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Bioelektronik und Computerbausteine auf Proteinbasis


'Robert R. Birge Robert R. Birge

Moleküle bilden die Grundlage des Lebens und formen, zu biologischen Organismen kombiniert, hochentwickelte Systeme, die wahrnehmen, handeln, sich selbst reparieren, denken, rechnen und fühlen können. Beim Rechnen sind digitale Computer zwar viel schneller und präziser als der Mensch, in den fünf anderen Bereichen aber sind ihnen selbst einfache biologische Systeme überlegen. Kurzum, die Biologie hat in Milliarden Jahren der Evolution komplexe Systeme mit einzigartigen Eigenschaften geschaffen, die sich im Bereich der Halbleiter- und Softwaresysteme bis heute nicht duplizieren ließen.

Schachbegeisterte mußten kürzlich zu ihrer Verblüffung und vielleicht Enttäuschung erleben, wie der IBM-Computer "Deep Blue" den führenden [menschlichen] Schachspieler der Welt, Gary Kasparov, schlug [Näheres unter http://www.chess.ibm.com/home/html/b.html]. Es scheint nun klar, daß Computer bald standardmäßig in der Lage sein werden, die besten Schachgroßmeister zu schlagen. Derartige Leistungen sollten nicht als Beispiele künstlicher Intelligenz angesehen werden. Schach ist ein Spiel, das klar definierten Regeln folgt. Diese Regelbeschränkungen gestatten es Programmierern, alle möglichen Züge zu prüfen und auf der Basis einer regelgeleiteten Logik Entscheidungen zu treffen. So imposant die für die Leistung von Deep Blue verantwortliche Hard- und Software auch ist, sie summiert sich noch nicht zu künstlicher Intelligenz.

Die Natur hält somit in vielen Aspekten allgemein rechnerisch-geistiger Anstrengungen noch immer einen Vorsprung gegenüber der Ingenieurskunst des Menschen. Viele Natur- und die meisten Geisteswissenschaftler werden sagen, daß von Menschen gebaute Maschinen das vom menschlichen Gehirn und von der Natur im allgemeinen an den Tag gelegte Schöpfungsniveau – und schöpferische Niveau – niemals erreichen werden. Eine Menge Wissenschaftler und Ingenieure glauben allerdings auch, daß mit genügend CPU-Leistung, Speicherkapazität und Datenbandbreite dem Erreichbaren keine Grenzen gesetzt seien. Wir wollen uns hier nicht für eine dieser gegensätzlichen Positionen – Evolution versus menschliche Konstruktion – zu entscheiden versuchen. Wir meinen vielmehr, daß wir, wenn wir mit der Natur in Konkurrenz treten wollen, so viel wie möglich von ihren Geheimnissen lernen und uns ihre Materialien und Methoden zunutze machen müssen.

Seit zwei Jahrzehnten untersucht meine Forschungsgruppe die mögliche Verwendung biologischer Systeme in Computerarchitekturen. Unser Ansatz wird oft als biomimetisch bezeichnet, weil wir native und genetisch erzeugte Proteine in Architekturen verwenden, die in der Regel so angelegt sind, daß sie Vorgangsweisen der Natur nachahmen. Wir bauen sowohl assoziative Speicher, die die Speicherungs- und Abruffähigkeiten des menschlichen Gehirns nachahmen, als auch volumetrische, die Bilder und digitale Daten in dreidimensionalen Körpern einer Proteinmatrix speichern. Funktionierende Prototypen existieren nunmehr in der zweiten Generation, es ist aber noch viel zu tun, ehe kommerzielle Systeme auf den Markt kommen. Wir skizzieren hier kurz, wie unsere Bausteine funktionieren, und berichten über unsere Fortschritte. Außerdem gehen wir darauf ein, welche Auswirkungen solche Systeme einmal für Computerkünstler haben könnten.

