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Raum, Cyberspace und Spezies


'Charles Tonderai Mudede Charles Tonderai Mudede

Seit ich mich erinneren kann, habe ich immer davon geträumt, ins Weltall zu fliegen.
Gattaca

Es gibt die Geheimnisse der Schöpfung. Es gibt den Mond und die Planeten. Und es gibt neue Hoffnungen auf Wissen und Frieden. Und deshalb erbitten wir nun, da wir die Segel setzen, Gottes Segen für das gefährlichste, riskanteste und größte Abenteuer, das der Mensch jemals gewagt hat.
John F. Kennedy (wie von Gang Starr im Song Above the Clouds gesampelt)

Posthumanismus ist Postindividualismus. Seit der Renaissance herrscht die Auffassung, dass die Seele des Einzelnen von zentraler Bedeutung sei. Natürlich würden patentierte Körperteile dazu beitragen, sie zu verdrängen. In einem tieferen Sinne jedoch haben die Konzerne mit der Produktion unserer Wünsche den Menschen bereits ersetzt.
James Latteier

Man kann die Bedeutung der Sciencefiction für die gegenwärtige Kultur – eine Kultur, die sich selbst als Sciencefiction sieht – gar nicht überbewerten.
Scott Bukatman


I
Eines Nachts im Jahr 1987 war ich mit einigen Freunden in einer spärlich besiedelten Vorstadt, den Highlands von Harare, der Hauptstadt Simbabwes, auf dem Weg zu einer Party. Da wir nur ungefähr wussten, wo die Party stattfinden sollte (wir waren nicht eingeladen, sondern hatten nur von ebenfalls nicht eingeladenen Freunden gerüchteweise davon gehört), hörten wir aufmerksam und geduldig in die Nacht hinein auf das leise “din din dee” (wie man bei uns so schön sagt) der Tanzmusik. Ab und zu fingen wir einen schwachen, von weit her kommenden Ton auf, dann, einen Block weiter oder so, verloren wir ihn wieder. Wir liefen viele Meilen in der Dunkelheit unter den sich drehenden Sternen, die hell leuchteten, weil es auf diesen kleinen Anrainerstraßen, die keiner Ordnung folgten und uns nur immer weiter in die Nacht hinaus führten, keine Straßenbeleuchtung gab. Dann geschah etwas Unglaubliches, das sich für den Rest meines Lebens in meine Vorstellungskraft einprägen sollte. Wir folgten einer gewundenen Straße und standen plötzlich vor einer großen Satellitenschüssel, die wegen ihrer weißen Farbe gespenstisch leuchtete, ein Hologramm, das in der Dunkelheit zu schweben schien, während es ferne Signale von den Sternen auffing.

Was mich an dieser Satellitenschüssel beeindruckte, war weniger ihre Fremdheit (aus amerikanischen Sciencefiction-Filmen und Fernsehsendungen wie Carl Sagans Cosmos war ich schon lange mit dieser Art der Kommunikationstechnologie vertraut), sondern die Tatsache, dass sie sich in jemandes Vorgarten befand, im Garten, wo sie die Bäume, das Auto und sogar das Haus selbst zwergenhaft klein erscheinen ließ. Es war so unglaublich, weil ich vor mir in diesem Moment eine Technologie, die ich mit Regierungsoperationen assoziierte – eine Technologie auf der selben Stufe wie Kernreaktoren, Kraftwerke, Militärbasen – auf eine häusliche Anwendung reduziert sah. Es war wie Sciencefiction, ein Haus aus der Zukunft mit seiner eigenen Raketenabschussrampe im Hinterhof, einer Satellitenschüssel im Vorgarten und einem Roboter-Stubenmädchen von Sears, das man durch die Scheiben der Glastüren den Teppich saugen sah.

