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InfoWar und Autorität


'Igor Nikolaewitsch Panarin Igor Nikolaewitsch Panarin

Das dritte Jahrtausend wird sich ganz wesentlich vom zweiten unterscheiden. Im 21. Jahrhundert werden die meisten Länder der Welt eine Informationsgesellschaft aufbauen. Die globale Vormachtstellung werden jene Länder übernehmen, die mächtige Potentiale auf dem Gebiet der Nachrichten- und Informationsdienste besitzen. Deshalb wird gegenwärtig in den USA, in Rußland, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, China, Indien, Israel und anderen Ländern das Hauptaugenmerk auf die Information gelegt, die sich mittlerweile zum beherrschen Faktor der modernen Welt entwickelt hat. Der info-psychologische Kampf stellt heute eines der Hauptwerkzeuge für all jene dar, die (politische, wirtschaftliche, geistige) Autorität erlangen und bewahren möchten.

Der info-psychologische Kampf ist unter anderem dadurch gekennzeichnet, daß besondere (politische, wirtschaftliche, diplomatische und sonstige) Methoden, Vorgangsweisen und Mittel zur Beeinflussung der Infosphäre des Gegners und zum Schutze der eigenen zur Anwendung gebracht werden, um die eigenen Interessen zu wahren bzw. die eigenen Ziele zu erreichen.

Info-psychologische Beeinflussung bedeutet die teleologische Generierung und Verbreitung spezifischer Informationen, mit deren Hilfe die Infosphäre eines Staates sowie das Bewußtsein und die Gebräuche der politischen Elite und der Bevölkerung direkt (positiv oder negativ) beeinflußt werden.

Psychologische und propagandistische Effekte sind zwei verschiedene Ausformungen von info-psychologischer Beeinflussung. Mit der Entstehung des globalen Informationsraums im ausgehenden 20. Jahrhundert nehmen die führenden Weltmächte das Phänomen der sozialen Information verstärkt wahr.

Gerade die Entwicklung sozialer Information ist ein guter Beweis für das reibungslose Funktionieren aller Infosphären eines Staates. Soziale Information spielt eine Schlüsselrolle im info-psychologischen Kampf um die Autorität. Die Amerikaner haben dies vielleicht als erste erkannt. Im Jahre 1967 hat der Senat der Vereinigten Staaten ein “Gesetz über Chancen, nationale Interessen und Prioritäten” verabschiedet. Dieses Dokument legte die Informationspolitik der Vereinigten Staaten fest und sah vor, daß sie bis zum Ende des 21. Jahrhunderts die Weltherrschaft auf dem Gebiet der Information erlangen sollten. In diesem Zusammenhang sei auf die Ergebnisse des info-psychologischen Kampfes zwischen dem Westen und dem Kommunismus verwiesen. Trotz ihrer militärischen Überlegenheit erlitt die UdSSR in der Infosphäre eine vernichtende Niederlage durch die USA. Infolgedessen verlor die sowjetische Elite ihre politische, geistige und wirtschaftliche Autorität, was letztendlich zum Zerfall der UdSSR führte.

Deshalb ist die Kenntnis der objektiven Gesetze des info-psychologischen Kampfes ein wichtiges und aktuelles Problem. Anfang der achtziger Jahre nahm die Bedeutung des InfoWar im nationalen Sicherheitssystem der USA rapide zu. Nachdem Präsident Reagan ins Weiße Haus eingezogen war, legte er seine Strategie für die nationale Sicherheit fest, die sich aus vier Komponenten zusammensetzte: Diplomatie, Wirtschaft, Militär und Information. Zu dieser Zeit begann der weltweite info-psychologische Kampf um die Vorherrschaft im globalen Informationsraum, wobei die neuesten Informationstechnologien zur Anwendung gelangten, die auf der Koordination der Aktivitäten sämtlicher staatlicher Strukturen und transnationaler Unternehmen basierten.

In der Folge bildete sich ein Mechanismus zur weltweiten koordinierten info-psychologischen Beeinflussung der Staatengemeinschaft mit dem Ziel, die Vorherrschaft in politischen, wirtschaftlichen und geistigen Bereichen der globalen Infosphäre zu erringen:

