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'Kunda Dixit Kunda Dixit

KRIEG UND MEDIEN IM ZEITALTER DER SATELLITEN
Viele von uns können sich kaum mehr an die Euphorie erinnern (oder denken nur ungläubig daran zurück), die das offizielle Ende des Kalten Krieges auslöste. Daran, wie eine Supermacht zerbrach und wir die atemberaubende Beschleunigung der Geschichte live im Fernsehen verfolgten. Heute, fast zehn Jahre später, wissen wir, daß damit nicht das Ende der Geschichte gekommen war. Weder Fairneß noch Gerechtigkeit fanden plötzlich ihren Weg zurück in die internationalen Beziehungen. Der Kalte Krieg mag zu Ende sein, aber die Kriege in der Dritten Welt haben nichts von ihrer Grausamkeit verloren. Die Supermächte hinterließen den von ihnen im Stich gelassenen Guerillas ausreichend Waffen, so daß diese jahrzehntelang weiter kämpfen könnten. In der Folge arteten Stellvertreterkriege zu Stammesfehden aus, aber die internationalen Medien waren längst mit anderen Themen beschäftigt.

Auf das Jahr 1989 zurückblickend, müssen wir uns heute fragen, ob nicht vielleicht die weltumspannenden Medien mit ihrer übereifrigen Berichterstattung über die dramatischen Ereignisse in Europa diese Euphorie auslösten und ob dadurch die Erwartungen nicht zu hoch geschraubt wurden. Während des Kalten Krieges fiel es den internationalen Medien nicht schwer, die Guten von den Bösen zu unterscheiden. Im allgemeinen spiegelte diese “Schwarz-Weiß”-Berichterstattung die Interessen der Supermächte wider, und es fehlte die Zeit, um die Ereignisse in den Entwicklungsländern in ihrem richtigen Zusammenhang zu erklären.

Die Bedürfnisse und Probleme der ärmeren zwei Drittel der Weltbevölkerung waren nur von Interesse, wenn sie irgendwie die strategischen Interessen der mächtigen Staaten und Unternehmen berührten. Dan Rather zog also seine kugelsichere Weste an und fuhr tatsächlich nach Kabul, um von dort seinen Bericht zu senden. Nun, da aus den bösen Buben des Kalten Krieges gute Jungs geworden sind, reagieren die internationalen Medien verwirrt. Während Länder wie Afghanistan, Sri Lanka, Kambodscha und Angola weiterhin von Kriegen geplagt werden, bemühen sie sich gar nicht mehr um ein Verständnis der Hintergründe.

Von Zeit zu Zeit gilt es, über ein wirklich wichtiges, strategisches Ereignis zu berichten, wie z.B. 1992 über den Krieg zwischen Kuwait und Irak. Und dann wird der Einsatz von US-Flugzeugträgern und britischen Tornadostaffeln in der Berichterstattung so dargestellt, als handle es sich um den Weltcup. Die Fernsehberichterstattung verleiht dem modernen Krieg eine besondere Faszination, indem sie ihn den Videospielen nachempfindet. Sie zeigt intelligente Bomben, die ihr Ziel niemals verfehlen, und markige Piloten mit vorgerecktem Kinn, die den Darstellern aus Mortal Kombat ähneln. Am Flughafen von Hongkong beobachtete ich einmal live im Fernsehen, wie US-Marinetruppen im gleißenden Licht der Kamerascheinwerfer, die sie am Strand begrüßten, an Land wateten. Licht, Kamera, Action: Spielen wir Krieg.

Eines der tragischsten Beispiele für mediale Vernachlässigung nach Ende des Kalten Krieges in Südasien stellt Afghanistan dar. Solange die von den USA unterstützten Mudschaheddin mutig für die Freie Welt kämpften und sowjetische Kampfhubschrauber abschossen, wurde ausführlichst über diesen Krieg berichtet. Als sich die Rote Armee zurückzog, die Sowjetunion zerfiel, die Mudschaheddin einander abschlachteten und Kabul durch Bomben dem Erdboden gleichgemacht wurde, befaßten sich die Medien bereits mit Tschetschenien und Bosnien.

Aber auch wenn die Berichte mittlerweile von anderen geographischen Gebieten handeln, so ist die doppelte Moral aus der Zeit des Kalten Krieges in der Berichterstattung auch heute noch anzutreffen. Der Krieg zwischen Kuwait und Irak zeigte beispielhaft, wie medienerfahrene Armeen Bilder manipulieren und sich den Wettbewerb der um Einschaltquoten buhlenden Fernsehstationen nach dramatischen Aufnahmen zunutze machen können. Das Ergebnis: Klinisch saubere Berichte von einem weit entfernten Krieg, der uns den Appetit beim Abendessen nicht verdirbt.

