Bt
Der Bacillus Thrunginiensis (Bt) ist ein natürlich vorkommendes, für bestimmte Insekten tödliches Bodenbakterium, das in der organischen Landwirtschaft als traditionelles Pestizid eingesetzt wurde. Natürliches, gentechnisch nicht verändertes Bt wurde von den Bauern vielfach in Spritzmitteln verwendet, um im Bedarfsfall Schädlinge zu vernichten. Das Bakterium wurde als perfektes Pestizid gepriesen, da es – ohne schädliche Auswirkungen für Säugetiere, Vögel, die meisten harmlosen Insektenarten oder die Mikrofauna – spezifisch gegen bestimmte Schädlinge eingesetzt werden kann. Bt-Spritzmittel hinterlassen auf Feldfrüchten oder Bäumen keinen giftigen Rückstand und werden durch Sonnenlicht und die Umwelt innerhalb einer Woche nach dem Ausbringen problemlos abgebaut.

Neueren Studien aus den Vereinigten Staaten zufolge verwenden schätzungsweise 57 Prozent aller Biobauern häufig, gelegentlich oder als letzte Möglichkeit zur Schädlingsbekämpfung ein Bt-hältiges Blattspritzmittel (zitiert nach Plaint, 1999). Auf Grund der Wirksamkeit und Sicherheit von Bt-Blattspritzmitteln im Vergleich zu den dadurch ersetzten Pestiziden ist Bt ein sehr bedeutsames Pestizid.

Die Biotechnologie hat durch die Entwicklung gentechnisch veränderter Bt-Pflanzen das Potenzial von Bt noch ein wenig vergrößert. Wirken die Pflanzen selbst als Bt-Pestizid, müsste der Einsatz anderer Pestizide sinken. Die Kontroverse um die Bt-Pflanzen fußt jedoch darauf, dass der umfangreiche Einsatz derartiger Pflanzen nachweislich ökologische Konsequenzen hat, die nicht außer Acht gelassen werden dürfen. So haben die Bt-resistenten einen biologischen Vorteil gegenüber den normal empfindlichen Insekten einer Population, was rascher zum vermehrten Auftreten Bt-resistenter Schädlinge führt. Das Internationale Reisforschungsinstitut (IRRI) hat Bt-Reis entwickelt und bekennt sich in einer Broschüre zum Problem der Bt-Resistenz: “Wie bei allen Insektiziden werden die Schädlinge früher oder später auch gegen die Bt-Toxine resistent sein. Eine Vorhersage, wie lange Bt-Reis wirksam sein wird, ist nicht möglich, doch kann die Entwicklung einer Resistenz gegenüber Bt-Toxinen unter den Schädlingen durch eine sorgfältige Entwicklung der Bt-Reispflanzen und den Einsatz adäquater Strategien in Bezug auf die Aussetzung dieser Pflanzen verlangsamt werden” (GRAIN, 1998).

Die Kommerzialisierung des traditionellen Bt-Biopestizids wird hauptsächlich deshalb kritisiert, weil der massenhafte und planlose Einsatz des Pestizids den Insekten nur noch größere Chancen bietet, eine Resistenz gegen die Bt-Toxine zu entwickeln, wodurch jede Möglichkeit zunichte gemacht wird, dieses Biopestizid auf traditionelle, nachhaltige Art und Weise einzusetzen.

