National Heritage geht zum InfoWar über
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Mongrel
Die Informationsgesellschaft ist, so steht es in einem Statement zur Ars Electronica 98 InfoWar-Aussendung, ”nicht länger ein vages Versprechen auf eine bessere Zukunft, sondern Realität und zentrale Herausforderung unserer Gegenwart”. Eine Herausforderung von der Art: Wie können wir Vertrauen zu den Leuten haben, die für die ”bessere Zukunft” zuständig sind, wenn es sich um dieselben handelt, die uns schon aus der Vergangenheit ausgeschlossen haben?
Auf seine eigene kleine Art führt National Heritage einen InfoWar: gegen den rassisch reinen Utopismus von der amerikanischen Westküste, der uns glauben machen möchte, die Informationstechnologie an sich könne eine bessere Welt hervorbringen; oder gegen den höchst gegenwärtigen euro-autoritären Einsatz von Technologie, wie er von einem Sprecher auf der Imagina 97 vorgeschlagen wurde: ”Nun, da die Zeit der Pioniere und Propheten vorüber ist, ist die Zeit für die Meisterschaft gekommen: für die politische, kulturelle, soziale und schöpferische Meisterschaft. Wir müssen das Fundament für die im Entstehen begriffene Cyberzivilisation legen.” Mongrel versucht, eine Abtreibung an dieser Art von Cyberzivilisation vorzunehmen, die er als Fehlentwicklung eines reichen Elitismus diagnostiziert.
Mongrel setzt sich mit der Fähigkeit des Computers auseinander, das Bild seiner Herrn und Meister unendlich oft zu reproduzieren. Mongrels wiederholtes Einschlagen auf die blutige Fehlgeburt der Cyberzivilisation zwingt die Bilder derer in den Blick, die da so ”fein säuberlich” reproduziert werden – und sieht in den Brieftaschen derer nach, die davon profitieren. Mongrel möchte diesen Dingen ins Gesicht sehen und dahinterkommen, welche Farbe dieses Gesicht hat.
Wir haben uns die spezifischen gesellschaftlichen Verhältnisse im Umfeld der neuen Medien angesehen, vor allem inwiefern sie dazu beitragen, Bilder von Rasse, Eugenik und Konflikten unter einer bestimmten Bevölkerung zu konstruieren: Rassische Konstruktionen im Form von mentalen Bildern sind mehr als bloße Zeichen biologischer oder kultureller Gleichheit. Es sind Konstrukte der sozialen Imagination, die in geographische Regionen und technologische Schauplätze eingeschrieben werden. Diese Fabrikationen von Rasse haben nachweisbare Verbindungen zu ganz bestimmten historischen Verhältnissen, von Erfahrungen wie Sklaverei, Arbeitsmigration und Kolonisierung bis hin zu denen, die Freundschaft und Familienleben betreffen. Rassische Bilder sind erfüllt von sozialen und politischen Prozessen, aus denen sie hervorgehen und zu denen sie wiederum beitragen. Im Bild der verschiedenen Rassen drückt sich das politische und wirtschaftliche Rassenverhältnis einer Gesellschaft aus.
Ein einfacher Blick in die Sonntagszeitungen konfrontiert einen z.B. schon mit Szenen, in denen arme schwarze, braune oder gelbe Babies hungern, während daneben in anderen Szenen weiße Babies darauf warten, daß man ihre übervollen Wegwerfwindeln wechselt, die mehr kosten als ein lebensrettendes Mahl für eines der farbigen Babies.
