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Ars Electronica 1999
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Festival 1979-2007
 

 

20 of the 20th


'Gerfried Stocker Gerfried Stocker

Informationsmoderne und Medientechnologie haben nicht nur künstlerische Ausdrucksformen ermöglicht und stimuliert, die ohne Entsprechung zu überkommenen Disziplinen der Kunst sind, sondern auch ein neues Verständnis von Kunst und ihrer ProtagonistInnen bewirkt.

In den zwei Jahrzehnten Ars Electronica wurden im Umfeld des Festivals aber nicht nur Modelle für den zeitgemäßen Umgang mit einer Kunst erprobt, die in den digitalen Technologien gleichermaßen Werkzeug, Material und Thema hat, sondern auch theoretische Positionsbestimmungen vorgenommen, die im allgemeinen Diskurs Konsensbildung und Inspiration für die Praxis bewirkt haben.

“Medienkunst” positioniert sich insbesondere in Abhängigkeit von Mediatisierung als der grundlegenden Bedingung, unter der die Neuordnung unserer Gesellschaft erfolgt. Entsprechend sind ihre Erscheinungsformen eher systemisch motiviert als werkhaft. Im Unterschied zu den Ergebnissen eines Vorgehens, durch das “Medien” auf einen kunstbetrieblich bestimmten Gebrauchswert reduziert werden und daher in der Regel noch emotional zugänglich sind, erschließen sich mediensystemische Arbeiten oft nur dank rationaler Argumente. Die Frage, was denn daran Kunst sei, ist einerseits Konsequenz dieses Positionswechsels der Kunst vom Markt in das Feld der Systeme, andererseits die Einleitung eines rationalen Diskurses, der für Konsensbildung Voraussetzung ist.

20 Jahre Ars Electronica wären natürlich ein Grund zur Archäologie der künstlerischen Entwicklung; vor allem aber geben sie Anlass, Ansätze einer kritischen beziehungsweise gereiften, das heißt vom Hype losgelösten, Weiterentwicklung auszumachen. Ein “Jubiläums-Anliegen”, exemplarisch eingelöst durch das von Beusch/Cassani (TNC Network; siehe deren nachfolgenden Beitrag) moderierte Panel “Und was ist daran Kunst”, sowie durch die Präsentation der Projekte Videoplace und I Met-a-Morph von Myron Krueger, Bump Into Each Other von association.creation, OMV Klangpark mit Michael Nyman und Vertretern der Digital-Music-Szene sowie Liquid Space von Werner Jauk und Heimo Ranzenbacher.

Die auf den ersten Blick unvereinbar scheinenden Arbeiten haben aber zumindest einen gemeinsamen Nenner – die Problematisierung eines erweiterten Raum- und Öffentlichkeitsbegriffes durch Telematik und Virtualität.

Signifikant ist dieser Nenner vor allem auch für die oben behauptete Abhängigkeit der Medienkunst von Mediatisierung im gesellschaftlichen Kontext. Denn der Begriff des öffentlichen Raumes – juristisch als öffentliches Gut (wie Straßen, Plätze, Flüsse) definiert und dadurch charakterisiert, dass es dem Gemeingebrauch offen steht und von jedermann bestimmungsgemäß benützt und verwendet werden darf – bedarf infolge der Informatisierung des Alltags vermehrt einer näheren Bestimmung, um kommunizierbar zu bleiben. Der öffentliche Raum – der Interaktion, der Kommunikation, der Information … – entzieht sich seiner herkömmlichen Charakterisierung zuletzt durch neue Vorstellungen von Öffentlichkeit als Folge eines erweiterten Raumbegriffes. Auf der Grundlage von Raum-Metaphern (wie Cyberspace, telematischer oder virtueller Raum) haben sich Handlungsfelder etabliert, die tatsächlich (etwa von NetCommunities) gelebt werden. Der Raum der öffentlichen Ideen verdankt sich einem ursprünglich geschlossenen System von Produktion und Distribution, dessen Bedingungen sukzessive auch im Realen öffentlich werden.