Präsident der Vereinigten Staaten >> Nationaler Sicherheitsrat >> Nationale Abteilungen, Agenturen und Organisationen
Die koordinierte Aktivität der Informationsstrukturen (Staat, öffentliche und kommerzielle Organisationen) war ohne Zweifel von Erfolg gekrönt. Die USA sind mittlerweile die einzige Supermacht der Welt. Die UdSSR ist verschwunden. Reagans Ideen wurden von den nachfolgenden Präsidenten der Vereinigten Staaten weiterverfolgt. Ein charakteristischer Zug des ausgehenden 20. Jahrhunderts ist die Tatsache, daß das globale Finanz- und Kreditsystem zur wichtigsten Arena des info-psychologischen Kampfes zwischen den führenden Weltmächten geworden ist. Die Finanzkrisen der Jahre 1997 und 1998 belegen dies sehr eindrucksvoll. Im Verlauf eines Kampfes im Finanz- und Kreditbereich während der Finanzkrise in Asien 1997 hat sich China hervorragend behauptet und mitunter der von den Amerikanern im asiatischen Raum verfolgten InfoWar-Strategie erfolgreich entgegengewirkt. Heute dominieren die USA den globalen Informationsraum voll und ganz und sind bestrebt, ihre strategische Führungsposition im globalen Informationsraum auch für das 21. Jahrhundert zu konsolidieren. Diese Vormachtstellung der Amerikaner ist jedoch eine Quelle negativer Tendenzen in der amerikanischen Gesellschaft (rapides Ansteigen von Streßsymptomen in allen Bevölkerungsschichten etc.) und zugleich eine wesentliche Bedrohung für die Existenz der USA als Einheit. Die katastrophalen Umstände und Vorkommnisse, die in letzter Zeit in den USA zu beklagen waren (jede Menge Flugzeugunglücke und Autounfälle, der Sexskandal um Präsident Clinton, Schießereien in Schulen und Bürogebäuden etc.) zeigen, daß sich die amerikanische Gesellschaft gegenwärtig am Rande eines psychischen Zusammenbruchs befindet. Die psychische Krise einer Nation kann den Zerfall der USA bereits in zehn Jahren zur Folge haben.

Einige Beispiele aus dem Jahr 1998: Am 24. März haben in Arkansas zwei Schüler im Alter von elf und 13 Jahren vier Mädchen und eine Lehrerin getötet und zehn weitere Schüler verletzt. Am 24. April hat ein 14jähriger Schüler an einer Schule in Pennsylvania eine Lehrerin getötet. Am 28. April hat in Kalifornien ein 14jähriger zwei Schüler getötet. Am 19. Mai hat in Tennessee ein 18jähriger Vorzugsschüler auf dem Schulhof einen Klassenkameraden niedergeschossen. Am 21. Mai 1998 erlitt Amerika den nächsten Schock, als wieder über einen Mord berichtet wurde, der ebenfalls von einem noch sehr jungen Mann verübt wurde. In Springfield (Oregon) hat der 15jährige Kiplend Kinkel, der wegen des Tragens einer Schußwaffe der Schule verwiesen worden war, mit einer automatischen Waffe das Feuer auf seine Klassenkameraden eröffnet. Er tötete einen Schüler und verletzte 23 weitere, nachdem er zuvor bereits seine Eltern getötet hatte.

Im Laufe des info-psychologischen Kampfes um die Vormachtstellung in der globalen Infosphäre sehen sich alle Lebensbereiche der amerikanischen Gesellschaft dem Druck einer mächtigen Informationsbeeinflussung ausgesetzt. Und die Psyche der Amerikaner ist noch nicht in der Lage, mit den permanent wachsenden Informationsflüssen zu Rande zu kommen. Nach und nach verliert deshalb die amerikanische politische Elite immer mehr ihre geistige Autorität im Lande, und das Land beginnt zu zerfallen. Die anderen Länder der Welt sollten daraus ihre eigenen Schlüsse ziehen und sich hüten, die Fehler der Amerikaner zu wiederholen. Die Informationsgesellschaft ist durch eine ständig steigende Geschwindigkeit der verschiedensten Informationsflüsse gezeichnet. Diese interagieren mit der Psyche der Gesellschaft, die ein Glied der Kommunikationskette darstellt. Die Vorbereitung des Bewußtseins der Menschen auf den globalen Wandel von Informationen und Ereignissen, die den einzelnen betreffen oder betreffen können, ist deshalb als eines der primären praktischen Probleme zu betrachten.

Eine Revision der bisher gesetzten Prioritäten und Akzente in der Auffassung vom Wechselspiel zwischen info-psychologischem Kampf und Autorität hat die Wissenschaft und die Praxis vor ein gänzlich neues Problem gestellt – das der psychologischen Sicherheit.

Grundlegende Veränderungen haben sich in letzter Zeit in allen Teilen der Welt beschleunigt und erfordern den Schutz des Bewußtseins der politischen Elite und der Bevölkerung vor negativer Infobeeinflussung im Rahmen des globalen info-psychologischen Kampfes. Jedes Land der Welt muß unabhängig von seiner ideologischen und wirtschaftlichen Orientierung ein info-psychologisches Sicherheitssystem schaffen.

Die info-psychologische Sicherheit eines Staates (IPS S) ist ein Teil (Subsystem) des nationalen Sicherheitssystems des Staates und ermöglicht die Organisation koordinierter Aktivitäten seitens staatlicher Körperschaften, öffentlicher Organisationen, politischer Parteien und der Bürger, um die Sicherheit der Infosphäre im Staat sowie die psychologische Sicherheit der politischen Elite und der Bevölkerung sicherzustellen.
DER PLATZ UND DIE ROLLE DES IPS S IN EINEM ALLGEMEINEN STAATLICHEN SICHERHEITSSYSTEM

Konzept für einen Staatsicherheits-IPS S // IPS S – eigene Sektion >> Strategie der Staatssicherheit // Eigener Strategieblock

ZIELSETZUNGEN VON IPS S
  1. Das info-psychologische Environment eines Staates (IPE S) ist ein Teil der Infosphäre des Staates und steht in Zusammenhang mit dem Gebrauch von Information, Informationsressourcen und -infrastruktur zur Einflußnahme auf die psychische Befindlichkeit und das Verhalten der Menschen.