Heute heißt der Feind nicht mehr Kommunismus, sondern Islam. Und in vielen Fällen, wie auch in Afghanistan, handelt es sich dabei um dieselben moslemischen Gruppen, die einst den Kommunismus bekämpften! Der Westen hält angesichts der Stinger-Raketen den Atem an. Es mangelt nicht an konservativen Akademikern, die willige Medien mit apokalyptischen Prophezeiungen über zukünftige zivilisatorische Konflikte versorgen. Pauschale Simplifizierungen und Stereotypisierungen sind zur Regel geworden, es besteht die Gefahr, daß sich das Ganze als selbsterfüllende Prophezeiung erweist. Das hat der angeblichen Bedrohung durch den islamischen Fundamentalismus eine militärische Dimension hinzugefügt und ihn außerdem zu einem gigantischen Feind aufgebauscht. Ein Titelbild des Time Magazine vor zwei Jahren zeigte die Silhouette eines Minaretts vor der untergehenden Sonne zusammen mit einer Hand, die eine Kalaschnikow schwingt. Die Überschrift in großen grünen Lettern lautete: “Islamischer Fundamentalismus – sollen wir uns fürchten?” Alle CNN-Berichte über islamische Fundamentalisten zeigen Aufnahmen von Moslems, die in einer Moschee im Gebet verharren. Dabei begehen sie den verhängnisvollen Fehler, eine ganze Religion mit einer militanten Randgruppe gleichzusetzen. Die US-Medien waren mit der von ihnen selbst aufgebauschten Bedrohung durch den islamischen Fundamentalismus so beschäftigt, daß sie dem wachsenden Fundamentalimus weißer Amerikaner im eigenen Hinterhof nicht bemerkten.

Die Lehren, die die Medien daraus ziehen sollten, sind eindeutig: Ihr Rolle sollte über das bloße Reagieren auf Ereignisse hinausgehen und auch die Berichterstattung über sich erst anbahnende Konflikte umfassen. Wenn die Cruise Missiles erst einmal startbereit und die schweren Geschütze aufgefahren sind, verstummen die Medien unter dem Eindruck des Krieges. Bosnien hat gezeigt, daß nicht einmal die traurigsten Stories über menschliches Elend und das Leiden unschuldiger Menschen im Herzen Europas ausreichen, um einen einmal entflammten Krieg zu beenden. Haben sie erst begonnen, scheinen Kriege ihren tragischen Verlauf nehmen zu müssen. Die Medien sind dann nur noch Chronisten des Blutbads. Das Satellitenfernsehen hat eine neue voyeuristische Dimension in die Kriegsberichterstattung gebracht. Die globalen Fernsehsender rühmen sich, als erste Live-Aufnahmen vom Sterben über den Bildschirm flimmern zu lassen. Aber welchen Sinn haben diese Berichte, wenn das große Schlachten bereits begonnen hat? Die Medien können helfen, indem sie Teil der Lösung und nicht Teil des Problems sind; indem sie in der Öffentlichkeit das Bewußtsein schaffen, daß Krieg nicht der Normalzustand ist.

Damit das geschieht, ist erstens ein journalistischer Paradigmenwechsel unerläßlich, so daß in die tägliche Arbeit der Reporter auch moralische Aspekte einfließen. Dafür wurde von Martin Bell der Begriff der “journalistischen Betroffenheit” geprägt. Zweitens, und dem kommt noch größere Bedeutung zu, sind neue internationale Richtlinien vonnöten, um die Exzesse der kommerzialisierten Medien unter Kontrolle zu halten. Dies gilt insbesondere für das globale Fernsehen, das mehr oder weniger zum propagandistischen Arm multinationaler Unternehmen verkommen ist.

Auf der ganzen Welt wird zur Zeit das Verhältnis zwischen Krieg und Medien neu analysiert. Die Aufforderung an die Journalisten, für den Frieden einzutreten, ist nicht unproblematisch. Journalisten lernen, daß sie weder für noch gegen etwas sein sollen. Der neue Journalismus muß also den Schritt wagen, die heilige Mediendoktrin der neutralen Berichterstattung in Frage zu stellen. Man kann dem Krieg ebenso wenig neutral gegenüber stehen wie dem Rassismus. Neutrale Berichterstattung ist zu einem journalistischen Glaubensbekenntnis geworden. Das kommt einer Kastration der Reporter gleich, die nicht mehr zwischen Richtig und Falsch unterscheiden können. Aus Journalisten werden bloße Stenographen, deren Verantwortung sich im Heranschaffen von Fakten erschöpft, ohne die für das Verständnis notwendigen Hintergrundanalysen. In diesem Fall wird Objektivität zu einem Vorwand, um sich nur ja keine eigene Meinung bilden zu müssen.

