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Ars Electronica 1998
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Festival 1979-2007
 

 

Static Between the Stations


' ORF-Kunstradio ORF-Kunstradio

Das Kunstradio Manifest
ZWÖLF ANMERKUNGEN ZUR RADIOKUNST

Für das KUNSTRADIO versteht sich folgendes von selbst:
  1. Radiokunst ist die Verwendung des Radios als Kunstmedium.

  2. Radio findet beim Radiohören und nicht im Studio statt.

  3. Konzeptuelle Originalität ist wichtiger als Klangqualität.

  4. Radiohören findet fast immer in Verbindung mit anderen Geräuschen statt – Haushaltslärm, Verkehr, Fernsehen, Telefongesprächen, spielenden Kindern usw.

  5. Radiokunst ist keine Klangkunst – und keine Musik. Radiokunst ist Radio.

  6. Klangkunst und Musik oder Literatur sind keine Radiokunst, sie werden im Radio gesendet.

  7. Der Radioraum umfaßt alle Orte, an denen Radio gehört wird.

  8. Radiokunst besteht aus Klangobjekten, die im Radioraum erlebt werden.

  9. Das Radio des einzelnen Hörers bestimmt die Klangqualität der Radiokunst.

  10. Jeder Hörer hört in Verbindung mit der Geräuschkulisse seiner Umgebung seine eigene Endversion eines Radiowerks.

  11. Der Radiokünstler weiß, daß das Erleben eines Radiowerks unkontrollierbar ist.

  12. Radiokunst ist nicht die Verbindung von Radio und Kunst. Radiokunst ist Radio von Künstlern.
Static Between the Stations
RADIO RESET EIN KUNSTRADIO-PROJEKT AUF DER ARS ELECTRONICA 98 MIT MEGO, PHONOTAKTIK UND U.R.L.

On air: ORF Österreich 1 und FM4

RADIO FRO

On line: http://thing.at/orfkunstradio

On site: Open X/Brucknerhaus (in Zusammenarbeit mit Xchange)
und Außenstellen.
”'Wherever we are, what we hear is mostly noise. When we ignore it, it disturbs us. When we listen to it, we find it fascinating. The sound of a truck at 50 m.p.h. Static between the stations' … Der Erfindersohn Cage, dessen Vater einige Radiopatente hielt, die Cage-Junior bis ins hohe Alter verwaltete, versteht das Radio als das, was es immer war, ein Ensemble eines selbstreferentiellen, auf sich selbst bezogenen Experiments. Was die Kunst betrifft, so ist dies der einzige Ort, den sie in den technischen Medien legitimerweise tatsächlich hat, indem sie nämlich die technischen Medien als das begreift, was sie sind: nämlich ein in blinder Taktik operierendes Apriori der industrialisierten Zivilisation, das aus liegengelassenem Experimentiergerät der Technik und der Physik herstammt.” (Wolfgang Hagen: Vom Ort des Radios. Eröffnungsvortrag. RECYCLING THE FUTURE IV, Wien, Dez.1997. http://thing.at/orfkunstradio/FUTURE

”Niemand hört Radio. Was Lautsprecher oder Kopfhörer ihren Benutzern anliefern, ist immer bloß Programm, nie das Radio selbst. Nur im Ernstfall, wenn Sendungen abbrechen, Ansagerstimmen ersticken oder Sender von ihrer Empfangsfrequenz wegdriften, gibt es für Momente überhaupt zu hören, was Radiohören wäre.” (Friedrich Kittler: ”Die letzte Radiosendung”. In:
On The Air, Kunst im öffentlichen Datenraum, TRANSIT; 1993)
Das ziemlich komplexe und verteilte Radioprojekt STATIC BETWEEN THE STATIONS trägt zwei Untertitel:

Der erste, RADIO RESET – für die Aktivitäten in Linz und an einigen Außenstellen – deutet auf die vielen verschiedenen Versuche, das Medium Radio zu redefinieren und/oder in der heutigen Medienlandschaft zu positionieren. Entsprechend reichen die Beschreibungen des Radios heute vom ”Verschwimmen der Grenzen des Radios” im Internet (Christoph Barth/Thomas Münch: Internet und Webradio. 8. Baden-Badener Hörfunktagung, 1998) bis zur ”Befreiung" des eigentlichen Mediums.
”Das Radio ist (dank dem Fernsehen) frei: Seit dem Aufkommen des Fernsehens ist das Radio frei; das ist ihm nicht immer bewußt (und häufig wird es sogar hartnäckig geleugnet, wie etwa von den öffentlichen Radiosendern, die Fernsehen ohne das Sehen sind), aber es gibt keinen Zweifel daran. Das Radio ist davon befreit, die 'Stimme der Macht' zu sein, es ist zur auserwählten Stimme von Minoritäten geworden … ” (Sergio Messina, unveröffentlicht)
BRUTAL RADIO – der Titel der (von Linz aus gesehen) fernen Wiener Perfomance von einigen Künstlern, die dann live zum openX in Linz dazustoßen werden – ließe sich als die Beschwörung eines RADIKALEN RADIOS bezeichnen, eine Radios, das ”weder durch die Uhr tyrannisiert wird” noch zu einem ”'umweltbehübschenden' Vogelgesang des 20. Jahrhunderts geworden ist” (R. Murray Schafer: RADICAL RADIO, in: Festival for a New Radio, 1987, New York). Statt ”Wind- und Regengeräusche, Vogel- und Tiergeschrei” zu senden ”ohne (wie Schafer meint) in die Herzen der Städte vorzudringen”, überträgt BRUTAL RADIO das Radio selbst.

Am 19. Mai 1998 schrieb Peter Rehberg:
”Dem Radio wurde in letzter Zeit eine Menge Aufmerksamkeit entgegengebracht. Speziell in Österreich, wo all diese funkelnagelneuen Sender und so was entstanden sind. Eine totale Informationsüberlastung durch viel zu viel Mainstreammusik, als gäbe es davon nicht schon genug. Schön, eine Menge Radio und kein Inhalt.

Dafür erwiesen sich die Entwicklungen am anderen Ende der Senderskala als interessant. Leute, die das Radio als Instrument, als Aussage, als Konzept betrachten, nicht nur als ein Werkzeug für Öffentlichkeitsarbeit, um ein paar zusätzliche Eintrittskarten abzusetzen.

Konzentrieren wir uns doch auf die Elemente, auf die man normalerweise nicht hört. Auf das, was zwischen den Programmen liegt … dieses statisch geladene Stück grauen Territoriums. Und was, wenn wir das Unpräsentierbare präsentieren? Aber natürlich … Das ist zwar nichts Neues, nur hat sich noch nie jemand darauf eingelassen. Bis jetzt zumindest. Heute abend auf Sendung, o ja, und wie …”