Das kunstbetrieblich bestimmte Werk bestätigt implizit die Vorstellung von Öffentlichkeit und Raum gemäß der herkömmlichen Charakterisierung; die systemische Anlage trägt der Erweiterung und dem Diffundieren der Räume und Öffentlichkeiten Rechnung. In der Art der Bestätigung bilden sich auch das Verständnis der Bedingungen, unter denen der kulturelle Wandel sich gesellschaftlich vollzieht, und das sich damit wandelnde Selbstverständnis der KunstlerInnen ab, das durch unterschiedliche Settings zur Disposition gestellt wurde.

Myron Krueger repräsentiert in höchstem Maße den Typ des Ingenieurkünstlers, der sich massiv mit den technischen Systemen und der Entwicklung eigener Werkzeuge befasst – ein äußerst entscheidender Aspekt dieser 20 Jahre Medienkunstgeschichte. Die Begegnung von Michael Nyman mit Vertretern der Digital-Music-Szene betrifft die Anwendung verwandter theoretischer Konzeptionen und ihrer unterschiedlichen formalen Ausprägungen; association.creation sind repräsentativ für die Selbstverständlichkeit eines Arbeitens im Kollektiv und an telematischer Simultanität; Jauk und Ranzenbacher schließen den Kreis dadurch, dass sie Theorie in Kunst umsetzen, um so die Kontingenz von Praxis und Theorie zu überprüfen.

Myron Krueger gilt als Medienkunst-Pionier, der auf Grund seines technischen Wissens schon zu einem frühen Zeitpunkt eine beeindruckende Virtuosität in Sachen Interaktivität entwickelt hat (1990 erhielt er die erste Goldene Nica für Interaktive Kunst.) Intention ist es, einem Künstler, der schon sehr lange in diesem Bereich tätig ist, durch eine frühe Arbeit, Videoplace, und eine neue, I-Met-a-Morph, zu präsentieren, um seine künstlerische Entwicklung auch als Beispiel für eine allgemeine Entwicklung nachvollziehbar zu machen.

Eine ähnliche Klammer liegt der Konfrontation von Michael Nyman mit der Sampling-Generation zu Grunde, mit dem Unterschied, dass sie nicht nur Markierung einer Entwicklung ist, sondern auch musikalisch umgesetzt wird.

Die Zusammenführung Michael Nymans, dessen Kompositionen im Grunde auf konventionelle Weise entstehen, mit Vertretern der Digital Music – der SoundArt, des Sampling und Techno – rekurriert auf Verfahren, die Nyman zu einer Zeit betrieb, da das Sampling der bekannten Art noch der technologischen Grundlage entbehrte. Eines der wesentlichsten Stilmittel moderner Musik(produktion), das Rekombinieren musikalischen Fremdmateriales, wurde von Nyman auf Ebene der Notation vorweggenommen. Für den OMV Klangpark generiert die simultane Anwendung beider Methoden auf die jeweils andere die Form ihrer Veröffentlichung.

association.creation personifizieren als Kollektiv relativ junger Künstler den vormals demonstrativen Teamgedanken bei der Projektsabwicklung, in diesem Fall eines Projektes von unspektakulärer Gestalt, dessen telematische Anlage jedoch prototypisch für eine intelligente Stadtmöblierung und in “öffentlichen Räumen” verortete Wirkungsfelder der Kunst ist: Über das jeweils lokale Erlebnis in zwei Städten hinaus sind die Interaktion und Kommunikation der Personen an den beiden Orten durch das telematische Möbel Voraussetzung für die Erfahrung der telematischen Simultanität.

Liquid Space wiederum ist als Versuch ausgewiesen, von theoretischen und ästhetischen Annahmen bezüglich Kunst und Wissenschaft sowie infolge eines weiterführenden theoretischen Projekt-Diskurses zu neuen ästhetischen Ergebnissen zu kommen. Theorienbildung wird gewissermaßen zur Generierung von Kunst formalisiert. Den Beginn dieses Work-in-Progress markiert das “Zitat” einer interaktiven Installation, welche die Wahrnehmung vor Ort wie das System der Kommunikation über dieses System beeinflusst.