Einige interessante Fakten über gentechnisch veränderte Bt-Pflanzen, die in einer im März 1999 im US-Bundesbezirksgericht von Columbia eingebrachten Klage erläutert werden, verdienen ernsthafte Beachtung. Die Klage wurde von mehreren Biobauern und NGOs gegen die amerikanische Umweltschutzbehörde EPA eingebracht, die eine Beschwerde gegen die von der EPA zugelassene Eintragung gentechnisch veränderter Bt-Pflanzen führen. Dieser Klage zufolge stellen derartige Pflanzen bestimmte neue und bisher einzigartige Umwelteinflüsse dar, die der Einsatz natürlicher Bt-Blattspritzmittel nicht impliziert. Diese Einflüsse umfassen unter anderem das vermehrte Entstehen verschiedener gegen Bt-Blattspritzmittel resistenter Insektenarten, eine direkte Schädigung von Nutzpflanzen und nützlichen Insektenpopulationen auf Grund der Einwirkung neuer, einzigartiger Typen von Bt-Toxinen sowie die Übertragung der gentechnisch veränderten Bt-Eigenschaften auf nicht genmanipulierte Kulturpflanzen und Unkraut (Plaint, 1999).

In der Klage wird darauf hingewiesen, dass im allgemeinen Schädlinge dem Einsatz von Bt als Biopestizid gegenüber deshalb empfindlich sind, weil die Schädlinge über bestimmte Gene verfügen, die eine Sensibilität gegenüber bestimmten vom Bt erzeugten Toxinen verleihen. Die Verbreitung gentechnisch veränderter Bt-Pflanzen hingegen werde zu einem selektiven Evolutionsdruck führen, auf Grund dessen die Schädlinge ihre “Sensibilitäts”-Gene verlieren und in der Folge in der Population Resistenzgene statt der Sensibilitätsgene vorherrschen würden. Dies würde innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne (zwei bis zehn Jahre) bei den wichtigsten Schädlingen zur Entwicklung einer Resistenz gegenüber verschiedenen Bt-Toxinen führen, wie dokumentierte Studien über eine derartige Resistenz beim europäischen Kornbohrer und beim Colorado-Kartoffelkäfer zeigen. Infolge dessen würden Bt-Blattspritzmittel unwirksam, wodurch die organische wie auch die konventionelle Landwirtschaft einer Möglichkeit zur Schädlingsbekämpfung beraubt werde. Dies hätte signifikante wirtschaftliche Auswirkungen auf zahlreiche kleine biologische Landwirtschaftsbetriebe. Zusätzlich würde der Verlust von Bt zahlreiche Bauern zwingen, wieder auf die herkömmlichen synthetischen Insektizide zurückzugreifen. Zur Bekräftigung dessen wird in der Klage auch auf die zahlreichen von der Regierung finanzierten Berichte verwiesen, wonach Strategien zur Resistenzkontrolle erforderlich sind, um die Entwicklung einer Bt-Resistenz infolge des kommerziellen Einsatzes gentechnisch veränderter Bt-Pflanzen zu verlangsamen (Plaint, 1999).
Terminator- und Traitor-Technologien
Die “Terminator”-Technologie bedient sich eines gentechnischen Ansatzes, um das unerwünschte Keimen von Saatgut zu verhindern. Im Wesentlichen wird die Pflanze am Ende der ersten Saison unfruchtbar, wodurch die Bauern gezwungen sind, zum Anbau einer bestimmten Pflanze jedes Mal auf den kommerziellen Saatgutmarkt zurückzugreifen.

Die Befürworter dieser Technologie bestehen auf deren Vorteilen, dass etwa (1) die Entwicklung von Kulturpflanzen für Minderheitenanwendungen und Randgebiete gefördert werde. (2) Eigentümer wertvoller geschützter Charakteristika würden diese eher kommerziell nutzen lassen, da Diebstahl oder Wiederverwendung ausgeschlossen sind. Außerdem würde (3) der Gebrauch qualitativ hochwertigeren, reineren Saatguts gefördert und (4) dem “Auswachsen” gegen Ende der Saatperiode, das eine Wertminderung bedeutet, ein Ende gesetzt.