Das Interesse an der Erforschung von computertechnischen Anwendungen der Bioelektronik entstand bereits in den frühen 70er Jahren mit der Entdeckung eines bakteriellen Proteins mit einzigartigen photophysikalischen Eigenschaften durch Walter Stoekenius und Dieter Oesterheld an der Rockefeller University in New York. Dieses Protein namens Bakteriorhodopsin wird von einem in Salzsümpfen vorkommenden, salzliebenden Bakterium produziert. Im Stammorganismus ermöglicht dieses photosynthetische Protein der Bakterie das Wachstum, wenn der Sauerstoffgehalt zur Aufrechterhaltung der Atmung nicht ausreicht. Bei der Lichtabsorption pumpt das Protein ein Proton durch die Membran und treibt so die ATP-Synthese an. Die Bezeichnung "Bakteriorhodopsin" geht auf seine photochemischen Ähnlichkeiten mit Rhodopsin, dem Sehpigment des Auges, zurück. Das Potential dieses Proteins für optische Rechensysteme wurde als erstes von russischen Wissenschaftlern erkannt und erforscht.

Finanziert durch das "Rhodopsin-Projekt" unter der Leitung des verstorbenen Juri Owtschinnikow erforschten russische Wissenschaftler in fünf Laboratorien die Verwendung dieses Proteins in photochromen und holographischen Computerbausteinen. Owtschinnikow war nämlich nicht nur ein hochangesehener Molekularbiologe, sondern fand auch Gehör bei der sowjetischen Militärführung. Er überzeugte sie, daß die sowjetische Wissenschaft den Westen mit der Erforschung der Bioelektronik computertechnisch überholen könne, und sicherte für sein Projekt beträchtliche finanzielle Mittel. Viele der Anwendungen waren militärischer Natur, und so werden die Einzelheiten dieses ehrgeizigen Unternehmens vielleicht nie ganz bekannt werden. Nach informellen Berichten russischer Wissenschaftler, die heute in den USA leben, gelang die Herstellung komplexer optischer Computerarchitekturen, die Echtzeitdatenverarbeitungen durchführen konnten. Trotzdem wurden die ungewöhnlichen photochemischen und holographischen Eigenschaften dieses Proteins publiziert und stimulierten bis heute andauernde internationale Forschungsbemühungen.

Bakteriorhodopsin ist ein membrangebundenes Protein mit sieben die Membran umspannenden alpha-helixförmigen Segmenten. Eine in die Proteinmatrix eingebettete lichtabsorbierende Gruppe [Chromophor genannt] wandelt die Lichtenergie in eine komplexe Folge molekularer Ereignisse um, die als Protonpumpe fungieren. Die Wissenschaftler, die das Protein für bioelektronische Bauelemente verwenden, machen sich die Tatsache zunutze, daß diese komplexe Serie thermischer Reaktionen zu dramatischen Veränderungen der optischen und elektronischen Eigenschaften des Proteins führen [Abb. 2].

Die ausgezeichneten holographischen Eigenschaften des Proteins ergeben sich aus der bei Lichtaktivierung eintretenden starken Veränderung des Brechungskoeffizienten. Außerdem wandelt es Licht mit bemerkenswerter [etwa 65%er] Effizienz in eine Veränderung des Brechungskoeffizienten um. Bakteriorhodopsin ist zehn Mal kleiner als die Wellenlänge von Licht, wodurch das Auflösungsvermögen des dünnen Films vom Diffraktionslimit der optischen Geometrie und nicht von der "Körnigkeit" des Films bestimmt wird. [Das sowjetische Militär nutzte diese Eigenschaft, indem es dünne, Bichrome genannte Bakteriorhodopsinfilme herstellen ließ, die für Microfiche-Aufzeichnungen verwendet wurden.] Ferner kann das Protein zwei Photonen gleichzeitig absorbieren, und das weit effizienter als jedes andere Material, eine Fähigkeit, durch die es sich für die dreidimensionale Informationsspeicherung eignet [siehe unten]. Überdies emittiert das Protein ein elektrisches Signal, das in Abhängigkeit von der jeweiligen Konformation oder Form die Polarität ändert. Diese Eigenschaft läßt sich zur Konstruktion von Speichern nutzen, die beim Schreiben der Information mit Licht und beim Lesen mit Elektronik arbeiten. Schließlich wurde das Protein von der Natur – für ein in Salzsümpfen existierendes bakterielles Protein lebenswichtig – für die Arbeit bei hohen Temperaturen und starkem Licht ausgestattet.

