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Ethnische Bleichung


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Die Computertechnologie ermöglicht die Endlosreproduktion digitaler Bilder ohne weiteren Qualitätsverlust. Daraus ergeben sich folgende Fragen: Wessen Bild oder Bilder werden hier so rein und “sauber” reproduziert? Und: Wem nutzt diese Fähigkeit zur Endlosreproduktion? Die Beantwortung dieser Fragen erfordert in erster Linie eine Untersuchung der jeweils involvierten sozialen Verhältnisse und ihrer Auswirkungen auf die neuen Medien.

Rassenkonstruktionen in Gestalt mentaler Bilder umfassen weit mehr als einfache Zeichen für biologische oder kulturelle Gleichheit. Vielmehr handelt es sich hier um die Übertragung von Konstrukten gesellschaftlicher Einbildungskraft auf geografische Regionen und technologische Standorte. Diese Rassenkonstruktionen hängen nachweislich mit spezifischen historischen Bedingungen zusammen: angefangen von solchen, die der Erfahrung der Sklaverei, der Wanderarbeit und der Kolonialisierung zu Grunde liegen, bis hin zu solchen, die sich auf Freundschaften und Familienleben auswirken. Jede Vorstellung von Rasse ist von den gesellschaftlichen und politischen Vorgängen geprägt, aus denen sie hervorgeht und zu denen sie ihrerseits beiträgt; unsere Vorstellungen von den verschiedenen Rassen artikulieren die politischen und wirtschaftlichen Rassenbeziehungen in der Gesellschaft. […]

Wenn sich solche Muster generell in der Gesellschaft abzeichnen, welche Erkenntnisse können wir dann aus einer näheren Untersuchung der im Cyberland vorhandenen Bilder erlangen? Hier lassen sich einige interessante Fragen aufwerfen, wie z. B.: Wann waren das letze Mal Menschen mit schwarzer, brauner oder gelber Hautfarbe im Apple Developer Magazine abgebildet? Oder: Warum war das Nippon-Betriebssystem in Japan so teuer? Obwohl einige Magazine mit Vorliebe Modem-liebkosende japanische Frauen abbilden, sind Bilder von Mischlingen, Schwarzen oder Asiaten in CyberEuropa und den CyberUSA äußerst selten anzutreffen; somit entfällt jegliche Abbildung unreiner oder gar “schmutziger” sozialer Beziehungen. Dieses Fehlen – oder strategische Weglassen – von Bildern von Mischlingen in der Techno-Kultur geht weit über eine schlichte Widerspiegelung der Eigeninteressen oder exklusiven Erfahrungen und Bestrebungen der Wort führenden “Digerati” und ihrer gefügigen Konsumentenklasse hinaus. Die neuen Techno-Reinrassigen sind aktiv dabei, die “CyberNation” einer rituellen ethnischen Bleichung zu unterziehen: hier findet eine Art ethnische Säuberung statt, nur weniger diskriminierend und viel sauberer. […]

Das digitale Klonen hat dazu beigetragen, akzeptierte Vorstellungen von Originalität und Genie infrage zu stellen, und so eine Neubewertung der Codes der kulturellen Produktion ermöglicht – aber nur, solange eine Verunreinigung durch peinliche gesellschaftliche Beziehungen vermieden wird. In Anbetracht des bei den meisten Kunstereignissen vorherrschenden Rasse- und Elitedenkens könnten Besucher nach wie vor glauben, tief im Innersten seien sie doch alle liebenswert.

Schon seit langem zählt die multikulturelle Lasst-uns-doch-miteinander-auskommen-und glücklich-werden-Nummer zu den wichtigsten Taktiken, wenn es darum geht, diese heftige, schwierige Debatte einem Love-in im Stil der Sechzigerjahre zu verbergen. Die Mischlingskulturen sind in ihrer intellektuellen Härte schon zu weit fortgeschritten, um sich dadurch abspeisen zu lassen, dass man Blumen in ihre Gewehrläufe steckt. […]