Die Domestizierung der “Big Science”, der Technologie des Großkapitalismus, stellte (für mich) den Schritt in ein neues Zeitalter dar. Ein Zeitalter wird erst zu einem solchen, wenn die es definierenden Technologien so greifbar, so möglich sind, wie es diese Satellitenschüssel war, die da direkt vor meinen Augen stand und leise die Signale unsichtbarer Satelliten in meine eigene Realität einwob. Mit diesem Ereignis verloren die Satelliten ihren Ehrfurcht gebietenden Charakter. Ich konnte sehen, dass sie eifrig mit jemandem kommunizierten, der leicht mein eigener Nachbar hätte sein können. Endlich, dachte ich, während ich noch immer auf die vom Mond beschienene Schüssel starrte und wir noch immer versuchten, die verdammte Party zu finden, endlich sind wir in der Zukunft.
II
Die Integration einer “Big Science” in das zivile Leben für den ganz normalen Konsum durch die breite Öffentlichkeit ist das, worum es wirklich geht. Ohne komplette Integration wird die Wissenschaft versagen, sie wird diskreditiert, ersetzt, ins Museum, in die Erinnerung, die Nostalgie verbannt werden, wie es mit dem Raumfahrtzeitalter geschah. Das Raumfahrtzeitalter konnte seine komplizierte Technologie nicht ins zivile Leben integrieren. Die Raketenabschussrampe in jedermanns Hinterhof wurde nicht Realität, es kam niemals auch nur in die Nähe jener Satellitenschüssel, die ich in jener Nacht in Harare sah. Die Satellitenschüssel, sollte ich an dieser Stelle betonen, stand für die Informationstechnologie und nicht für die Raumfahrttechnologie. Und wie jeder heute weiß, ist die Zukunft des Weltraums bloß ein Anhängsel der Mobiltelefonindustrie!

Die NASA, eine als Antwort auf den Sputnik erfundene Institution, unternahm ungeheure Anstrengungen, die Raumfahrttechnologie ins Wirtschaftsleben zu integrieren, um uns weiszumachen, dass das Raumfahrtzeitalter die kalte Logik des Kalten Krieges überwinden und diese Form komplexer Wissenschaft zu uns durchsickern könne und würde (um es mit Ronald Reagan zu sagen). In den frühen Siebzigerjahren etwa, als sich die US Air Force und die NASA zusammentaten, um das Space Shuttle zu bauen, nahmen sie als Modell dafür ein Flugzeug, was eher einen symbolischen Schachzug als eine praktische Überlegung darstellte. “Bisher”, so berichtete Jane’s Defense Weekly, “war niemand bei der Air Force in der Lage, zu erklären, wie [das Shuttle] Geld sparen sollte.” Indem man dem Shuttle Flügel und Räder verpasste und eine Rollbahn in Kalifornien errichtete, verlieh man der Raumfahrt einen zivileren Anstrich und stellte in Hinblick auf das optische Erscheinungsbild und die Verfahrensweise bewusst eine Verbindung zur kommerziellen Luftfahrt her.

Ein weiterer Versuch war die unglückselige Challenger-Mission, bei der auch eine Zivilistin (eine Schullehrerin) als Besatzungsmitglied an Bord war. Das war laut Time die Mission, die “der Welt zeigen sollte, dass der Weltraum allen gehört”. Die Lehrerin sollte Schüler vom Weltall aus unterrichten (wow!) und zeigen, wie normal, wie zivil die “Big Science” sei, dass also in der Tat bald Raketenabschussrampen in unseren Hinterhöfen stehen würden. Darauf hatte ich viele Jahre lang gewartet. Seit ich ein kleiner Junge war, hatten Bücher, Fernsehsendungen und Zeitschriften die Erwartung genährt, dass ich bis zum Ende dieses Jahrhunderts durch das All zum Mond fliegen würde, wo der Arbeitsmarkt nur so boomen werde. Aber das traf nicht ein. Und da das Raumfahrtzeitalter niemals richtig Eingang in unser Leben fand, da es ungreifbar, unmöglich war und immer nur in den Händen der großen Regierungen lag, und das einzige Mal, als eine ziemlich nachlässig gekleidete Zivilistin mitmachen durfte, die Challenger-Mission sein sollte, dauerte das Raumfahrtzeitalter per definitionem nur jene 78 Sekunden, bis das Shuttle in einer unglaublichen Feuerspinne explodierte und damit als der teuerste (1,2 Milliarden) Feuerwerkskörper in die Geschichte einging. Als Fußnote sei erwähnt, dass der unlängst von Senator John Glenn absolvierte Weltraumtrip zu spät kam und nichts Wesentliches in Richtung einer Normalisierung der Raumfahrt bewirken konnte. Das Alter des Senators selbst zeigte nur allzu deutlich, welche Klasse von Menschen vom Weltraum immer noch bewegt bzw. besessen ist.
III
Das Informationszeitalter entstand erst durch eine anscheinend mühelose Integration der “Big Science” ins Wirtschafts- und Privatleben. Ein deutliches Beispiel dafür ist das Internet, das 1969 vom US-Militär geschaffen und später von Wissenschaftlern des CERN ausgebaut wurde. Diese unglaubliche Vermehrung elektronischer Information im öffentlichen Raum hat unsere Welt, wie Bruce Sterling schrieb, “wirklich zur Sciencefiction werden lassen”. Wir sind jetzt Cyber-Wesen, und zwar so sehr, dass wir uns das Armageddon zum ersten Mal in der Geschichte nicht als den letzten und endgültigen Krieg (wie im Film War Games) oder als den Tag, an dem die Maschinen die Herrschaft übernehmen (wie in Terminator 1 und 2), vorstellen, sondern als gewaltigen Zusammenbruch der Computersysteme. Wenn wir in ein Mad-Max-Szenario geraten, dann nicht mehr durch Feuer, sondern wegen eines elektronischen Fehlers: Ein plötzliches Ausbleiben von Information, ein Bankomat, der uns den Dienst aufkündigt. Der Tod der Maschinen bedeutet heute das Ende der Menschen.