”Stellt man seinen Empfänger auf den untersten Bereich des Frequenzspekturms ein, so betritt man, besonders im nächtlichen Sonnenwindschatten, eine Welt mit ganz unterschiedlichen Erscheinungen, die einem ein akustisches Fenster zu einem Universum eröffnen, in dem es vor elektrischer Aktivität nur so wimmelt. Pfeifende atmosphärische Störungen von Blitzen und thermonuklearen EMP-Querschlägern, die an den Feldlinien der Magnetosphäre entlang zwischen den Hemisphären hin- und herpendeln. Stürme knistern; die Biostatik flüstert, zischt und seufzt; Fernseher heulen; Hochspannungsmasten und Starkstromkreise brummen und brüllen; militärische Signale, das musikalische Pulsen von Navigationssystemen, Timecodes und codierten Daten, die tief unter dem Meerespielgel ausgesandt werden. Trennung von Raum und Zeit, Live-'Vivisektion' der Teilchenphysik, Stimmen, Linien auf Landkarten, Waffen, durch die Illusion von Stille verborgene Spiegel …” (Disinformation, 1997)
Das KUNSTRADIO versuchte von Anfang an (seit es 1987 im österreichischen Rundfunk als wöchentliche Radiosendung eingerichtet wurde), Radiokunst als Teil der Kommunikationskunst zu definieren und damit Simultanität oder Horizontalität der elektronischen Netzwerke in den Kontext des traditionellen Rundfunks einzuführen. Seit 1995 erstreckt sich die Produktion von Radiokunst via KUNSTRADIO ON LINE auch ins Internet.
”Die Möglichkeit von in verschiedenen Zeitzonen stationierten Radiosendern … der Synthese von Simultanaktionen … der Nutzung der Interferenz zwischen den Sendern … einer Kunst ohne Zeit und Raum …” (LA RADIA, ein futuristisches Manifest von F. T. Marinetti and Pino Masnata, 1933).
1996 brachte das internationale Live-Projekt RIVERS & BRIDGES (vgl. den Ars Electronica Katalog 1996 und http://thing.at/orfkunstradio/RIV_BRI/) 18 Stunden Live-RealAudio mit Klängen und Geräuschen von der ganzen Welt. Eine Gruppe von Künstlern, Komponisten und Technikern verband diesen Live-Stream mit einer großen Menge ständig aktualisierter Informationen und den Bildern mehrerer Webcams von einigen der zahlreichen simultanen Performances und Installationen. 1997 fand ein ähnlich verteilter – als 24 Stunden Live-Webradio angekündigter – Produktionsprozeß im Rahmen der vier ”on air-on line-on site”-Episoden von RECYCLING THE FUTURE (http://thing.at/orfkunstradio/FUTURE) statt: In bis zu zehntägigen Produktionszeiträumen stellten verschiedene Locations gemeinsame Live-RealAudio-Streams, Live-Bilder und laufend aktualisierte Texte her, auf die man über spezielle Oberflächen zugreifen konnte.
”… wir sind (um es zurückhaltend auszudrücken) etwas Neuem und Interessantem auf der Spur; wir haben eine Interpretationsmethode gefunden, die sich von der traditionell-musikalischen wesentlich unterscheidet. Ja, es handelt sich dabei nicht einmal um Musik. Wegen seiner Struktur (die mich irgendwie an mitternächtliches Talkradio erinnert), der Tatsache, daß auch andere Elemente als nur Noten eine Rolle spielen, der strikten ,Live,-Produktion und der ,Zentrumslosigkeit,, nenne ich das Ganze improvisiertes Radio.” (Sergio Messina in einer E-mail nach RECYCLING THE FUTURE IV)
Im Sommer 1998 arbeitete IMMERSIVE SOUND, eine fünf Wochen dauernde Installation mit dem Hautpstandort Bregenz, Inputs von anderen Installationen und Locations unter anderem in einen Live-RealAudio-Mix ein, der seinerseits wieder Teil eines verteilten Online-Produktionsprozesses wurde. Bei all diesen Projekten waren die Online-Aktivitäten nur ein Aspekt eines viel komplexeren Prozesses, der on air-, on site- und Online-Kontexte miteinander vernetzte.

STATIC BETWEEN THE STATIONS auf dem Ars Electronica Festival 1988 bildet einen weiteren Schritt im diesem laufenden Prozeß künstlerischer Medienreflexion. Welche Form die Arbeit haben wird, wenn das Festival in Gang ist, bleibt offen. Zweifellos aber wir das Generalthema INFOWAR einen Einfluß auf die Inhalte der im Rahmen dieses Projekts arbeitenden Radionkünstler haben – in Linz und anderswo.
”Im Sommer 1935 erprobte die Nachrichtenmittelversuchsanstalt zum ersten Mal das Impulsverfahren zur Entfernungsmessung. Auf dem Schirm einer Braunschen Röhre konnte die Entfernung des Kreuzers 'Königsberg' mit einer Genauigkeit von 50 Metern abgelesen werden.