Bei der Absorption von Licht durchläuft es einen komplexen Photozyklus, der Zwischenprodukte generiert, deren Absorptionsmaxima das gesamte sichtbare Spektrum umfassen [Abb. 2]. Viele der frühen optischen Schaltelemente und Speicher auf Bakteriorhodopsinbasis arbeiteten bei der Temperatur flüssigen Stickstoffs und benutzten einen photochemischen Schalter zwischen dem bR- und dem K-Zustand. Wiewohl diese Bausteine effizient und potentiell überaus schnell waren [die bRgK – Interkonversionen benötigen nur wenige Picosekunden], schloß die Verwendung von Tieftemperaturtechnik eine allgemeine Anwendung aus. Die meisten heutigen Bauelemente arbeiten bei oder nahezu bei Raumtemperatur und benutzen folgende zwei Absorptionszustände: den grün-roten Grundzustand [bR] und den langlebigen blauen Zustand [M]. Die Vorwärtsreaktion kommt nur durch Lichtaktivierung zustande und ist in etwa 50 ms abgeschlossen. Dagegen kann die Umkehrreaktion sowohl durch Lichtaktivierung als auch thermisch erfolgen. Beim lichtaktivierten Übergang M > bR handelt es sich um eine direkte photochemische Transformation.

Der thermische Übergang M > bR reagiert hochempfindlich auf Temperatur, Umwelt, genetische Modifikation und Chromophor-Substitution. Diese Empfindlichkeit wird bei vielen Bausteinen auf Bacteriorhodopsinbasis genutzt. Eine weitere für diesen Zweck untersuchte Reaktion ist eine photochemische Verzweigungsreaktion vom Zwischenprodukt O zur Form P. Dieses Zwischenprodukt zerfällt schließlich in die Form Q, eine Spezies, die insofern einzigartig ist, als das Chromophor die Proteinbindung kappt, aber an der Bindestelle eingekapselt wird. Das Zwischenprodukt Q bleibt für lange Zeiträume [Jahre] stabil, kann aber photochemisch in den bR-Zustand rückgeführt werden. Diese Verzweigungsreaktion besitzt ein großes Potential für die nachfolgend erörterte langfristige Datenspeicherung.

ASSOZIATIVE SPEICHER IMITIEREN DIE INFORMATIONSSPEICHERUNG UND -ABRUFUNG DES MENSCHLICHEN GEHIRNS.
Wir beschreiben nun einige der mit Hilfe von Bakteriorhodopsin konstruierten optischen Speicher und Prozessoren. Das erste ist ein Fourier-transformierter assoziativer Speicher/Prozessor. Assoziative Speicher arbeiten auf eine Art und Weise, die sich von den in heutigen Computerarchitekturen vorherrschenden seriellen Speichern grundlegend unterscheidet. Diese Speicher nehmen einen Eingabe-Datensatz [oder ein Bild] und suchen unabhängig vom zentralen Prozessor den gesamten Speicher nach dem Datensatz ab, der mit dieser Eingabe übereinstimmt. Bei einigen Implementierungen [den unseren] sucht der Speicher die nächstbeste Entsprechung, wenn er kein genaues Gegenstück findet. Am Schluß gibt der Speicher den Datensatz aus, der den Entsprechungskriterien genügt, oder er gibt die Adresse des Datensatzes aus, um den Zugriff auf benachbarte Daten zu ermöglichen. Einige Speicher geben einfach nur ein Binärbit aus, das anzeigt, ob die Eingabedaten vorhanden sind oder nicht. Da das menschliche Gehirn in einem neuronalen, assoziativen Modus arbeitet, sind viele Computerwissenschaftler der Überzeugung, daß die Implementierung assoziativer Speicher mit großen Kapazitäten nötig ist, wenn wir wirkliche künstliche Intelligenz erzeugen wollen.