Eine andere Möglichkeit, sich unsere Verwandlung in Cyber-Wesen (“technologisierte Kreaturen”) vor Augen zu führen, zeigt die Tatsache, dass die Sciencefiction (insbesondere im Kino) es nur selten wagt, uns ein Leben in ferner Zukunft zu zeigen. Stattdessen beschränkt man sich häufig auf die “unmittelbare Zukunft” oder gar auf das “Jetzt”. Dieses Phänomen, das sich daraus erklärt, dass unser Zeitalter “jene Existenzen auslebt, die von einer frühen Generation von SF-Autoren vorhergesagt wurden”(Bruce Sterling), begann bereits mit den Romanen von J.G. Ballard (Crash, Concrete Island, High Rise) und festigte sich in den Sciencefiction-Romanen der Achtzigerjahre (Sterling, Gibson). In den Neunzigern war diese Einschränkung bereits obligatorisch für jeden ernst zu nehmenden Sciencefiction-Film. Zu weit in die Zukunft zu gehen konnte nun zweierlei bedeuten, nämlich erstens, dass der betreffende Film eine Parodie, eine Art Ulk darstellte, wie Starship Troopers und Das fünfte Element, oder zweitens, dass er im furchtbaren Reich der reinen Fantasie angesiedelt und etwas wie der Herr der Ringe war. Dass die Sciencefiction sich von der fernen Zukunft abgewandt hat, lässt sich auch an Fernsehserien wie Millennium und Akte X erkennen, die zwar das Label “SF” tragen und eine Gemeinde treuer SF-Fans um sich scharen, jedoch in der Gegenwart spielen, in einer Zeit, die mit unserer eigenen zusammenfällt. Die Sciencefiction braucht nur in “die allernächste Zukunft” zu blicken und benutzt oft, z. B. in Filmen wie Wim Wenders’ Bis ans Ende der Welt (1991), Hi-Tech-Spielzeuge, die noch nicht (aber demnächst) auf dem Markt erscheinen werden. In einigen Fällen kann man sogar Sciencefiction produzieren, indem man in der Zeit zurückgeht. Das ist ein interessanter Effekt, bei dem ein Künstler totes Material verwenden kann, das in der Vergangenheit mit der Zukunft (insbesondere mit dem Zeitalter der Raumfahrt) assoziiert wurde. Das könnte man den “Zurück in die Zukunft”-Effekt oder, wie Baudrillard einst sagte, “eine nostalgische Sehnsucht nach der Zukunft” nennen. Bands wie Land of the Loop, Dr. Octagon, die unlängst erschienene CD Hello Nasty der Beastie Boys und, noch spezifischer, ein ausgefeilter, experimenteller Mix mit dem Titel Grapheme von D.J. Spooky (Paul D. Miller), dem Afrofuturisten par excellence, bedienen sich dieser Technik, um ihrer Arbeit einen “matt androiden” Effekt zu verleihen, wie es der New Musical Express einmal nannte.
IV
Wir stehen jetzt an der Schwelle eines ganz neuen technologischen Zeitalters, des Zeitalters der Biotechnologie. Wieder geht es um die Integration dieser “Big Science” ins Wirtschafts- und Privatleben, die gegenwärtig gerade vor sich geht. Es gibt wie immer starken öffentlichen Widerstand, der aus einer komplexen Menge von Ängsten und Phobien entsteht. Vergessen wir aber die vorhersehbaren Klagen über die Manipulation des Lebens und versuchen wir, mithilfe von David Cronenbergs neuem Film eXistenZ, der wie alle wichtigen Sciencefiction-Filme (Strange Days, Gattaca, Mimic) in der allernächsten Zukunft spielt, auf eine mächtigere Bio-Angst einzugehen. In dem Film geht es um einen biologisch erzeugten Computer namens “eXistenZ”; eine Untergrund-Widerstandsbewegung trachtet dessen Schöpferin nach dem Leben, weil ihre populären Spiele angeblich die Realität zerstört haben.

