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Ars Electronica 1998
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Festival 1979-2007
 

 

Prix Ars Electronica
Cyberarts 98

'Christine Schöpf Christine Schöpf

In der Ära der zunehmenden Digitalisierung aller Lebensbereiche und somit auch der Kunst erfordern traditionelle Theorien und Beschreibungsversuche eine Neuformulierung. Galt über Jahrzehnte für die Medienkunst, im speziellen für Film, Fotografie und Video, das Benjamin'sche Postulat der Reproduzierbarkeit von Kunst auch in bezug auf kunst- und kulturtheoretische Grundlagen, stellten das rapide Aufkommen der Digitaltechnik als umfassendes neues Medium und die Interaktivität als Schlüsselkulturtechnik unserer Tage den kreativ Schaffenden ebenso wie den Rezipienten vor neue Anforderungen. Das bedeutet darüber hinaus eine radikale Neuformulierung der Kunst, die in unseren Tagen einerseits zunehmend in Netzwerken und hinter Bildschirmen verschwindet und die andererseits – und dies naturgemäß – die Schranken zwischen Hochkultur und Alltagskultur, zwischen E- und U-Kunst abbaut; einer Kunst, die wie nie zuvor eins wird mit dem Medium selbst.

Dies war Anlaß für den ORF als Initiator und Mitveranstalter der Ars Electronica, Festival für Kunst, Technolgie und Gesellschaft seit 1979, einen nächsten Schritt zu setzen:
Der Prix Ars Electronica, 1987 erstmals innerhalb des Festivals als Wettbewerb für Computerkunst international ausgeschrieben, verstand und versteht sich heute noch als Einladung für Künstler, Wissenschafter und Entwickler weltweit, die mit ihren Arbeiten Neuansätze im Bereich künstlerisch-kultureller Gestaltung digitaler Medien im Sinn einer neuen Avantgarde und abseits industrieller Denkweisen formulieren und damit den Grundstock für die aufkommende Cyberkunst legten.

Grundsätzlich war und ist der Prix Ars Electronica ein interdiszplinäres Forum für Kreateure unterschiedlicher Disziplinen – für Musiker ebenso wie für Animatoren und Bildkünstler oder wie mittlerweile für die Konzepteure neuer Interfaces oder wegweisender Netzapplikationen. Dazu kommen 1998 in Österreich lebende Jugendliche unter 19 – die Cybergeneration –, die unter dem Motto ”Freestyle Computing” ebenfalls zum Wettbewerb eingeladen wurden.

Von Beginn an war der Prix Ars Electronica als eine offene Plattform konzipiert, um auf die rapiden Veränderungen im Bereich der neuen Medien reagieren zu können: In den ersten Jahren wurde der Wettbewerb für Computeranimation, Computermusik und Computerbilder ausgeschrieben. 1990 kam die Interaktive Kunst als vierte Wettbewerbskategorie dazu, und 1995 wurde die bestehende Sparte für Computerbilder durch die für das World Wide Web ersetzt.

Gleichgeblieben ist der Anspruch auf Preisgelder, die in ihrer Höhe vergleichbar sind mit international vergebenen Preisen in den traditionellen Kunstbereichen. Dies sollte den Respekt gegenüber den neuen Kunstbestrebungen signalisieren. 1998 werden Geldpreise in der Höhe von ATS 1,35 Mio und Sachpreise (in der neuen Kategorie U 19/ Cybergeneration-Freestylecomputing) im Wert von rund ATS 0,2 Mio vergeben. Damit ist der Prix Ars Electronica der von Beginn an höchst dotierte Wettbewerb für Cyberkunst. Ermöglicht wird dies seit Beginn des Prix Ars Electronica durch das Engagement von Sponsoren und Förderern wie Siemens, Siemens Nixdorf, VOEST-ALPINE STAHL, das Land Oberösterreich, die Stadt Linz, Kapsch, Gerhard Andlinger Company, Datakom und die Österreichische Postsparkasse (P.S.K.).

Haupttrophäe in den mittlerweile fünf Wettbewerbskategorien ist die Goldene Nica, jene Statuette, die der im Louvre stehenden Nike von Samothrake, der Göttin des Sieges, Reverenz erweist. Sie gilt mittlerweile als der Oscar der digitalen Medien. Persönlichkeiten wie John Lasseter, Tamás Waliczky, Joan Stavely, Kaija Saarihao, Karl Sims, Tim Berners-Lee, Myron Krueger, Monika Fleischmann/Wolfgang Strauß, Knowbotic Research, Toshio Iwai/Ryuichi Sakamoto, Matt Heckert, Maurice Benayoun/Jean-Baptiste Barrière sowie Institutionen wie Industrial Light & Magic, Digital Domain u.a.m. zählen zu den Gewinnern der Goldenen Nica des Prix Ars Electronica seit 1987.

Im Lauf der Jahre wurde der Prix Ars Electronica zunehmend zum Mittelpunkt des Festivals Ars Electronica. Im Rahmen des alljährlich stattfindenden themenbezogenen Festivals ist er das Spiegelbild der aktuellen Medienkunst. 1.300 Projekte wurden 1998 aus 40 Ländern zum Prix Ars Electronica eingereicht, dazu kommen 540 Projekte im Bereich der neuen U19-Kategorie. Kein Kurator der Welt könnte in einem Jahr diese Quantität an Arbeiten begutachten, bereisen, erfassen und bearbeiten. Im Prix Ars Electronica sind es mittlerweile fünf internationale Fachjurys, die pro Jahr drei Geldpreise pro Kategorie und bis zu 12 Anerkennungen pro Kategorie vergeben. Ihnen gehörten 1998 an: Michael Naimark, John Markoff, Machiko Kusahara, Hans-Peter Schwarz, Jon Snoddy (Interaktive Kunst), Jean-Baptiste Barrière, Naut Humon, Laetitia Sonami, Jonty Harrison, Werner Vollert (Computermusik), Mark Dippé, Barbara Robertson, Peter Kogler, Rudolf John, Maurice Benayoun, Michael Wahrman, Larry Cuba (Computeranimation/Visual Effects), Joichi Ito, Derrick de Kerkhove, John Simon jr, Andreas Broeckmann, Robert Gehorsam (.net), Stephan Sagmeister, Sirikit Amann, Norman Filz, Günther Hupfer und etoy.taki (U19).

Für sie und ihr Engagement im Prix Ars Electronica ist ein Gesichtspunkt vereinigend: Die Digitalisierung greift an der Jahrtausendwende in alle Lebensbereiche ein, und das bedeutet radikale Veränderungen für Individuen ebenso wie für komplexe Wirtschafts-, Finanz- und Politsysteme. Einer naturgemäß industrie- und kommerzorientierten Entwicklung und Produktion setzt eine neue Generation von Künstlern, Wissenschaftern und Forschern weltweit ihre Position entgegen. Sie sind die Schöpfer neuer Interfaces, die Wizzards im Netz, die Gestalter neuer Bild- und Klangwelten, die Cypherpunks als kritisches Potential unserer Tage und damit die Avantgarde der Kommunikation von morgen.

Ausgewählte Arbeiten des Prix Ars Electronica 98 werden in der Ausstellung ”Cyberarts 98” im O. K. Centrum für Gegenwartskunst präsentiert. Detaillierte Beschreibungen der Projekte finden Sie im Buch ”Cyberarts 98. Internationales Compendium Prix Ars Electronica”, herausgegeben von H. Leopoldseder/C. Schöpf, SpringerWienNewYork 1998.