Traditionelle Bauern geben jedoch zu bedenken, dass diese Argumente einen Mangel an Verständnis für die Landwirtschaft in vielen Ländern der Dritten Welt zeigen, wo bereits eine enorme Vielfalt an Saatgut vorhanden ist, die durch Forschung und Gebrauch im täglichen Leben vieler Gemeinschaften entstanden ist und noch entsteht. Eine derartige Innovation könne nicht durch Eigenschaften unterminiert und zunichte gemacht werden, die eingeführt werden, um die Natur des Lebens selbst zu kontrollieren und Abhängigkeit zu schaffen, indem man den Bauer zwingt, jedes Jahr wieder auf das Angebot des Saatgutmarktes zurückzugreifen. Es wäre zu einfach zu behaupten, niemand werde zum Kauf von Saatgut mit derart veränderten Eigenschaften gezwungen und jeder hätte schließlich die freie Wahl. Das wäre ein naives Argument, das die Macht der Großkonzerne und der Marktstrategien außer Acht lässt. Der Staat als regulierendes Element und als politischer Entscheidungsträger wäre deshalb gefordert, einige sehr klare Entscheidungen zu treffen.

Unter “Traitor”-Technologie versteht man im Wesentlichen eine Technologie, die natürliche Funktionen der Pflanzen deaktiviert, die daraufhin nur durch Behandlung mit gewissen Chemikalien in Gang gesetzt werden können. Das Unternehmen Novartis, das sich diese Technologie patentieren hat lassen, soll erklärt haben, es handle sich um eine “Inaktivierung der endogenen Regulation”, sodass “Gene, die im nativen Zustand reguliert werden, bei der gentechnisch veränderten Pflanze ausschließlich durch die Anwendung eines chemischen Regulators reguliert werden können” (RAFI, March 1999). Zu den Genen, die Novartis auf diese Weise steuern kann, gehören unter anderem patentierte SAR-Gene (Systematic Aquired Resistance, systematisch erworbene Resistenz), die ausschlaggebend für die Fähigkeit der Pflanze sind, Infektionen durch verschiedene Viren und Bakterien abzuwehren. Diese Technologie würde also eine Situation schaffen, in der der Bauer nicht nur gezwungen ist, das Saatgut vom Hersteller zu kaufen, sondern darüber hinaus auch den chemischen Aktivator erwerben muss. Die Auswirkungen dieser chemischen Substanz auf das Erdreich, seine Fruchtbarkeit und auf die Pflanzen sind Fragen, die bislang noch offen sind. Der “Vorteil” einer solchen Technologie für den Bauer ist nur schwer vorstellbar. Die Traitor-Technologie ist ein eindeutiges Beispiel für eine nicht wünschenswerte Entwicklung der Biotechnologie. Sie verleiht dem Hersteller nämlich die volle Macht über die Existenz einer Pflanze, für die der Bauer das Saatgut bereits erworben hat.
Einige Überlegungen
a)
Die Kommerzialisierung gentechnisch veränderter Pflanzen bringt ernsthafte Umweltrisiken mit sich. Außerdem besteht weitgehend Übereinstimmung darüber, dass mit diesen Pflanzen auch bislang unbekannte Gefahren einhergehen. Gleichzeitig ist ihr Einsatz sehr verlockend, da sie größere Produktivität und einen geringeren Einsatz von Pestiziden versprechen. Die Marketingstrategien der an diesem Prozess beteiligten Firmen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle, wobei diesen ein Mangel an informierter Diskussion über die langfristigen Implikationen des Einsatzes gentechnisch veränderter Pflanzen gegenübersteht. In Entwicklungsländern wie Indien kommt zum Faktor der Fehlinformation und des auf Grund von Unwissenheit falschen Einsatzes genmanipulierter Pflanzen die Existenz einer riesigen, von der Landwirtschaft abhängigen Wirtschaft, deren Mitglieder größtenteils Analphabeten sind.