Wenn sich die Waage ohnehin zugunsten der Mächtigen neigt, begünstigt Objektivität die Machthaber noch zusätzlich. Die Gefahr der neutralen Berichterstattung liegt in der damit einhergehenden, unvermeidlichen Unterstützung der Institutionen, die die Gesellschaft beherrschen. Objektiv zu sein, unterminiert die Fähigkeit des Reporters, die Verantwortung für das Versagen der Gesellschaft denen zuzuschreiben, die sie lenken. Gleichzeitig ist er der Manipulation durch die Elitegruppen ausgesetzt, die die Medien kontrollieren. Die altgediente, in diesem Jahr verstorbene Autorin Martha Gelhorn, die ihre Karriere als eine der ersten weiblichen Kriegsberichterstatterinnen begonnen hatte, hielt nicht viel von der Idee der Objektivität. Wie sie zu sagen pflegte, kommt es darauf an, “zu berichten, was man sieht, den Lügen zu widersprechen und es den Bösewichten so richtig zu zeigen”.

Um es mit den Worten eines erfahrenen Journalistenlehrers zu sagen: “Vergiß die Objektivität, sei einfach fair.” Verantwortungsvolle “journalistische Betroffenheit” gibt den Reportern nicht das Recht, Vorurteile zu verbreiten oder sich für eine bestimmte Sache stark zu machen. Die universellen Werte der Fairneß, Genauigkeit und Relevanz verlieren dadurch nicht an Bedeutung. Er stellt nur eine Aufforderung an die Journalisten dar, Mitgefühl zu empfinden, vor allem angesichts menschlicher Not, und vor eklatanten Ungerechtigkeiten nicht die Augen zu verschließen.

Traditionelle Ausbildungsstätten bringen den Journalisten auch bei, nach dem Negativen Ausschau zu halten, um die Story interessant zu machen – d. h., auf der Suche nach Kontroversen zu sein. Darum klingen die meisten Reportagen wie eine Auseinandersetzung – selbst dann, wenn die Meinungsunterschiede unbedeutend sind und beide Seiten im Großen und Ganzen übereinstimmen. Konflikt ist das Adrenalin der Medien. Da ihnen beigebracht wird, auf Meinungsverschiedenheiten zu achten, zieht der Krieg die Reporter unwiderstehlich an. Aus diesem Grund ist der Frieden auch nicht für Neuigkeiten gut. Aber für den professionellen Journalisten sollte die Zeit vor Kriegsausbruch ebenso berichtenswert sein wie der Beginn der Feindseligkeiten selbst. Denn eine Periode relativen Friedens, in dem sich soziale Spannungen zusammenbrauen, kann auf eine bevorstehende Krise hinweisen. Der Medienkritiker Johan Galtung beschreibt es so:
“Frieden ist nicht bloß die Abwesenheit von Krieg oder Kriegsgefahr. Krieg vermittelt den Eindruck, realer und spannender zu sein, etwas Schlechtes, ja, aber scheint für die Starken und Aktiven gedacht – hauptsächlich für Männer. Auf diese Art und Weise können Medien zu einem negativen Faktor werden, indem sie zur weltweiten Unsicherheit statt zur globalen Sicherheit beitragen, indem sie die öffentliche Meinung einseitig beeinflussen und die Menschen daran gewöhnen, Gewalt als etwas Normales anzusehen, ja, indem sie sie sogar mit den entsprechenden Techniken vertraut machen.”
Die schnelle Kommerzialisierung des globalen Fernsehens und der Bedeutungsverlust der Medien in ihrem Dienst an der Allgemeinheit tragen durch eine Aushöhlung der Kultur und Förderung des Konsumdenkens dazu bei, die Grundlage für soziale Spannungen zu schaffen. Das Satellitenfernsehen ersetzt die Realität, und was aus dem Halbschatten des häuslichen Fernsehers herausfällt, existiert nicht. Wo beginnen Wirklichkeitsflucht und Voyeurismus, wenn man mit einem Klick auf die Fernbedienung von Natural Born Killers auf HBO zum Genozid in Ruanda umschalten kann? Die blaue Aura der Kathodenstrahlen hat die Welt hypnotisiert und in eine Trance des freien Marktes und Konsumismus versetzt. Wenn die kanalsurfenden Zuseher unter all den Talkshows und Miniserien einmal auf eine Nachrichtensendung stoßen, müssen sie feststellen (sofern sie nicht gleich umschalten), daß die Nachrichten selbst immer mehr den Charakter des Surrealen annehmen. Nachrichten und Unterhaltung werden eins. Das macht es zusehends schwieriger, zwischen dem Gerichtssaaldrama über den Mordprozeß eines Prominenten und dem Gerichtssaaldrama von LA Law zu unterscheiden.