  2. Informationsressourcen (betreffend geistige, kulturelle, historische, nationale Werte, religiöse Überzeugungen, Traditionen etc. ).

  3. System für die Schaffung eines öffentlichen Bewußtseins (Weltanschauung, politische Ansichten, spirituelle Werte).

  4. System der öffentlichen Meinungsbildung.

  5. System der politischen Entscheidungsfindung.

  6. Bewußtsein und Verhalten der politischen Elite (da sie der aktivste Teil der Bevölkerung eines Landes ist, der am info-psychologischen Kampf teilnimmt).

  7. Bewußtsein und Gebräuche.
IPS S-ZIELRICHTUNGEN
  1. Theoretischer Bereich: Entwicklung eines wissenschaftlichen Begriffsapparats sowie Untersuchung der Formen und Methoden, die im Laufe eines info-psychologischen Konflikts vom Gegner verwendet werden, um das IPE S zu schädigen und das Bewußtsein der politischen Elite und der Bevölkerung irrezuleiten.

  2. Organisatorischer Bereich: Schaffung von Strukturen, Nutzung des IPS S sowie Herstellung verschiedenen Informationsmaterials.

  3. Laufende Arbeit: Sie dient dazu, die Sicherheit der Infosphäre eines Landes sowie die psychologische Sicherheit der politischen Elite und der Bevölkerung zu gewährleisten. In Zusammenhang mit dem Auftreten und der beschleunigten Entwicklung der Massenmedien hat sich die Rolle der öffentlichen Meinung rapide verstärkt. Sie hat großen Einfluß auf politische Prozesse auf der gesamten Welt, auf das Funktionieren der Infosphäre eines Landes und spiegelt die einer gesamten Nation in Zeiten bewaffneter Auseinandersetzungen (Vietnam, Afghanistan, Irak 91, Balkan, Somalia, Tschetschenien, Irak 98) wider. Daher ist die Art der öffentlichen Meinungsbildung auch einer der Kernbereiche der info-psychologischen Sicherheit. Eine Untersuchung über öffentliche Meinungsbildung und deren Funktion während bewaffneter Auseinandersetzungen ist deshalb unbedingt erforderlich und sollte als Grundlage für die Entwicklung gangbarer Methoden für die Gewährleistung der psychologischen Sicherheit sowohl der politischen Elite als auch der Bevölkerung herangezogen werden.

    Ein Blick auf die bewaffneten Konflikte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zeigt, daß Anstrengungen im Hinblick auf die Anwendung von Kräften und Mitteln zur info-psychologischen Beeinflussung in früheren Zeitabschnitten (einige Monate bis mehrere Jahre vor dem Beginn der Kampfhandlungen) unternommen und neue Mittel und Wege zur info-psychologischen Beeinflussung erforscht wurden. Dies zeigt sich besonders deutlich, wenn man den Einsatz amerikanischer Truppen im Irak 1991 und in Bosnien betrachtet. Die Rolle und Position des info-psychologischen Kampfes im nationalen Sicherheitssystem aller Staaten gewinnen zunehmend an Bedeutung. Die führenden Weltmächte verfügen zum gegenwärtigen Zeitpunkt über ein mächtiges Informationspotential (allen voran die USA, Rußland, Japan, Frankreich, China, Indien, Israel), das sie in die Lage versetzen kann, ihre politischen und wirtschaftlichen Zwecke zu erreichen, da internationale Rechtsnormen für den info-psychologischen Kampf noch ausständig sind. Um die Situation unter Kontrolle zu halten, muß jetzt gemeinsam mit der Erarbeitung einer internationalen rechtlichen Basis für den info-psychologischen Kampf begonnen werden. Diese Arbeit sollte – im Rahmen der Vereinten Nationen – unverzüglich in Angriff genommen werden. Darüber hinaus gilt es, das Problem der Etablierung festgelegter ethischer Normen für den info-psychologischen Kampf im Internet zu analysieren.

    Deshalb muß man letztendlich zu dem Schluß gelangen, daß die Prosperität aller Länder im 21. Jahrhundert vom effizienten Funktionieren ihres info-psychologischen Sicherheitssystems abhängen wird. Der Autor ist der Ansicht, daß es höchste Zeit ist, das Problem der gesetzlichen und moralischen Regulierung der Methoden und Mittel des info-psychologischen Kampfes auf internationaler Ebene in Angriff zu nehmen (und zwar im Rahmen der UN, der G8 etc.).