Wenn solche Muster generell in der Gesellschaft zirkulieren, welche Einsichten können wir dann aus einem näheren Blick auf die Bilder im Cyberland gewinnen? Da lassen sich einige recht gezielte Fragen stellen, wie etwa: Wann haben sie das letzte Mal einen schwarzen, braunen oder gelben Menschen im Apple-Magazin gesehen? Oder: Warum war das Nippon-Betriebssystem in Japan so teuer? Ein paar Magazine haben zwar eine Vorliebe für Bilder von modemliebkosenden japanischen Frauen, aber CyberEuropa und CyberUSA zeichnen sich durch eine fast völlige Abwesenheit von rassisch gemischten Bildern von Schwarzen oder Asiaten und überhaupt durch einen Mangel an ”unreinen” sozialen Beziehungen aus. Dieses Fehlen – oder strategische Vergessen – von Bastardbildern im Bereich der Technokultur ist bei weitem mehr als nur eine Widerspiegelung des Eigeninteresses oder der spezifischen Erfahrungen und Aspirationen der wortführenden ”Digiraten” und ihrer alles schluckenden Klasse von Konsumenten. Die neuen Techno-Vollblüter unterziehen die ”CyberNation” einem aktiven ethnischen Bleichungsritual: einer Art ethnischer Säuberung, nur weniger diskriminierend, viel sauberer.
Zur Jahrhundertwende stand der Bau der Chikagoer Wolkenkratzer für ein ähnliches, wenngleich weniger ambitioniertes Vorhaben. Die Chikagoer Elite versuchte nur den Gestank von Amerikas größtem Schlachthof loszuwerden und gab dazu die Parole aus: ”Beschäftigen wir uns nicht mit dem verrottenden Kadaver, bauen wir uns lieber einen Palast im Himmel”.
Heute fungieren rassisch und kulturell dominante Gesellschaftsgruppen als Publikum für ihr eigenes technokulturelles Medienprodukt. Gebleichte Bilder, die sich selbstgefällig rituell distanzieren, installieren diese Gruppen symbolisch als das richtige Personal für die Kontrolle, Eindämmung und Zensur im Cyberland.
Digitales Klonen hat zwar zur Infragestellung allgemein akzeptierter Vorstellungen von Originalität und Genialität und zu einer Neubewertung der Codes kultureller Produktion beigetragen – aber nur solange das nicht unreine oder unbequeme soziale Beziehungen einschließt.
Angesichts der rassischen Codierung und des Elitismus der meisten Veranstaltungen elektronischer Kunst denken die Teilnehmer vielleicht noch immer, daß sie ja doch im Innersten liebenswert seien. Die multikulturelle ”Verstehen-wir-uns-doch-und-werden-wir-miteinander-glücklich”-Nummer war lange Zeit eine der Haupttaktiken, um eine harte, schwierige Auseinandersetzung hinter einem Love-in im Stil der sechziger Jahre zu verstecken. Aber Bastardkulturen haben schon zu viel intellektuelle Strenge gewonnen, um sich mit einer Blume im Gewehrlauf abspeisen zu lassen. Dies ist ”ein Kampf, in dem die Macht des Wissens als gewinnbringendes Monopol bewirtschaftet wird” – wie es in der InfoWar-Aussendung heißt.
Unsere Gesellschaften scheinen aus den Tragödien dieses Jahrhunderts nichts gelernt zu haben. Diese werden heute von den Militärtechnologien, aus denen die neuen Medien hervorgegangen sind, noch übertroffen. Sind wir etwa im Begriff, Kulturräume in Abhängigkeit von denselben Waffenhändlerkasten umzugestalten, die einst von Krieg, Sklaverei, Arbeitsmigration, Armut, Tod und Krankheit profitierten? Oder werden wir ihre Zukunft ein wenig beschmutzen und ihre Begierden mit einer Dosis unbequemen sozialen Unrats komplizieren?KULTURELLES PRESTIGE UND ENGLISCHE KUNST ODER IGNORANZ UND UNRAT Lange Zeit wurde in Großbritannien übersehen, daß Kunst wesentlich auf Rasse, Rassismus und nationale Identität gegründet ist. Zwar sind viele schwarze Künstler auf diesem Feld tätig geworden, aber ihre Arbeiten stellen sich selten gegen den ästhetischen und administrativen Modus operandi, in dem sie stehen. Als Folge davon entsteht in der Kunstöffentlichkeit ein Selbstbild, das die gängige Annahme bestärkt, diejenigen, die ”geistigen Dingen” nachgehen und ”kulturell anspruchsvolle Ereignisse” besuchen, stünden über den Niederungen rassischer Auseinandersetzungen – ein Selbstbild, das diese Leute aktiv kultivieren, indem sie sich als ”anti”- oder ”post”-rassistisch darstellen.