Auf einer Ebene befasst sich eXistenZ mit der Frage der Identität oder der Krise der Identität in einer Welt, die zunehmend virtuell wird. Dies hat mit der zunehmenden Warenförmigkeit der Psyche zu tun. Wie Zizek sagte, leben wir in “einer Welt, in der es dem Großkapital gelungen ist, in den innersten Kern unseres Wesens einzudringen und diesen zu beherrschen. Keine unserer Eigenschaften gehört wirklich ,uns‘, sogar unsere Erinnerungen und Fantasien wurden uns künstlich implantiert.” In dieser Hinsicht hat eXistenZ viel Ähnlichkeit mit Matrix oder The Thirteenth Floor, wo es um die Konsequenzen des Informationszeitalters und die Art und Weise geht, wie all diese Informationstechnologien (die wir brauchen und lieben) die Realität zerstört und durch ein Baudrillard'sches Simulakrum ersetzt haben. “Was ist wirklich”, fragt Morpheus im Kassenschlager Matrix, während er dem “absoluten Proletarier”, einer “der Nischen des privaten Widerstands beraubten” Person, zeigt, dass alles, was er sieht, atmet, isst, liebt und wogegen er rebelliert, von Herren in smarten Anzügen geschaffen wurde, die wie Firmenanwälte aussehen und reden. In seinem Essay The Thing That Thinks befasst sich Zizek eloquent mit diesem Thema, mit der von einer Fusion multinationalen Kapitals kolonialisierten Seele, einem Prozess, dem bald eine Kolonialisierung des Körpers selbst folgen wird, wenn die Biotechnologie im nächsten Jahrtausend den von ihr gewünschten Weg nimmt.