Deshalb kommt den regulierenden Behörden, die Genehmigungen und Freigaben für derartige Pflanzen erteilen, eine enorme Verantwortung zu. Der “Vorsorgeansatz” hat sich in der internationalen Umweltgesetzgebung als wichtiger Begriff herauskristallisiert, wenn es um die Behandlung unvorhersehbarer ökologischer Implikationen geht. Die wesentlichen Grundsätze dieses vorsichtigen Ansatzes sind in Grundsatz 15 der Deklaration von Rio (UN Doc. A/CONF.151/5) sowie in der Präambel der Biodiversitätskonvention (UN Doc.A/CONF.151/26) festgehalten, die beide anlässlich des Umweltgipfels im Jahr 1992 verabschiedet wurden. Sie besagen im Wesentlichen, dass wo immer die Gefahr einer ernsthaften oder irreversiblen Schädigung oder die Gefahr einer signifikanten Verringerung oder eines Verlustes der Biodiversität besteht, ein Mangel an vollständiger wissenschaftlicher Gewissheit nicht Anlass dazu geben darf, kosteneffiziente Maßnahmen zur Verhinderung von Umweltschäden oder zur Vermeidung oder Minimierung derartiger Gefahren aufzuschieben.

Die Konsequenz dieses Grundsatzes würde im Wesentlichen darin bestehen, dass die möglichen Auswirkungen einer gentechnisch veränderten Pflanze vor und nicht nach ihrer Genehmigung zur kommerziellen Nutzung untersucht werden müssen. Jedoch selbst der Erfolg eines solchen Ansatzes wäre beschränkt, da kaum damit zu rechnen ist, dass in der näheren Zukunft hinreichend Klarheit über die Dynamik der Ökosysteme bestehen wird, sodass auch dieser Aspekt der Umweltbeeinflussung mit einiger Sicherheit prognostiziert werden könnte. Die Auswirkungen auf gefährdete Arten sind ein besonders wichtiger Punkt, der vom Gesetz jedoch nicht adäquat berücksichtigt wird.

Gesetze zur Biotechnologie basieren für gewöhnlich auf einer Risikoeinschätzung. Es bestehen jedoch unweigerlich Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Risikoschwellen und des Grads an Ungewissheit, der dabei zulässig sein soll. Außerdem sind die vom Gesetz oder den regulierenden Behörden vorgeschlagenen Resistenzmanagementstrategien oft entweder inadäquat oder lassen in puncto Umsetzung zu wünschen übrig. Im Fall der Bt-Pflanzen beispielsweise besteht Übereinstimmung darüber, dass es erforderlich ist, neben den gentechnisch veränderten unbedingt Bt-Toxin-freie Pflanzen anzubauen. Diese Rückzugsgebiete würden den toxinfreien Arten erlauben, zu überleben und ihre Gene an die nächste Generation weiterzugeben. Allerdings wurde dies bei der Kultivierung von Bt-Pflanzen nicht immer berücksichtigt.

b)
Ein weiterer zu berücksichtigender Aspekt ist das Fehlen einer obligatorischen Kennzeichnung gentechnisch veränderter Pflanzen sowie der daraus hergestellten Produkte, die die wichtige Unterscheidung zwischen genmanipulierten und natürlichen Pflanzen ermöglichen würde. Eine solche Kennzeichnung wird vom Gesetz heute nicht zwingend vorgeschrieben. So müssen beispielsweise Produkte aus Bt-Pflanzen nicht mit einer Pestizid-Kennzeichnung versehen werden. Auch bei den Roundup-Ready-Sojabohnen gibt es keine Verpflichtung zur Kennzeichnung der gentechnisch veränderten Erzeugnisse. Infolge dessen hat der Konsument keine Möglichkeit, eine mündige Auswahl zu treffen.

c)
Die Kommerzialisierung gentechnisch veränderter Sorten könnte eine Bedrohung für die Vielfalt an Kulturpflanzen darstellen. Die von Bauern auf der ganzen Welt angebauten traditionellen Züchtungen stellen eine reiche Quelle genetischer Vielfalt dar. Nicht alle diese Züchtungen wurden kartiert und dokumentiert. Mit der Einführung gentechnisch veränderter Pflanzen besteht jedoch die Gefahr einer Ausbreitung von Monokulturen, was ernsthafte Auswirkungen auf die Biodiversität hätte. Ebenso könnten aus denselben Gründen spezifische Eigenschaften wie etwa die Resistenz gegen Krankheiten verloren gehen.