Ein paar schwarzen britischen Künstlern ein Reststück Ausstellungsfläche zuzuteilen, wird dann zum Vorwand für die sorgfältige Vermeidung dieser Probleme außerhalb des ”gereinigten” Raums der Hochkultur. Rassismen werden so ausschließlich unter der großen Mehrheit derer angesiedelt, die nicht zu den Besuchern prestigeträchtiger Kulturereignisse gehören – kurzum bei denen, die in den subalternen englischen Straßenkulturen zuhause sind. Auf diese Weise kann der Ausschluß aus der gehobenen Welt als selbstverschuldet abgeschrieben werden. So wird es zum Gemeinverständnis, daß solche Straßenkulturen rassistische Zusammenrottungen von Ignoranz und Unrat sind und daß ein Kunstwerk, das sich an einem kulturell anspruchsvollen Ort mit Rasse, Rassismus und nationaler Identität auseinandersetzt, eine überflüssige Predigt vor Bekehrten ist.
Doch die Politik in Sachen Rasse und Kultur hat sich geändert. Der enge, selbstgerechte, kunstliebende Post-Rassismus ist offen gesagt eine lächerliche Idee. Das Selbstbewußtsein subalterner Staßenkulturen im Umgang mit Rassenfragen läßt sich an ihrer impliziten Philosophie des Mixens und ihren bastardisierten Hymnen demonstrieren. Was nicht heißen soll, daß Rassismen in irgendeiner erkennbaren Weise abgenommen hätten. Aber der Boden, auf dem sie ihre Fundamente bauen, verschiebt sich. Der Post-Rassismus der Kunstwelt wird durch den selbstgerechten Moralismus der evangelistischen Kunstkader, die ihn vertreten, nur noch lächerlicher.
Wichtig ist, daß wir bei der Betrachtung alternativer technologischer Kunstpraktiken und ihres Verhältnisses zur privilegierten Kultur auch die Prinzipien überdenken, die der Beurteilung von Kunst zugrunde liegen. Die Vorstellung von der Universalität der Kunst bildet die Grundlage des ästhetischen Urteils. Sie ist die Wurzel, auf die die Prinzipien des guten Geschmacks aufgepfropft werden. Kulturelle Vorherrschaft entsteht dadurch, daß der Geschmack als Maß der Entfernung zwischen denen, die Geschmack haben, und denen, die keinen haben, eingesetzt wird. Dabei ist Universalität eine Konvention, die selbst aus Auseinandersetzungen hervorging, in denen Rassenunterschiede eine zentrale Rolle spielten. Lange bevor sich der wissenschaftliche Rassismus durchsetzte, behauptete Hegel, der Hauptunterschied zwischen der schwarzen und der weißen Rasse sei einer der Kultur und der Wahrnehmung. Hegel schrieb, Schwarze hätten nicht die Fähigkeit, das mit der Schöpfung von wahrhaft symbolischer Kunst verbundene Mysterium zu würdigen und stellten sich damit außerhalb des Bereichs authentischen künstlerischen Empfindens. Kritische Dialoge zwischen Professionalisten – Kuratoren und Künstlern – und Publikum innerhalb der englischen Kunstszene stützen sich eindeutig auf einen Fundus historischer Prinzipien, der im Zeitalter Hegels entstanden ist, in dem die westliche Zivilisation von Sklaverei, Leibeigenschaft und Kinderzwangsarbeit geprägt war. Das ästhetische Urteil bleibt weiterhin etwas fundamental Politisches.
Wir müssen die Grenzen niederreißen, die von einer speziellen Kunstdisziplin, von der Professionalisierung und der Geschmackshierarchie aufgerichtet wurden. Wir können damit beginnen, daß wir die bastardisierten Formen der Kultur mit ihren verschiedenen ”unreinen” sozialen Beziehungen hereinbitten. Wir können einen Umgang mit dem verrottenden Kadaver von Hegels ”wahrhaft symbolischer Kunst” finden und ihn endlich begraben.
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