Als Teil einer Untersuchung über die Auswirkungen des Satellitenfernsehens in Südasien führten einige von uns in einer Schule in Kathmandu eine Umfrage durch. Die 11–15jährigen Jungen und Mädchen stammten aus der oberen Mittelschicht. Zu ihren Lieblingsprogrammen zählten MTV und der Sports Channel. Sehr wenige sahen Nepal Television oder Indiens Doordarshan , niemand hörte Kurzwelle. Der einzige populäre Radiosender war ein Kanal mit westlichen Hits. Die Schüler wurden gefragt, welche von den im Fernsehen gezeigten Persönlichkeiten sie am meisten bewunderten. Wie vorauszusehen, nannten viele Leonardo DiCaprio. Abgesehen von je einer Stimme für den Präsidenten Sri Lankas bzw. einen indischen Kricketspieler wurden meist westliche Männer und Frauen als Vorbilder gewählt. Junge asiatische Stadtbewohner gestehen selbst ein, daß das, was sie denken, wie sie sich kleiden, was sie essen, wie sie sprechen und was sie als Erwachsene werden wollen, zum Großteil vom Satellitenfernsehen beeinflußt wird. Südasien, das ein Fünftel der Weltbevölkerung umfaßt, steht unter dem Bombardement von 50 Satellitenkanälen, und bis zum Jahr 2000 wird sich diese Zahl verdoppeln. Letzten Schätzungen zufolge besitzen allein in Indien, Bangladesch und Pakistan mehr als 70 Millionen Haushalte einen Fernseher, das bedeutet eine Zuseherschaft von 300 Millionen Menschen. Ein Drittel davon verfügt über Kabelanschluß. Bis zum Jahr 2007 wird es mehr als 220 Millionen Kabelfernseher geben, die die bis dahin wahrscheinlich verfügbaren 350 Kanäle empfangen können.

Trotz der Armut in Südasien ist das Satellitenfernsehen auf dem Subkontinent ein großes Geschäft, wahrscheinlich weil es eine Flucht in die Unterhaltung ermöglicht. Es verändert Schlafgewohnheiten (Hausfrauen in Delhi verzichten auf ihr Nachmittagsschläfchen, um Reich und Schön sehen zu können), steigert den Absatz von Hautbleichmitteln und macht selbst den abgelegensten Ort zu einem Teil des Globalen Dorfes.

Fortschritte in der Kommunikationstechnologie sollen Distanzen zum Schwinden bringen, aber sie tragen nicht notwendigerweise zu einer Annäherung der Völker bei. Verbesserte Kommunikationsmöglichkeiten via Satellit bieten den Menschen vielleicht eine größere Programmauswahl, aber sie stellen keine Garantie für mehr Toleranz dar. Tatsächlich machen bessere Kommunikationsmöglichkeiten die Unterschiede zwischen den Völkern erst richtig sichtbar. Die in den indischen Grenzregionen zu Pakistan lebende Bevölkerung kann das pakistanische Fernsehen zwar empfangen, aber was die Menschen dort sehen, ist so eindeutig gegen Indien gerichtet, daß es den Haß nur verstärkt (und umgekehrt). Wenn diese Vorurteile gegenüber den “anderen” von Kindheit an durch Schulbücher genährt wurden, die das Nachbarland als Feind darstellen, dann verstärkt das grenzüberschreitende Fernsehen die Haßgefühle bloß.

Das Satellitenfernsehen schneidet aufgrund seines Regionalismus etwas besser ab, da es in beiden Staaten über Zuseher (und Märkte) verfügt. Aber sogar hier geben die Märkte den Ton an. Regionale Fernsehnachrichten scheinen in ihrer Berichterstattung nicht in der Lage zu sein, die richtige Balance zwischen einer aus einem Tokioter Zoo ausgebrochenen Pythonschlange und gefährlichen Spannungen nach Atomtests zu finden. Die enorme Macht des Satellitenfernsehens zur Schürung des Hasses zeigte sich bereits in dem Tempo, mit dem sich nach der Zerstörung einer Moschee in Ayodhya im Jahre 1992 religiöse Unruhen in Indien und Pakistan verbreiteten. Jetzt, da beide Staaten Atomwaffen besitzen und an Raketenabschußsystemen arbeiten, trägt das Satellitenfernsehen eine enorme Verantwortung dafür, daß die Spannungen nicht außer Kontrolle geraten.