Im November desselben Jahres hielt Martin Heidegger seine Vorlesung 'Vom Ursprung des Kunstwerkes' … Radar und Radionavigationstechnik sind im Unterschied zu Van Goghs Bauernschuhen Waffen … (Bernhard Siegert: ”Eskalation eines Mediums”. In: On the Air. Kunst im öffentlichen Datenraum, TRANSIT, Innsbruck 1993)

”Seit über 30 Jahren wird der Kurzwellenbereich von den Nachrichtendiensten der Welt zur Übertragung geheimer Informationen benutzt. Übertragen werden diese Informationen mit Hilfe Hunderter 'Nummernsender'. Kurzwellen-Nummernsender sind eine perfekte Methode der anonymen Einwegkommunikation. Durch sie können Spione überall auf der Welt von ihren Herren über kleine, lokal verfügbare und unmodifizierte Kurzwellenempfänger erreicht werden. Das von den Nummernsendern verwendete Verschlüsselungsverfahren ist absolut unknackbar. Nimmt man dazu den Umstand, daß es so gut wie unmöglich ist, die Nachrichtenempfänger ausfinding zu machen, wenn sie einmal im Feindesland stationiert sind, so wird klar, wie leistungsfähig das Nummernsendersystem ist. Nummernsender übertragen nach äußerst starren Sendezeiten und können von jedem Kurzwellenradiobesitzer empfangen werden.

… Man könnte meinen, daß diese Spionageaktivitäten seit dem Ende des kalten Krieges wesentlich zurückgegangen sind, aber nichts könnte falscher sein …" (Akin Fernandez, THE CONET PROJECT)

”Mit der wachsenden Zahl von UKW-Radiosendern (speziell in Europa) wird die Selektivität und das dynamische Verhalten von Radiohörern zum Problem. Eine Lösung für dieses Problem bieten speziell entwickelte Analog-Chips. Informationskrieg gegen sich selbst: elektromagnetsicher Impuls: Während des Golfkriegs 1991 bestand die ernste Gefahr eines Zusammenbruchs sämtlicher elektromagnetischer Geräte aufgrund einer Überbelastung des Äthers durch Kommunikations-, Radar- und Waffensysteme.” (Gert Jan Pris, 1998)

”Das Radio, das wir kennen, ist das nicht-digitale Radio … (dieses) Radio ist mit einer Hypothek belastet … Der Ort des Radios heute ist eine Abrüstung. Ich finde es toll, daß sich der Ort des Radios gleichsetzt mit dem Ort anderer Medien, daß Radio etwas ist, das neben anderen Medien existiert, denn dadurch wird es freier …” (Wolfgang Hagen in einem Gespräch mit Susanna Niedermayr. 1997)


The Frequency Clock
VON RADIOQUALIA

Projektbeschreibung
  1. Eine Reihe von zwölf Mikro-UKW-Sendern wird bei openXin regelmäßigen Abständen im Raum installiert.

  2. Jeder Sender ist eine physische Repräsentation eines Sprungs in den globalen Zeitzonen. Der Raum zwischen den Sendern repräsentiert den Übergang zwischen den Zeitzonen.

  3. Von jedem Sender wird Audiomaterial von net.radio-Stationen ausgestrahlt.

  4. Der Senderadius entspricht jeweils der Hälfte des Abstands zwischen den Sendern.

  5. Die vom jeweiligen Sender ausgestrahlte net.radio-Station stammt aus der vom Sender repräsentierten Zeitzone.

  6. Alle Sender senden auf derselben UKW-Frequenz.

  7. Das Publikum wird aufgefordert, diesen Raum zu durchqueren.

  8. An das Publikum werden UKW-Empfänger mit Kopfhörern ausgegeben, die auf die Mikrosender eingestellt sind.

  9. Das Publikum erfährt mit dem Durchqueren der Zeitzonen und ihrer net.radio-Einheiten die Vielfalt von net.radio.
THE FREQUENCY CLOCK ist eine sehr einfache aber effektvolle Demonstration der Beziehung zwischen net.radio und terrestrischem Radio. Das Projekt gibt dem Publikum, die Möglichkeit, die Ähnlichkeiten und fundamentalen Unterschiede zwischen diesen beiden Medien zu erkunden.