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Ars Electronica 1998
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Festival 1979-2007
 

 

Censoratorium


'Rupert Huber Rupert Huber

1;
möglicherweise werden weltweit telephon-, fax- und e-mailverbindungen von institutionen wie ”fas” (the federation of american scientists) gemäß dem ”ukusa”-abkommen mittels multilingualer spracherkennungsprogramme nach reizworten abgesucht (zur sogenannten terrorbekämpfung etc).
2;
censoratorium ist eine röntgenaufnahme der der zensur innewohnenden entwicklung, eine sich von konkretem, reagierendem verbot bis zum agierenden selbstzweck entwickelnde struktur. ausgehend von der umkehrung des zensurprinzipes – das zensierte wird hörbar gemacht statt unterdrückt – entsteht mit dem oratorium ein kompositorischer/komponierter schaukampf zwischen musik und sprache: instrumentalmusik wird von mit der zeit immer häufiger auftretenden reizworten gebrochen und schließlich verdrängt.

wortsäulen bauen sich auf, vergrößern sich, werden zu einer wortmauer, schließen den wortraum ein. das libretto entsteht aus dem reizwortkatalog und den in echtzeit abgehörten geräuschen von selbst. die instrumentale musik ist ein raum, in den das gesungene wort – wie in einen orchestergraben – direkt hineinfällt.
3; DUELL MUSIK UND SPRACHE
das stück beginnt mit instrumentaler elektronischer musik. deren fluß wird nach und nach von gehäuft auftretenden reizworten gestört, die von drei menschlichen und drei elektronischen stimmen wiedergegeben werden. ein reizwort löscht den klang gleicher frequenz oder kategorie aus. stimm- und sprachklänge bleiben über.
3a;
1. teil: instrumentalmusik wird von menschlichen stimmen ”verdrängt”
2. teil: sampler gesellt sich dazu, instrumentalmusik/sampler/menschliche stimmen
3. teil: instrumentalmusik verdrängt, wortdichte rhythmisch und der frequenz nach hoch
4;
entfernt werden im publikumsbereich mikrophone installiert. sie liefern einen impuls, der die stimmen veranlaßt, reizworte festgelegten parametern folgend zu artikulieren. im kopf des zensors wurde der reizwortkatalog aus der befürchtung der möglichen konsequenz erstellt. das vokale trio, in dem jedes reizwort den musikklang gleicher frequenz, lautheit und rhythmischer position auslöscht, wird in der folge durch den maschinellen reizwortpool erweitert und bedrängt, die entwicklung von einer instrumental- zu einer vokalkomposition vorantreibend.
5; REIZWORTKATALOG
es handelt sich um worte, die aus der sicht eines zensors die möglichkeit einer unerlaubten geistigen oder emotionalen betätigung eröffnen oder schon deren resultat sind.

nachdem worte und sprache nicht eindimensional (er)faßbar sind, das zensursystem (erst recht das mehrsprachige) aber nur mit konkreten/eindimensionalen bedeutungen operieren kann, sich gleichzeitig aber dieses unvermögens bewußt ist und daher die zensur bis ins absurde ausdehnt (da letztendlich jedes wort/jeder mensch eine gefahr darstellt),vergrößert sich der reizwortkatalog automatisch im lauf der zeit. ebenso steigert sich die dichte des zensureinsatzes: mehr wird erfaßt, mehr wird verboten, ein immer größerer personenkreis verdächtigt.

die aufgabe kann nur mehr maschinell bewältigt werden. die frequenz der zensuranwendung steigert sich immer mehr. Schließlich wird die menschliche vokale ebene selbst zum trigger für die maschine. alle reizworte sind ent-reizt, und aus sprache ist stimmklang und aus wortfolgen ist rhythmus geworden – eine eigene reizwortsprache, mit eigenem rhythmus, eigenem klang, die zum selbstzweck wird, ist entstanden. so schafft die zensurmaschine ihre eigene welt. in dieser welt ist es eventuell sogar möglich, durch kombinationen von zensierten worten (rhythmus,klang,inhalt) (unerlaubte!) geistige und emotionale betätigungen zu auszuüben …