Doch die Nachrichtenredaktionen, Studios und Uplink-Einrichtungen vieler Satellitenkanäle haben ihren Sitz in Hongkong oder Singapur. Die Personen, die diese multinationalen Fernsehsender kontrollieren, sind theoretisch nur ihren Aktionären verantwortlich.

Immer weniger Personen kontrollieren heutzutage die Informations- und Unterhaltungssendungen. Sie sind es, die bestimmen, wie wir uns verhalten und was wir kaufen sollen, welche Kreditkarten wir verwenden und welche Kinofilme wir sehen sollen. Sie sagen uns, daß Saddam Hussein ein Gauner und freier Handel gut für uns ist; daß es in Ordnung ist, wenn fünf Prozent der Weltbevölkerung die Hälfte aller globalen Ressourcen verbrauchen. Wenn die Medien durch die Konzentration der Eigentumsverhältnisse ihrer Aufgabe als Marktplatz der Ideen und der Meinungsvielfalt nicht mehr nachkommen können, verlieren sie ihre Rolle als Stützpfeiler des Pluralismus. In einem globalen Zusammenhang gesehen, erzeugen sie ein einheitliches, ökonomisches, weltum- spannendes Mantra – das einzige, dem irgendeine Bedeutung zukommt.

Es mag zwar Pressefreiheit geben, aber die Medien leiden unter einer “Zensur durch Ausschluß”. Wenn die Eigentümer der Medienkonzerne multinationale Konzerne sind, die gleichzeitig Tabakfirmen besitzen, Kernkraftwerke betreiben oder große Rüstungsfirmen ihr eigen nennen, werden enthüllende Berichte über den internationalen Waffenhandel oder die wirtschaftlichen Strategien US-amerikanischer Tabakmultis in Asien sicherlich nicht im Hauptabendprogramm plaziert werden. Die Konzentration in den Eigentumsverhältnissen der Medien ist nicht auf die USA beschränkt. Die neuen Sultane des Satellitenfernsehens sind dabei, ihre Reiche in Indien, Thailand, Indonesien und auf den Philippinen zu vergrößern. Diese Imperien gehören allesamt nationalen Versionen der Murdochs und Maxwells und imitieren den westlichen Trend zum Fusionieren von Medienunternehmen und zum Kopieren von Inhalten. Jemand hat die globalen Medien einmal so charakterisiert: “Das Motto lautet: Der Staat gegen die Vereinigten Staaten.”

Wenn das Fernsehen zur Unterhaltungsindustrie wird und seine öffentliche Aufgabe, zu informieren und zu bilden, fast nicht mehr wahrnimmt, verbreitet es nicht nur die schlimmsten konsumistischen Effekte der Globalisierung. Es unterminiert auch das Potential der Medien zur Schaffung einer informierten Öffentlichkeit, die in der Lage ist, ernsthaft Stellung zu beziehen – besonders zu Themen wie dem Horten von Kernwaffen durch einen Staat, in dem die Hälfte der Bevölkerung hungrig zu Bett geht. Diese Medien versagen in ihrer Aufgabe, ein Bollwerk gegen Chauvinismus und falschen Patriotismus zu sein. Auf lange Sicht gesehen, vergrößern so geartete Eigentumsverhältnisse die wirtschaftliche Kluft in und zwischen den Staaten. Das Fernsehen propagiert eine globale Kultur des Konsums, die verschwenderisch, ungerecht und nachteilig für die Umwelt ist. Diese Kultur als die einzig erstrebenswerte darzustellen, bedeutet die Festschreibung ökonomischer Ungleichheiten und auf Dauer nicht aufrechtzuerhaltender Lebensstile. Es führt auch dazu, daß immer mehr Menschen an den Rand gedrängt werden, fördert somit extremistische Einstellungen und provoziert einen Aufstand gegen eine gleichgültige Elite und eine seelenlose globale “Kultur”. Warum wundern wir uns also über den zunehmenden religiösen Extremismus und über illegale Migration? Die Botschaft, die ein durchschnittlicher Bangladeshi jeden Abend via Satellit empfängt, lautet doch: In Europa fließen Milch und Honig.