Die Union of Concerned Scientists, eine gemeinnützige internationale Organisation mit Sitz in den USA, schrieb 1993 in ihrem Bericht, dass die genetische Vielfalt bei den Kulturpflanzen bereits erstaunlich rasch abnimmt, weil Bauern auf der ganzen Welt dazu überredet werden, die zahlreichen in der Vergangenheit angebauten Arten zu Gunsten einer relativ geringen Anzahl moderner Züchtungen aufzugeben. Außerdem würden künftig teure transgene Pflanzen, für die im Allgemeinen zur Amortisation der Forschungskosten große Märkte geschaffen werden müssen, diese Tendenz noch verstärken (The Union of Concerned Scientists, 1993).

d)
Auch die zu bedenkenden militärischen Implikationen der Biotechnologie sind nicht von der Hand zu weisen. Die in Zusammenhang mit biologischen Wirkstoffen verwendeten Technologien, Einrichtungen und Materialien können jeweils in zweifacher Hinsicht eingesetzt werden. Wie ein Kommentator betonte, besteht das häufigste Täuschungsmanöver darin, einem Rüstungsprogramm dienende Einrichtungen inmitten der Bio-Industrie eines Landes zu verbergen. Eine permanente Überwachung jener doppelt nutzbaren Einrichtungen eines Landes ist deshalb einer der Kernpunkte einer effizienten Vorgangsweise, um sicherzustellen, dass der Einsatz biologischer Wirkstoffe nicht als Vorwand für die Entwicklung biologischer Waffen benutzt wird.

e)
Ein weiterer kontroversieller Punkt sind die geistigen Eigentumsrechte an biotechnologischen “Erfindungen”. Die Grundsätze der EU-Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen besagen, dass die Vorteile eines Schutzes von Biotechnologie und Gentechnik unter anderem die Entwicklung umweltfreundlicherer und wirtschaftlicher Anbaumethoden sowie Verbesserungen in Bezug auf die Bekämpfung großer Epidemien, endemischer Erkrankungen und des Hungers auf der Welt umfassen.

Das “Recht des Züchters” ist eine weitere Art von geistigem Eigentumsrecht, das für einen gewissen Zeitraum ein Monopol auf die Vermarktung einer bestimmten Saatgutzüchtung gewährt. Damit sollen den kommerziellen Züchtern Anreize geboten werden.

In Zusammenhang mit den geistigen Eigentumsrechten ergeben sich allerdings einige Probleme: (1) Natur und Ökosysteme werden als Rohstoffe betrachtet, die man einer “Innovation” unterziehen und auf die man sich dann Monopolrechte sichern kann. (2) Es gibt ethische Einwände gegen die Patentierung von Leben selbst. (3) In Bezug auf die Tatsache, dass Monopolansprüche auf Lebensformen die Biodiversität zunichte machen könnten, sind auch ökologische Überlegungen anzustellen. Außerdem könnten gentechnische Veränderungen, sofern nicht strengstens reguliert, zu ernsthaften Störungen des ökologischen Gleichgewichts führen. (4) Die Privatisierung und die Gewährung von geistigen Eigentumsrechten auf Elemente dieser Biodiversität könnte am Ende das Konzept der “Nachhaltigkeit” ungültig machen. (5) Die Gewährung von geistigen Eigentumsrechten auf gentechnisch veränderte Arten hätte ernsthafte Implikationen für die Rechte landwirtschaftlich ausgerichteter Gemeinschaften auf der ganzen Welt, die durch viele Jahre permanenter Beobachtung sowie durch ihre Fertigkeiten und Anstrengungen unendlich wertvolles Wissen und gleichzeitig eine unschätzbar wertvolle Sammlung unterschiedlicher Saatgutzüchtungen zusammengetragen haben. In Konflikt dazu würden die geistigen Eigentumsrechte stehen, da sie in diese informelle Methode der Innovation und Selektion eingreifen.