Auf einer anderen, wichtigeren und relevanteren Ebene setzt sich Cronenberg ganz direkt mit unserer größten Angst in Bezug auf diese neue “Big Science” auseinander: Es geht schlicht um die Ekelhaftigkeit des Ganzen. Dieser Wissenschaft fehlt es größtenteils an der Anmut der apollonischen Wissenschaften, die in der Newton'schen Fortbewegung wurzeln: Düsenantrieb, Astronomie, Astrophysik, Raumfahrt. (Es ist kein Zufall, dass das Raumschiff, das 1969 auf dem Mond landete, Apollo hieß.) Der Weltraum ist sehr sauber, ordentlich und mechanisch, während der Körper, der menschliche Körper, ein Sumpf ist, das wahre “Herz der Finsternis”, und, was am wichtigsten ist und wie Freud schon vor langer Zeit betonte, die Domäne des Weiblichen.
V
Wenn wir uns die drei technologischen Stadien, die wir im 20. Jahrhundert durchlaufen haben, genauer ansehen, so erkennen wir, dass das Raumfahrtzeitalter in jeder Hinsicht (Form, Struktur, Gestalt, Theorie) mit dem männlichen Geschlecht verbunden war, während das Informationszeitalter androgyn war (ein Aspekt, der von Cyberpunks und postmodernen Theoretikern wie Steven Shaviro, die die Austauschbarkeit der Geschlechterrollen im Tollhaus des Cyberspace als aufregenden Durchbruch feierten, begrüßt wurde). Das Zeitalter der Biotechnologie hingegen gehört sicher dem weiblichen Geschlecht. Ein rascher Überblick über die jüngere Sciencefiction zeigt, wie tief verwurzelt diese Assoziation ist. In Gattaca (1997) ist es der Mann, der sich nach dem Weltraum sehnt (und schließlich ins All fliegt), während die Frau auf der Erde bleibt. In der Fernsehserie Akte X ist es Mulder, der Mann, der direkt mit den großen Themen des Kalten Krieges und des Zeitalters der Raumfahrt in Verbindung steht. Sogar die Wände seines Büros und seines Schlafzimmers sind mit Postern beklebt, die die Sterne, die Galaxien und den Weltraum zeigen. Seine Partnerin Scully hingegen steht für das Zeitalter der Biotechnologie. Sie ist die Ärztin, sie arbeitet an den Leichen, öffnet sie und entschlüsselt ihre Geheimnisse. In anderen Sciencefiction-Filmen spielen Frauen ebenfalls so oft die Rolle der Biologin oder Biotechnikerin (Sphere, Species 1 und 2, Mimic), dass man meinen könnte, politische Fördermaßnahmen seien nötig, um für Männer in diesem Bereich einen Platz zu schaffen. Die Frauen sind aber nicht nur die Biotechnikerinnen, sondern auch der Gegenstand von Klonversuchen. Bisher waren es in allen Filmen Frauen, die geklont wurden. In Das fünfte Element, Species 1 und 2 (“Wir haben eine Frau geklont, da wir dachten, sie würde gefügiger sein”, erklärt ein Wissenschaftler in Species 1), in Alien Resurrection, und auch in der Akte X-Episode mit dem Titel “Eve” kommen eine weibliche Biologin und eine Gruppe bösartiger Mädchen vor, die sie aus ihrer eigenen DNA geklont hat.

Der Grund dafür, dass die Frau die Biologie (zumindest in den Sciencefiction-Filmen) dominiert, besteht darin, dass die Männer den Körper so lange als unwichtig abgetan haben, bis er profitabel wurde. Aber jetzt, wo dieser Körper eine völlig neue Arena für Risikokapital darstellt, einen Bereich, der enorme Renditen verspricht und in dem Leute wie Bill Gates um ein Standbein kämpfen (Gates hat bekanntlich der Universität von Washington, die nur einen See vom Microsoft-Hauptsitz entfernt ist, 12 Millionen Dollar gestiftet, damit der führende Wissenschaftler Leroy Hodd eine molekularbiotechnologische Abteilung einrichten konnte, die die Bioinformatik vorantreiben soll), stehen die Frauen anscheinend im Weg. Diese Situation ist dem Problem der Bauherren nicht unähnlich, die von der Mittelklasse lange verlassene innerstädtische Bezirke zu Nobelwohngebieten machen möchten. Was soll man mit den Armen tun? Wie kann man sie entwurzeln und umsiedeln und die schreckliche Gegend Investoren und Eigenheimkäufern schmackhaft machen? Wie holt man sich zurück, was (jahrelang) zurückgewiesen, ignoriert, unterdrückt und verachtet wurde? Hier kommen wir zur Quelle der Cronenberg’schen Angst , der Angst der Öffentlichkeit, unseres Widerstands gegen das Zeitalter der Biotechnologie: Der Mann muss sich jetzt mit dem Körper, mit der Frau auseinandersetzen.

In eXistenZ geht es um ein Computerspiel, doch unterscheidet sich dieses Computerspiel von dem in The Thirteenth Floor – einer stromlinienförmigen Maschine, die grüne Lichtstrahlen über den (download-bereiten) ruhig gestellten Körper schickt – insofern, als die Spielfigur oder vielmehr der Computer selbst biologisch ist. Er ist ein lebender Organismus, und wenn man sich daran anschließen möchte, muss man sich chirurgisch an der Basis der Wirbelsäule einen Bioport einpflanzen lassen, woraufhin eine Nabelschnur (statt eines Kommunikationskabels) dazu verwendet wird, den Spieler mit dem lebenden und atmenden Computer zu verbinden. Der Mann, der in das Labyrinth dieses neuen Spiels geführt wird, kommt nicht damit zurecht, dass der Computer ein lebendiges Wesen ist. Er beschwert sich unablässig darüber, wie chaotisch dieses (von einer Frau geschaffene) Spiel ist. “Alles hier ist blutig, schmutzig und grotesk”, erklärt er ihr über diese feuchte, schwammige Welt, in der sie einen “unfairen Vorteil genießt”. Er fühlt sich “verletzlich”, fürchtet sich ständig vor “Infektion” und behauptet vor allem, dass er niemals einen Bioport wollte, da er Angst vor “Penetration” habe. Er fürchtete sich vor der Welt der Frau.

