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Ars Electronica 1999
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Genesis


'Eduardo Kac Eduardo Kac

Genesis, ein transgenes Kunstwerk mit Live-DNA-Musiksynthese von Peter Gena und genetischer Beratung von Dr. Charles Strom, erkundet die verzweigten Beziehungen zwischen Biologie, Glaubenssystemen, Informationstechnologie, dialogischer Interaktion, Ethik und dem Internet. Hauptelement der Arbeit ist ein “Künstlergen”, d. h. ein von mir erfundenes, in der Natur nicht vorkommendes synthetisches Gen. Dieses Gen entstand durch die Übertragung eines Verses aus dem Buch Genesis in Morsezeichen und die Konvertierung des Morsecodes in DNA-Basenpaare nach einem speziell für diese Arbeit entwickelten Konvertierungsprinzip. Der Vers lautet: “Lasst die Menschen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Lebewesen auf dem Land.” Gewählt wurde dieser Satz wegen seiner Implikationen hinsichtlich der dubiosen Vorstellung einer (von Gott sanktionierten) Herrschaft des Menschen über die Natur. Der Morsecode wurde gewählt, weil er als Erster in der Telegrafie verwendet wurde und damit für den Beginn des Informationszeitalters, die Genesis der globalen Kommunikation, steht.

Der erste Schritt in dieser Arbeit ist das Klonen des synthetischen Gens zu Plasmiden und deren anschließendes Einschleusen in Bakterien. Auf diese Weise bringt das Gen ein neues Proteinmolekül hervor. In der Arbeit werden zwei Arten von Bakterien verwendet: Bakterien, bei denen das eingeschleuste Plasmid ECFP (Enhanced Cyan Fluorescent Protein) enthält, und solche, bei denen das eingeschleuste Plasmid EYFP (Enhanced Yellow Fluorescent Protein) enthält. ECFP und EYFP sind Mutanten von GFP (Green Fluorescent Protein) mit veränderten Spektraleigenschaften. Die ECFP-Bakterien enthalten das synthetische Gen, die EYFP-Bakterien hingegen nicht. Bei UV-Bestrahlung emittieren diese fluoreszierenden Bakterien blaues und gelbes Licht. Mit wachsender Bakterienanzahl treten in den Plasmiden Mutationen auf, und wenn diese miteinander in Kontakt kommen, entstehen Farbmischungen und grüne Bakterien. Die transgene bakterielle Kommunikation entwickelt sich schließlich zu einer Kombination von drei sichtbaren Szenarien: 1. ECFP-Bakterien geben ihr Plasmid an EYFP-Bakterien ab (und vice versa) und erzeugen so grüne Bakterien; 2. es findet keine Plasmidabgabe statt (die einzelnen Farben bleiben bestehen); 3. die Bakterien verlieren ihr gesamtes Plasmid (werden fahl, ockerfarben).

Die Installation in der Galerie ermöglicht es Teilnehmern vor Ort wie im Netz, die Evolution der Arbeit zu verfolgen. Die Installation besteht aus einem Mikroskop mit eingebauter UV-Lichtquelle, einem Web-Server und einer überlebensgroßen Videoprojektion der im Mikroskop sichtbaren bakteriellen Teilungs- und Interaktionsprozesse. Galerie- wie Netzteilnehmer können durch Ein- und Ausschalten des UV-Lichts in den Prozess eingreifen. Das fluoreszierende Protein in den Bakterien reagiert auf das UV-Licht durch Emission sichtbaren Lichts. Die Energiezufuhr durch das UV-Licht bewirkt eine Störung der DNA-Sequenz im Plasmid stört und erhöht die Mutationsrate.

Genesis geht der Idee auf den Grund, dass biologische Prozesse heute schriftartig und programmierbar sind, und dass sie Daten auf eine Art und Weise verarbeiten und speichern können, die der von digitalen Computern nicht unähnlich ist. Am Ende der Show wird der in den Bakterien enthaltene, transformierte biblische Vers ins Englische rückübersetzt, und gibt damit Einblick in die Vorgänge transgener interbakterieller Kommunikation. Die Grenzen zwischen kohlenstoffbasiertem Leben und digitalen Daten werden durchlässig wie eine Zellmembran.

Die live in der Galerie generierte DNA-Musik wird mittels eines komplexen Algorithmus synthetisiert, der die Physiologie der DNA in musikalische Parameter umwandelt. Veränderungen der Sequenz werden durch die Mutationsrate der Bakterien diktiert. Akustische Variationen zeigen die Anwesenheit von Netzteilnehmern an.

DNA-Konsultation: Charles Strom, MD, PhD, Director of Medical Genetics, Illinois Masonic Medical Center, Chicago
Musik: Peter Gena, Professor für Kunst, Technologie und Klang, The School of the Art Institute of Chicago
Technischer Support: Svetlana Rechitsky, Illinois Masonic Medical Center, Chicago
Programmierung / Elektronik: Jon Fisher, SGI Systemadministrator, The School of the Art Institute of Chicago
Produktion: O.K Centrum für Gegenwartskunst, Linz
Projektkoordination: Julia Friedman and Associates, Chicago