f)
Ein weiteres wichtiges Problem in Zusammenhang mit der Biotechnologie ist die Tatsache, dass diese sich oft das Wissen, die Innovationen und die Verfahrensweisen der lokalen und indigenen Gemeinschaften auf der ganzen Welt aneignet. Die vielfältigen Eigenschaften und Nutzungsmöglichkeiten des Neem-Baums (Azadirachta indica) sind den Indern beispielsweise schon seit Jahrhunderten bekannt. Jetzt hat W.R. Grace Patente auf die insektiziden, für Menschen atoxischen und biologisch abbaubaren Eigenschaften des Neem-Baums angemeldet, die den Indern bereits zuvor bekannt waren und von diesen genutzt wurden. Dieses Beispiel wie auch viele andere, zusammengefasst unter dem Begriff der “Biopiraterie”, haben zu sehr ernsthaften Diskussionen über den Begriff der “Innovation” und der “neuen und erfinderischen Schritte” geführt, die die Grundlage jedes Patents darstellen. Die Tatsache, dass das Wissen lokaler und indigener Gemeinschaften nicht in einem “modernen wissenschaftlichen Labor” entstanden ist, sondern seine eigene rationale, wissenschaftliche Basis hat, hatte keinen Einfluss auf die Biotechnologie und die geistigen Eigentumsrechte auf Biotechnologie. Dass die moderne wissenschaftliche "Innovation" oft auf dem Wissen lokaler und indigener Gemeinschaften beruht, hat bis vor kurzem zu keinerlei ernsthaften Debatten Anlass gegeben.

In der anlässlich des Umweltgipfels im Jahr 1992 verabschiedeten Biodiversitätskonvention wird die Notwendigkeit, das Wissen, die Innovationen und Verfahren der lokalen und indigenen Gemeinschaften anzuerkennen und zu schützen, speziell vermerkt. Die Länder sind gegenwärtig dabei, ihre Gesetze zur Regulierung des Zugangs zu genetischen Ressourcen zu formulieren und sicherzustellen, dass daraus Profit geschlagen werden kann.

g)
Ein weiterer signifikanter Aspekt ist die Notwendigkeit von Richtlinien für die biologische Sicherheit. Die einzelnen Nationen haben heute im Normalfall Behörden, die Vorschläge zur Nutzung von Biotechnologie evaluieren. Der Grad an Fähigkeiten, Transparenz und öffentlicher Beteiligung an der Entscheidungsfindung variiert jedoch.
Das Protokoll zur biologischen Sicherheit unter der Biodiversitätskonvention (CBD)
Auf internationaler Ebene läuft die Diskussion über die Regulierung der grenzüberschreitenden Verbreitung gentechnisch veränderter Lebewesen nun schon seit geraumer Zeit. Dies war auch eines der umstrittensten Themen anlässlich der Sitzungen der Konferenz der Mitglieder der Biodiversitätskonvention.

Bei der vierten Konferenz der Mitglieder der CBD wurde eine Entscheidung getroffen, derzufolge das Protokoll zur biologischen Sicherheit bis Anfang 1999 fertig gestellt und verabschiedet werden sollte. Dies war jedoch nicht möglich, weil einige Länder der Ansicht sind, dass die Biotechnologie die Technologie der Zukunft sei und eine Überregulierung die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt gefährden würde. Eine Gruppe von sechs weizenexportierenden Ländern (die so genannte Miami-Gruppe), die von der Biotechnology Industry Organisation unterstützt wird, hat bei den meisten strittigen Punkten des Protokolls eine äußerst unflexible Position beibehalten.