Im Fourier-transformativen holographischen [FTH] Assoziativspeicher, der in Abb. 3 zu sehen ist, bilden dünne Filme aus Bakteriorhodopsin die photoaktiven Komponenten. Die tatsächliche Arbeitsweise dieses Speichers ist ziemlich kompliziert, und interessierte Leser werden dafür auf die zusätzlichen Lektürehinweise am Ende dieses Artikels verwiesen. Uns geht es hier vor allem darum zu erklären, wozu ein solcher Speicher fähig ist und worin seine mögliche Relevanz für die künstliche Intelligenz und die digitale Kunst liegen könnte. Beginnen wir mit einer einfachen Demonstration auf der Basis des in Abb. 3 dargestellten Diagramms.

Die Referenzdaten [z. B. die vier links unten abgebildeten Gesichter] werden als holographische Fourierbilder auf dünnen Proteinfilmen gespeichert. Dann geben wir ein Inputbild ein, das wir mit unseren Referenzdaten "assoziieren" wollen, im vorliegenden Fall einen Ausschnitt von einem der Gesichter. Mittels eines Prozesses, der als Fourier-transformative holographische Assoziation bezeichnet wird, "interagiert" dieses Bild mit allen Bildern gleichzeitig und strahlt selektiv jenes Loch in der Matrix an, das räumlich mit der Lage des Bildes korrespondiert, welches die größte Übereinstimmung mit dem Eingabebild [oder einem Teil davon] aufweist. Als Speicherausgabe erhält man jenes Bild aus der Datenbank, das am besten mit der Eingabe übereinstimmt, als Vollbild.

Das scheint vielleicht eine Menge Aufwand für wenig Lohn, doch gibt es für diesen Prozeß und die ihn ermöglichende Hardware Anwendungen in der wirklichen Welt. Erstens kann man damit tausende Bilder gleichzeitig speichern und daraus die besten Entsprechungen innerhalb von Nanosekunden [der Zeit, die Licht zum Zurücklegen von etwa drei Metern benötigt] auswählen. Die Geschwindigkeit ist für alle optischen Parallelrechenprozesse typisch. Wenn keine Entsprechung gefunden wird, kann ein neuer Bildvorrat eingelesen und der Prozeß wiederholt werden. Christoph Bräuchle und Norbert Hampp [Universität München] und Dieter Oesterhelt [Max Planck Institut München] haben ein ähnliches optisches System entwickelt, das eine Textseite auswählt, in der ein bestimmtes Eingabewort am häufigsten vorkommt, oder rasch den genauen Nennwert einer Währung bei Papiergeld feststellt. Was aber geschieht, wenn zwei Bilder identische oder nahezu identische Entsprechungen aufweisen? Das kommt eigentlich dauernd vor, und der Speicher ist so konstruiert, daß er nacheinander die ersten fünf bis zehn Bilder für die weitere Analyse auflistet.

Die Anwendungen für die künstliche Intelligenz sind vielfältig, da man die Datenbank mit einer Mischung aus Bildern und Worten bestücken und in beiden Bereichen gleichzeitig assoziieren kann. Manche glauben, menschliche Kreativität sei am besten als Assoziation auf der Basis eines großen Bestandes an Erfahrungsdaten beschreibbar, und bei Entdeckungen handle es sich um Assoziationsvorgänge, die die nominalen Grenzen, die unsere Wahrnehmung auf der Grundlage erlernter und gesellschaftlicher Schranken einengen, überschreiten.

Unser momentanes Interesse gilt der Miniaturisierung der Optik auf eine einzige PCI-Karte, so daß die [Bild- und Text-] Daten auch in einer digitalen Umgebung manipuliert und assoziiert werden können. Das Schaltelement wird von einem internen Laser betrieben, und die Daten werden über einen internen räumlichen Lichtmodulator geladen.

