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Le triangle d`incertitude - Das Dreieck der Ungewißheit
Suite für Meereslandschaften

'Cécile Le Prado Cécile Le Prado

KONZEPT
Auf dem Meer orientieren sich Matrosen und Seefahrer anhand von natürlichen, an der Küste gelegenen Anhaltspunkten wie z. B. an Kirchtürmen, Hügeln, Wassertürmen oder Leuchttürmen, die sich meist vom übrigen Küstenprofil abheben und "Seezeichen" genannt werden. Es genügt, drei davon in komplementären Richtungen zu identifizieren, um ein Dreieck ziehen zu können, in dem sich das Schiff unweigerlich befindet. Dieses auf der Navigationskarte eingezeichnete Dreieck wird als "Dreieck der Ungewißheit" bezeichnet.

Das Soundinstallationsprojekt Le triangle d'incertitude greift das Prinzip der Dreiecksnavigation auf und ersetzt dabei diese visuellen Seezeichen durch akustische Marksteine – ebenfalls Informationselemente für die Seefahrer – , die durch aufmerksames Horchen erkannt werden. Leuchttürme, Bojen, Funkanlagen an Bord und etliche andere technische Einrichtungen warnen den Seefahrer vor Gefahren oder Hindernissen.

Bei dem Installationsprojekt geht es darum, auf dem Boden eines fiktiven und virtuellen Raums ein Dreieck der Ungewißheit zu ziehen, und zwar ausgehend von Tonaufnahmen, die an folgenden Punkten durchgeführt werden: an der südlichen Spitze Irlands [Fastnet], am westlichsten Ende von Frankreich [Bretagne] sowie am westlichsten Punkt Spaniens [Cap Finisterre].

Aufgrund ihres Wesens verweist die Installation also auf eine Positionierung der Töne im Raum, wobei ständig zwischen Orientierung und Ungewißheit hin und her gewechselt wird.
REALISIERUNG
Die Tonaufnahmen spielen für die Konzeption eine wichtige Rolle und werden von Cécile Le Prado durchgeführt. Dabei werden sowohl vorher ausgewählte Töne wie das Nebelhorn eines Leuchtturms oder das Heulen einer Boje draußen auf dem Meer als auch zufällig bei den Aufnahmen entdeckte Töne aufgenommen. Sie werden wegen ihrer außergewöhnlichen, ureigenen akustischen und musikalischen Eigenschaften aufgenommen, was einer Aufnahme ein ganz spezifisches und irreversibles räumliches Bild verleiht. Ein Beispiel dafür wäre das Loch in einem Pier im Hafen von Malpica in Spanien, in das Meerwasser strömte. Dieser Laut ähnelt von vornherein aufgrund seines musikalischen Aspekts einem im Studio nachbearbeiteten Ton, wobei er aber seinen typischen Hafencharakter beibehält. Die Geschichte der Tonaufnahme spielt auch zum Zeitpunkt der Komposition im Studio eine wesentliche Rolle, denn auch wenn das Ohr zwar in diesem Moment tatsächlich stimuliert wird, so sind doch gewisse Erinnerungen an die Umstände, an visuelle und andere Impressionen ausschlaggebend dafür, welchen Charakter die Installation später annehmen wird.

Im Studio werden die aufgezeichneten Töne digital aussortiert, geschnitten und manche von ihnen nachbearbeitet, bevor sie in eine Art "Story Board" aufgenommen werden. Die Bearbeitung wird oft durch eine harmonische oder zeitliche Eigenschaft [um den Begriff des Rhythmus zu erweitern] ausgelöst, die bereits zum Zeitpunkt der ursprünglichen Tonaufnahme vorhanden war.

Durch die Echtzeit-Simulation eines akustischen Raums und durch die Auswahl der Wege der Tonquellen in diesem Raum entsteht als Element der Komposition eine "écriture de la spatialisation", eine Schrift für die räumliche Aufzeichnung. Durch mehrmaliges Abhören und Modifizieren wird sie nach und nach verfeinert.

Für diese Arbeit wurde Spatialisators Spat‚ benutzt. Diese vom IRCAM und dem Atelier Espaces nouveaux entwickelte Software ist ein virtueller Akustikprozessor, der im wesentlichen auf einer Analyse der Raumwahrnehmung beruht. Mit Hilfe des Spat kann dieser im Studio simulierte Aufbau später an die Erfordernisse verschiedener Wiedergabeorte adaptiert werden.

Die letzte Stufe der Realisierung besteht darin, die in einem Studio implementierte Installation in eine Umgebung im Freien oder in einen Raum zu integrieren. Die Wechselwirkungen zwischen Komposition, "natürlicher" akustischer Umgebung und der Akustik des Installationsortes sind immer sehr interessant. Bestimmte Aspekte der Studiokomposition verschwinden, während andere wichtiger werden. Der Standort entwickelt sich und nimmt nach und nach die Form des im Studio erarbeiteten Vorschlags an, insbesondere in Abhängigkeit von Tageszeit, Witterungsverhältnissen etc. Das Zusammenwirken von Standort und Installation bedingt eine für die Anpassung spezifische Kombination von Zwängen und Wahlmöglichkeiten. In diesem Sinn ist das "Dreieck der Ungewißheit" sehr einschränkend. Es wird unter sehr präzisen Bedingungen gehört. Dabei müssen auch die Lautsprecher in gleichem Abstand zueinander in einem Kreis aufgestellt werden. Der ideale Wahrnehmungsraum, in dem die Raumeffekte auch tatsächlich wahrgenommen werden können, ist auf einen relativ kleinen Raum innerhalb dieses Kreises beschränkt.


Mitarbeit:
Musikalische Bearbeitung:
Cécile Le Prado in den Studios von IRCAM [Institut de Recherche et de Coordination Acoustique Musique]
Wissenschaftliche Beratung [Spat]: Jean-Marc Jot
Musikalische Assistenz: Gilbert Nouno
Beratung Abmischung/Überspielung: Frédéric Prin
Tonassistenten: Mar Pazos Oviedo, Christian Dubet
Die Soundinstallation "Le Triangle d'incertitude" ist eine Produktion von Clameurs, durchgeführt und übertragen von "l'autre rive" [das andere Ufer].
Koproduktion: Centre National Dramatique et Choréographique Le Quartz de Brest, Etablissement Public du Parc et de la Grande Halle de la Villette. Mit Unterstützung der AFAA [Association française d'action artistique] de Audio 33 – Amadeus Concept.

Aus dem Französischen von Christine Plunger