Die skandinavischen Länder andererseits bestanden auf einem Vorsorgeansatz. Vielen Entwicklungsländern ist es ein Anliegen, in das Protokoll adäquate Sicherheitsmaßnahmen, ein System der Verantwortlichkeit und der Entschädigung für Schäden auf Grund der grenzüberschreitenden Bewegung von gentechnisch veränderten Lebewesen (LMO) sowie bessere Möglichkeiten, Anliegen der biologischen Sicherheit zu behandeln, aufzunehmen.

In der Entscheidung der Konferenz der Mitglieder der CBD, die den Anstoß zur Verfassung des Protokolls gab, ist der Umfang des vorgeschlagenen Protokolls so definiert, dass es sich auch auf grenzüberschreitende Bewegungen durch moderne biotechnologische Methoden erzeugter LMOs erstrecken soll, die “unter Umständen negative Auswirkungen auf die Erhaltung und Nachhaltigkeit der Biodiversität haben könnten”.

Der Entwurf des Protokolls zur biologischen Sicherheit enthält ähnliche Formulierungen. Was jedoch als “negative Auswirkung auf die Erhaltung und Nachhaltigkeit der Biodiversität” gilt und wie solche Auswirkungen festgestellt werden sollen, wird nicht behandelt. Ein weiterer strittiger Punkt ist die Frage, ob das Protokoll sich nur auf LMOs oder auch auf daraus hergestellte Produkte beziehen soll.

Das Protokoll sieht vor, dass von Mitgliedern abgeschlossene Vereinbarungen oder Verträge mit den Zielsetzungen des Protokolls in Einklang stehen müssen und nicht zu einem geringeren Ausmaß an Schutz als im Protokoll vorgesehen führen dürfen. Weiters müssen die Mitglieder das Biosafety Clearing-House über jegliche Vereinbarungen oder Verträge in Kenntnis setzen, die vor oder nach dem Inkrafttreten des Protokolls eingegangen wurden, wobei die Bestimmungen des Protokolls grenzüberschreitende Bewegungen, die auf Grund derartiger Verträge zustande kommen, nicht beeinflussen.

Das Protokoll empfiehlt ein Verfahren für ein Advance Informed Agreement (AIA) zwischen den Unterzeichnerstaaten des Protokolls, d. h. eine Vereinbarung über die vorherige Ankündigung jeglichen Transfers von Biotechnologie und/oder LMOs. Es bestehen jedoch Meinungsverschiedenheiten darüber, ob dieses AIA-Verfahren auf alle LMOs anzuwenden ist oder ob risikoarme LMOs davon ausgenommen sein sollten.

Anlässlich der Konferenz in Cartagena erklärten mehrere der Industrieländer, nur LMOs, die für die Freisetzung in die Umwelt vorgesehen sind, sollten einem derartigen AIA-Verfahren unterworfen sein, während für den Verzehr durch Mensch oder Tier vorgesehene LMOs keine signifikante Gefahr für die Biodiversität darstellten und deshalb anderen Bestimmungen unterliegen sollten. Einige Delegierte betonten, dass die Länder das Recht hätten, strengere Maßnahmen einzuführen. Viele Entwicklungsländer waren der Ansicht, alle LMOs sollten ungeachtet ihres vorgesehenen Zwecks den AIA-Verfahren unterliegen, da sie unbeabsichtigt während des Transports und der sonstigen Handhabung entkommen könnten. Viele Entwicklungsländer waren auch gegen den Vorschlag der Industrieländer, eine Risikodifferenzierung zwischen LMOs für die Freisetzung und LMOs für den Verzehr in Form von Nahrungsmitteln, Futtermitteln oder für eine sonstige Verarbeitung einzuführen und schlugen stattdessen vor, alle LMOs dem AIA-Verfahren zu unterwerfen.