Wenn dieses Projekt gelingt, werden wir einen assoziativen Speicher haben, der in Standardcomputer eingebaut werden kann. Diese Karte kann dann dazu benutzt werden, große, mit Graphiken arbeitende Datenbanken zu durchsuchen und daraus ein Bild auszuwählen, das dem Eingabebild am ähnlichsten ist.

Sehen wir uns ein paar Beispiele an, um die graphischen Anwendungsmöglichkeiten eines solchen Speichers besser beurteilen zu können. Eine nur aus wenigen Linien bestehende grobe Skizze könnte dazu verwendet werden, in Echtzeit Bilder mit ähnlichem Inhalt aus einer extrem großen Datenbank auszuwählen. Gefunden wird dabei die ähnlichste Entsprechung auf Basis der hochfrequenzverstärkten Bilder [es sei angemerkt, daß die hochfrequenzverstärkten Bilder einer mit Linien arbeitenden Kunst überhaupt entgegenkommen]. Graphiker könnten einen solchen Speicher auch zur Produktion neuer Kunstwerke benutzen, indem sie grobe Strichzeichnungen anfertigen und den Computer diese Eingabeskizzen mit einer Datenbank von abstrakten Bildern assoziieren lassen. Der Künstler könnte dann aus den fünf oder zehn befriedigendsten "Assoziationen" Elemente auswählen und der Reinzeichnung hinzufügen. Interaktive, handgezeichnete oder computergenerierte Animationen könnten durch autoassoziative Bildrekonstruktion verstärkt werden. Jemand könnte z. B. eine Rohskizze von einer Person zeichnen, während der Computer die Details aus einer Datenbank mit maßstäblichen Bildern einfügt.
DATENSPEICHERUNG IN DREI DIMENSIONEN.
BCO – Strahlverdichter
BEO – Strahlaufweiter
CCD – ladungsgesteuerter Baustein
DBS – Zweifarben-Strahlteiler
DC – Datenküvette, die das Protein in einer Polymermatrix enthält
DCKH – kinematischer Küvettenhalter
PTC – Peltier-Temperaturregler
QHL – Quarzhalogenlampe
SLM– räumlicher Lichtmodulator

Die digitale Kunst benötigt bekanntlich große Arbeits- und Plattenspeicher. Ein einziges niedrig aufgelöstes Bild [1024 x 768x32 Bits] benötigt über drei Megabyte [MB], und ein für die Arbeit professioneller Künstler heute typischeres hoch aufgelöstes Bild [6000 x 4800x32 Bits] benötigt 115 MB. Für nicht einmal zehn solcher Bilder braucht man ein Gigabyte [GB], und so ist es nicht verwunderlich, daß Medienkünstler im Durchschnitt viele GB an schnellem Plattenspeicher und Hunderte GB an Wechselspeichermedien benötigen. Viele Wissenschaftler meinen, daß die Bioelektronik ihren stärksten Niederschlag in der Computer-Hardware auf dem Gebiet der dreidimensionalen Speicher finden wird. Die Vorteile dreidimensionaler Speicher liegen in ihrer Kapazität und – in manchen Fällen – in der Bandbreite des Datenzugriffs. Die Speicherkapazität zweidimensionaler optischer Speicher beschränkt sich auf ca. 1/(Wellenlänge)2, also rund 108 bits/cm2. Dreidimensionale Speicher hingegen können Speicherdichten von 1/(Wellenlänge)3, also rund 1012 bits/cm3, erreichen. Im Prinzip kann ein dreidimensionaler optischer Speicher auf demselben Raum um drei Größenordnungen mehr Information speichern als ein zweidimensionaler optischer Plattenspeicher. In der Praxis reduziert sich dieses Verhältnis durch optische Beschränkungen und aus Zuverlässigkeitsgründen eher auf den Faktor 300. Aber auch das 300fache ist eine signifikante Vermehrung der Speicherkapazität. Das Protein Bakteriorhodopsin bietet aufgrund seiner sogenannten Verzweigungsreaktion eine ziemlich einmalige Möglichkeit der dreidimensionalen Datenspeicherung. Das Protein wird in ein Polymer eingegossen und dieses in eine kleine Plastikküvette mit den Abmessungen 1cm x 1cm x 3cm eingeschweißt. Mittels der nachfolgend beschriebenen Methoden kann man in einer solchen Küvette etwa 10 GB speichern. Das Aufregende und potentiell Vorteilhafte dabei ist weniger die große Speicherdichte, sondern die Kostengünstigkeit der Speicherküvetten. Eine Einzelküvette besteht aus Plastik, preiswertem Polymer und einem Protein, das durch Fermentierung in großen Mengen produziert werden kann.