Es gibt im Zusammenhang mit der Biotechnologie genauso viel Ängste, wie es vor dem Raumfahrtzeitalter Enthusiasmus gab. Mimic rechnet wohl wollend damit, dass die Biotechnologie, auch wenn sie es gut meint, dennoch ein Monster schaffen, die Büchse der Pandora öffnen könnte … und den ganzen Rest dieses langweiligen Szenarios. Urteilt man nach eXistenZ und den narrativen Strategien der anderen Sciencefiction-Filme (insbesondere des hysterischen Species 2, der das Raumfahrtzeitalter der Biotechnologie vorzieht, weil man einen Astronauten zumindest töten kann, während der Fortpflanzungstrieb einer “außerirdischen Bioschlampe” nicht zu bremsen ist, eine Angst, die in vielerlei Weise an die öffentliche Hysterie über Teenagerschwangerschaften erinnert, als ob da ein Schwarm geiler, hungriger, mittelloser Mädchen mit einer gesteigerten Fortpflanzungsfähigkeit wäre), so geht es in Wirklichkeit um die symbolische Assoziation dieser neuen Wissenschaft, einer Wissenschaft, die unausweichlich und unwiderruflich weiblich ist. Wie werden wir damit fertig?
Schluss
Obwohl die Biotechnologie wesentlich praktikabler als die Raumfahrt ist, ist sie (durch die Reaktion der jüngsten Sciencefiction-Filme und den starken öffentlichen Widerstand gegen genetisch veränderte Nahrungsmittel) unvergleichlich schwerer zu verkaufen. Infolge seiner Schönheit und Männlichkeit hatte das fehlgeschlagene Konzept der Raumfahrt eine längere Lebensdauer als erwartet. Tatsächlich geht es ihm sogar nach seinem Ableben noch ganz gut. Die Tatsache, dass die NASA um 140 Milliarden Dollar eine internationale Raumstation baut, die 45 Starts des bis heute nicht zu rechtfertigenden Space Shuttle erfordern wird, wird nicht mit einem öffentlichen Aufschrei der Empörung, sondern vielmehr mit einem Mangel an Interesse aufgenommen. Was den Ertrag dieser riesigen Investition anlangt, so können die Herrschaften bei der NASA zur Rechtfertigung dieser Verschwendung nur sagen, es handle sich um “ein modernes Äquivalent zur Erbauung der Pyramiden oder der Kathedralen Europas”. Das sind beunruhigende Analogien. 200 Meilen über der Erde findet nichts weiter statt als die Konstruktion eines teuren Museums für ein Zeitalter, das zwar schön, aber letztendlich nutzlos war. Das ist die Macht der Sterne.

Das geheime Motto all dessen: Die Sterne kennen wir. Das Leben fürchten wir. Wir fürchten AIDS, den Tod, wilde Tiere, verseuchte Nahrungsmittel, schlechte Gerüche, das Alter. Alles, was uns vor der Angst schützt, ist von den rotierenden Himmelssphären gekommen. Gott dreht den Schlüssel in der Uhr herum, und wir holen uns daraus allen Trost, den wir kriegen können. Die Newton’sche Welt ist eine Domäne des Mannes und nicht der Frau. Es gibt keine apollonischen Frauen. Doch sobald diese Hürde genommen ist, sobald die “Life Sciences” uns davon überzeugen können, dass der Blick auf die Zellen wie der Blick auf die Sterne ist, wird die volle Integration widerstandslos stattfinden, und es wird nicht nur eine Satellitenschüssel in unserem Vorgarten stehen, sondern hinter dem Haus wird fröhlich eine VW-große Tomate vor sich hin wachsen.