Eine nähere Betrachtung der Konferenzen in Zusammenhang mit dem Protokoll für die biologische Sicherheit zeigt deutlich, wie die politischen Positionen die Entscheidungen über die Umwelt beeinflussen und wie sehr die Macht der Bio-Industrie ihrerseits diese Positionen beeinflusst.
Schlussfolgerungen
Die Frage zur Regulierung der Entwicklung der Biotechnologie lautet: Aus welchen Gründen und nach welchen Grundsätzen sollte bei der Regulierung eine Grenze gezogen und ein gesetzlicher Rahmen für die Biotechnologie geschaffen werden? Wie kann ein gesetzlicher Rahmen entwickelt werden, der jene Ereignisse effizient zu regulieren und kontrollieren imstande wäre, die von einer Technologie ausgelöst wurden bzw. werden, die angeblich der Menschheit wie keine andere dienlich ist, aber gleichzeitig die Möglichkeit besitzt, den schlimmsten Alptraum der Menschheit wahr werden zu lassen: Nahrungsmittel und sonstige natürliche Ressourcen in die Hände einiger weniger zu legen und die Veränderung der natürlichen Lebensprozesse so weit einigen wenigen anzuvertrauen, dass diese das Leben selbst kontrollieren können. Denn wer versucht, pflanzliches Leben zu kontrollieren, der versucht damit gleichzeitig, die gesamte Nahrungskette zu kontrollieren. Wir dürfen nicht vergessen, dass das Leben, wie wir es kennen, sich irgendwann irgendwo auf unserem Planeten aus einer einzigen Zelle entwickelt hat, die die Fähigkeit gewann, Sonnenlicht in lebenserhaltende Energie umzuwandeln. Die großen Wandlungen im Lauf der Evolution sind durch kleine, geringfügige Änderungen erfolgt, wobei eine einzige fortpflanzungsfähige Zelle eine solche Veränderung darstellt. Die Biotechnologie versucht nun, nicht nur diese Kräfte des Überlebens, sondern der Evolution selbst zu kontrollieren und muss deshalb ihrerseits reguliert werden. Einige Beispiele dafür, wie die Technologie unser Leben ändert, ohne dass wir es wahrnehmen, sehen wir im modernen Alltagsleben: Die Elektrizität, die erst vor etwas mehr als einem Jahrhundert entdeckt und reguliert wurde, der Computer – noch keine 100 Jahre alt –, Flugapparate – ebenfalls noch nicht 100 – machen jetzt die Vision interplanetarer Erkundung möglich und sind für unsere Existenz weitaus weniger wichtig als unsere Nahrung.

Ich möchte mit einem Gedanken von A. N. Whitehead enden, der sagte: “Die Pflicht erwächst aus unserer potenziellen Kontrolle über den Lauf der Dinge. Wo immer erlangbares Wissen etwas ändern hätte können, macht sich die Unwissenheit eines Verbrechens schuldig.”

Quellenangaben

Feenberg, A., Subversive rationalisation: Technology, Power and Democracy", in Feenberg und Hannay (ed.), Technology and the Politics of Knowledge, Indianapolis: Indiana University Press 1995

GRAIN, Seedling. März 1997, Band 14, Nr. 1

GRAIN, Seedling. September 1998, Band 15, Nr. 3

Kloppenburg, J.R., First the seed: The political economy of plant biotechnology 1492–2000, Cambridge: Cambridge University Press 1988

Nelkin, D.A., Against the Tide of Technology. The Higher, 1993

Plaint. 1999. Klage eingebracht im März 1999 beim US-Bundesbezirksgericht von Columbia. (Die Klageschrift kann eingesehen werden unter , der Website des International Centre for Technology Assessment)

RAFI. März 1999. News Release unter http://www.rafi.org, vom 29 März 1999

The Union of Concerned Scientists, Perils Amidst the Promise: Ecological risks of transgenic crops in a global market. Cambridge, Massachusetts 1993 (auch einsehbar unter http://www.binas.unido.org)

UNDP, Conserving indigenous knowledge: Integrating two systems of innovation. Eine unabhängige Studie der Rural Advancement Foundation International, New York: UNDP 1994