Wir haben weiter vorne die Nutzung des P- und Q-Zustands für die langfristige Datenspeicherung erwähnt. Dadurch, daß man diese Zustände nur über eine zeitlich geteilte Pulssequenz generieren kann, ergibt sich eine praktikable Methode der dreidimensionalen Datenspeicherung mit Hilfe orthogonaler Laserbestrahlung. Die Generierung verläuft nach nebenstehendem sequentiellen Schema [s. Abb.5]: K, L, M, N und O sind allesamt Zwischenprodukte des primären Photozyklus, P und Q sind Zwischenprodukte des Zweigzyklus. Die Zahlen unterhalb der Buchstaben geben die Wellenlänge der jeweiligen Absorptionsmaxima der Zwischenstufen in Nanometern an [bR hat z. B. die Maximalabsorption bei 570 nm bzw. im Gelb-Grün-Bereich, die Maximalabsorption von O liegt bei 640 nm, d. h. im Rotbereich].

Am Anfang des Lese- und des Schreibvorgangs steht ein als "Paging" bezeichneter Prozeß [Abb.4], bei dem jeweils eine hauchdünne Region der Datenküvette [die Seite] ausgewählt wird. Dabei lösen die Paging-Laser [es gibt zwei davon, je einen auf gegenüberliegenden Seiten der Datenküvette, aber der Klarheit halber ist nur einer abgebildet] mit einer Wellenlänge im Bereich zwischen 550 – 640 nm in dieser ca. 15 Micron dünnen Schicht des Speichermediums den Photozyklus aus. Nach etwa 10 ms kehrt der Photozyklus in den Ruhezustand [bR] zurück – in diesem Zeitfenster muß der nachfolgende Schreib- oder Lesevorgang stattfinden. Erfolgt keine sekundäre Laserstimulation, kehrt das Protein in der als Datenseite aktivierten Region einfach wieder in den Ruhezustand zurück.
DIE DATEN WERDEN MIT HILFE DER VERZWEIGUNGSREAKTION PARALLEL GESCHRIEBEN.
Mittels des sequentiellen einphotonigen optischen Protokolls wird ein paralleler Schreibvorgang durchgeführt. Der "Paging"-Strahl aktiviert den Photozyklus des Bakteriorhodopsin und erreicht nach wenigen Millisekunden die höchste Konzentration des O-Zustands. Nun werden der Datenlaser und der LCSLM [räumliche Lichtmodulator] aktiviert [l = 680nm, Dt ‰ 3 ms] und bestrahlen jene Speicherelemente, in die die 1er-Bits geschrieben werden sollen. Der Vorgang wandelt an diesen – und nur diesen – Stellen der Speicherküvette den O- in den P-Zustand um. Nach mehreren Minuten zerfällt der P-Zustand thermisch in den Q-Zustand [die P > Q Zerfallszeit, tP, hängt stark von der Temperatur und der Polymermatrix ab]. Der Schreibprozeß findet in nur rund 10 ms statt, also in der Zeit, in der das Protein den Photozyklus vollendet.
DIE DATEN WERDEN SEITENWEISE PARALLELGELESEN.
Der Lesevorgang macht sich den Umstand zunutze, daß Licht mit etwa 680 nm nur durch zwei Zwischenprodukte im Photozyklus von lichtadaptiertem Bakteriorhodopsin absorbiert wird: dem primären Photoprodukt K und dem relativ langlebigen O-Zustand [siehe Abb. 2]. Die Lesesequenz beginnt auf dieselbe Weise wie der Schreibprozeß mit der Aktivierung des 568 nm "Paging"-Strahls. Nach zwei Millisekunden werden die "data timing"- [DTS] und die "data read"-Verschlüsse [DRS] 1 ms lang geöffnet, jedoch bei geschlossem SLM, so daß dieser nur 0.1% der Gesamtleistung des Lasers durchläßt. Eine CCD-Detektormatrix [die auf das Löschen aller Ladezustände vor dem