Info Weapon Contest
'Geert Lovink
Geert Lovink
Eines der aktuellen Paradigmen zum Thema ”Krieg” ist die Auflösbarkeit von Frontlinien und Territorien an sich. Seit dem Zweiten Weltkrieg leben wir im Zeitalter des ”totalen Kriegs” oder ”Pure War”, wie es bei Paul Virilio heißt. Zahlreiche Theoretiker haben seither auf die immanente Beziehung zwischen der Erfindung der Atombombe, dem Computer und dem Aufstieg der Massenmedien, insbesondere des Fernsehens, verwiesen. Diese historische Konstellation neuer Technologien beherrschte die gesamte Nachkriegszeit ebenso wie die Zeit des Kalten Krieges. Guerillabewegungen, Terrorismus und bürgerkriegsähnliche Unruhen konnten die von den Weltmächten definierten grundlegenden Parameter der Kriegsführung nicht ändern. Der Zerfall der Sowjetunion und der Fall der Berliner Mauer veränderten die politischen Landkarten ganzer Kontinente, was jedoch keineswegs auch den Untergang des Paradigmas des Technologiekrieges bedeutete. Ganz im Gegenteil, ”1989” verstärkte lediglich die unsichtbare, quasi fernsteuerbare Art der Kriegsführung. Das ist der Hintergrund zu ”Infowar”. Wir erleben heute den Aufstieg eines ”elektronischen Militärkomplexes” (taktische Waffen in Miniatur) in Kombination mit ausgefeilten, von allen Beteiligten verwendeten Propaganda- und Manipulationsmethoden der globalen Medien- und Informationssysteme (”CNN-Effekt”).
Aber das ist nur ein Teil der Geschichte. Das ist nicht ”unsere” Geschichte. Eine kritische und historische Analyse der engverflochtenen Beziehungen zwischen Krieg und Medientechnologien steht auch dem einzelnen Bürger, nicht nur dem Staat als übergeordneter Körperschaft zu. Und das ist der Teil des Informationskrieges, wo Künstler, Aktivisten, Programmierer und Designer eine Rolle spielen (wenn auch selbstverständlich nur eine marginale). Seit den sechziger und siebziger Jahren spielen Hacker und Medienaktivisten mit der Möglichkeit, Labors und Fabriken der neu entstehenden Hightech-Industrie lahmzulegen. Manchmal illegal, manchmal mit Unterstützung von Universitäten und Forschungslabors, forderten Einzelpersonen, Gruppen und verschiedene Bewegungen durch ”direkte Aktionen” die ”Demokratisierung” der Technologie. Im Unterschied zu Friedensbewegungen und antimilitaristischen Gruppierungen haben Hacker eine grundlegend positive Einstellung zu Maschinen. Es ist wie eine versteckte, gefesselte Libido, die dadurch befreit werden muß, daß man sie den staatlichen Behörden wegnimmt. Die Schlagworte lauten hier freie Software, Shareware, öffentlicher Zugang und dezentralisierte, offene Systeme.
Der Erfolg des Internet ist zum Teil auf diese Hacker-Ideologie zurückzuführen. Aber die oben erwähnte historische Konstellation, die in vielen Softwareteilen und Betriebssystemen ihren Niederschlag gefunden hat, ist nun am Ende, oder zumindest in der Krise. Die Prämissen des frühen Internet mit den Schwerpunkten Usenet, virtuelle Gemeinschaften und Kampf gegen die Zensur befinden sich in ständiger Bedrohung. Der Übereinstimmungsmythos eines egalitären, chaotischen Systems, das von den Benutzern in Selbstbestimmung und mithilfe Künstlichen Lebens und freundlicher Bots kontrolliert wird, wird nun von Telekom-Giganten, Risikokapital und Banken sowie intensiven Regulierungsaktivitäten seitens der Regierung zerstört. Das Internet gerät immer mehr in die Defensive. Es ist daher an der Zeit, zurückzuschlagen: Info War.
Der Kampf für öffentliche Bandbreite, gegen Bewertungssysteme und (Selbst-)Zensur, für Zugang für jeden und zu allen Informationen ist nicht nur defensiv. Es gibt noch Raum für neue, offene Standards und für Software, die noch nicht den großen Firmen gehört. Das Linux-Betriebssystem kann hier als Beispiel dienen, aber auch nicht-kommerzielle Browser (frames of our minds). Unsere Seite des Informationskrieges weist Parallelen zum ”Standard-Krieg” auf (wie Anfang unseres Jahrhunderts bei der Elektritiztät). Eine andere Seite dieser Defensive wäre die Konstruktion von ”Informationswaffen”, die von herkömmlichen Formen der Gegenpropaganda über Anti-Spam-Filter, destruktive ”Push-back”-Medien, Kommunikationsguerilla bis zu freundlicheren Formen des Informationskrieges, wie Kampagnen für öffentliche Bewußtseinsbildung, Datenbanken künftiger Mililtärstrategien oder Suchmaschinen, reichen könnte. Kurz gesagt, zivile Verteidigung im Zeitalter der globalen Überwachung und der elektronischen Kriegsführung.
Der Info Weapon Contest (Informationswaffen-Wettbewerb) fordert Programmierer, Hacker, Künstler, Theoretiker und Designer dazu auf, ihre eigenen, ganz persönlichen Vorschläge einzubringen. Eine unabhängige Jury wird den besten Beitrag auswählen und den Gewinner beim Ars Electronica Festival 1998 präsentieren.
|