die maschine wird zu einem fall für sich selbst.
6; MUSIKVERDRÄNGUNGSREIZWORT
wortschatten sind bereiche eines wortes, die eine zusätzliche bedeutung haben, ohne diese tatsächlich zu nennen – unter/zwischentöne, hintergedanken; die verschiedenen wortschatten, wortbedeutungen – direkt, indirekt, vorder/hintergrund – treten auch in filterung und artikulation eines wortes oder lautes auf. ebenso wie die mögliche bedeutungstiefe eines wortes wird auch seine zerteilung von der zensur betrieben; einzelne buchstaben werden immer verdächtiger.

entlang dieses grundmusters an verdacht, zweifel, mißtrauen und angst entwickelt sich ein wort- und lautrhythmus, der sich bis zur auslöschung jeder worttiefe und -gestalt getrieben fühlt; dem einzelnen buchstaben soll nur mehr seine ”tatsächliche” klangbedeutung zukommen.

der versuch, sprache durch verbote zu kontrollieren, mündet in die absicht, sprache aufzulösen; der endpunkt des zensurprogramms ist das schweigen, nicht das der sprache, sondern das des zensors, der unter seinem eigenen druck erstickt und sein unvermögen der rechenleistung einer maschine aufbürdet.
7; DAS VERKLINGEN EINES WORTES
spezielles augenmerk wird auf das verhältnis sprachraum und musik gelegt, da der zensur die möglichkeiten der musik zur gestaltung eines wortes unheimlich und ein dorn im auge sind.

einzelnen worten, deren bedeutung historisch gewachsen ist, werden formen des zusammenspiels von klang und sprache zugewiesen; die zensur läßt somit die musikgeschichtliche möglichkeit zur interpretation nicht außer acht.
7a;
von einem wort gehen zwei bedeutungen aus; zwei rhythmen bewegen sich von einem (w)ort weg.
8;
die sänger agieren einer einstudierten grundstruktur folgend nach einer live erstellten partitur. die darbietenden befinden sich nicht auf einer bühne, sondern agieren von einer art raumsteuerungszentrale aus.
9;
der reizwortkatalog ist in wort und ton im www angelegt. die publikumsmikrophone werden – paralell zur gesamten aufführung – im www real audio live übertragen. dadurch wird die struktur des stückes und die reaktion der zensur im internet transparent, einseh- und anhörbar.
10;
censoratorium ist gleichzeitig eine station des music super collider (siehe Seite 273); die aufführung ist eingebettet in einen von tosca gestalteten abend.
11; The UKUSA Community (1)
Canadian SIGINT activities take place, and can only be understood, in the wider context of the UKUSA SIGINT community, a secret SIGINT alliance that traces its origins to the Second World War.1 The postwar continuation of this intelligence alliance was formalized in 1947 or 1948 with the signing of the still-secret UKUSA SIGINT co-operation and information-sharing agreement between the United Kingdom and the United States. The member agencies of the UKUSA community include the Communications Security Establishment, the United States’ National Security Agency (NSA), the United Kingdom's Government Communications Headquarters (GCHQ), Australia's Defence Signals Directorate (DSD), and New Zealand's Government Communications Security Bureau (GCSB). A number of other countries' SIGINT agencies also participate in the UKUSA community, including those of Germany, Japan, Norway, South Korea, and Turkey. These countries are sometimes described as "third party" members of the agreement. In addition, some countries, such as China, host UKUSA SIGINT stations or share SIGINT on a more limited basis.

Besetzung
menschliche, elektronische stimmen, musikelektronik, visuelle raumgestaltung, regie, www: Gisburg, Anna Clementi, Bettina Wackernagel, Mike Daliot, Isabella Bordoni, Richard Dorfmeister, Rupert Huber, Daniel Scheffler

(1)
http://www.tscm.com/cseukusa.htmlzurück

weitere infos unter: http://www.fas.org/irp/nsa, http://www.cse.dnd.ca, http://www.nsa.gov, http://www.odci.gov/cia

Censoratorium ist eine Kooperation von Ars Electronica Center und O. K Centrum für Gegenwartskunst.