Lesevorgang programmiert ist] zeichnet das durch die Datenküvette hindurchgehende Licht auf. Die Speicherelemente im Binärzustand 1 [P oder Q] lassen das 680 nm Licht durch, wogegen es diejenigen Elemente, die am Anfang im Binärzustand 0 [bR-Zustand] waren, absorbieren, da diese mittlerweile in den O-Zustand gelangt sind. Da alle Speicherelemente außerhalb der aktivierten Datenseite auf die Zustände bR, P oder Q beschränkt sind, erfolgt die einzig signifikante Absorption des Strahls an die O-Zustände in der aktivierten Datenseite. Die CCD-Detektormatrix registriert also allein die differentielle Absorptionsfähigkeit der aktivierten Datenseite. Dieses Selektionsvermögen ist der Schlüssel zum Lesevorgang und ermöglicht einen akzeptablen Signal-Rauschabstand selbst bei dicken [1–1,6 cm starken] Speichermedien mit über 103 Seiten. Da die Absorptionsfähigkeit des O-Zustands in der aktivierten Datenseite mehr als 1000 Mal höher als die aller übrigen Elemente des Speichervolumens ist, genügt ein sehr schwacher Strahl, um ein großes differentielles Signal zu erzeugen. Der Lesevorgang ist in rund 10 ms abgeschlossen, was eine Lesegeschwindigkeit von 10 MB/s ergibt. Der Lesevorgang muß für jede Seite einzeln durchgeführt werden, und nach ca. 1000 Lesevorgängen ist eine Datenauffrischung notwendig. Zwar wird der Speicher durch die Datenauffrischung geringfügig verlangsamt, doch kann die Wirkung durch das Puffern von Seiten minimiert werden.
DIE DATEN WERDEN IN MULTIPLEN SEITENPAKETEN MIT INKOHÄRENTEM BLAULICHT GELÖSCHT.
Eine gefilterte Quarzhalogenlampe liefert das blaue Licht für die photochemische Rückumwandlung des P- und Q-Zustands in den bR-Zustand. Da es sich dabei um nicht-kohärentes Licht handelt, ist keine Fokussierung auf einzelne Seiten möglich, und es werden mehrere Seiten gleichzeitig gelöscht. Die optimale Wellenlänge für die Datenlöschung ist ca. 410 nm. Außerdem bietet sich die Alternativmöglichkeit, mit nicht-kohärentem Licht im Bereich von 360–450 nm eine gesamte Datenküvette zu löschen. Diese Option könnte für einige weniger teure Implementierungen nützlich sein.

Abschließend muß ich betonen, daß es noch einer Menge Arbeit bedarf, ehe assoziative oder dreidimensionale Speicher für den Durchschnittsuser erhältlich sein werden. Der Leser kann aber sicher sein, daß beide Speichertypen in irgendeiner Form im Verlauf des nächsten Jahrzehnts produziert werden. Die Natur kann uns in bezug auf Informationsverarbeitung und -speicherung eine Menge beibringen, und die Instrumente zur Erforschung der Natur und zur Modifikation natürlicher Materialien werden immer nützlicher und leistungsfähiger. Die Zukunft der biomimetischen Technologie dürfte sowohl aufregend für den Forscher als auch nützlich für den Medienkünstler werden.

Die Forschung, auf der dieser Artikel beruht, wurde von meinen Doktoranden Jeff Stuart, Jack Tallent und Deepak Singh durchgeführt. Dankend erwähnt sei die finanzielle Unterstützung durch die US National Institutes of Health, die US National Science Foundation, das USAF Rome Laboratory und die W. M. Keck Foundation.

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