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Sub`tronic


'Wolfgang Fadi Dorninger Wolfgang Fadi Dorninger / 'Didi Neidhart Didi Neidhart

Sub'tronic ist ein Slogan für Events mit Musik als Träger. "Sub" steht für die dominierenden Frequenzen im Tieftonbereich und "'tronic" für die elektronische Ausrichtung der dargebotenen Stile. Sub'tronic steht auch für Nachtaktivität in öffentlichen Räumen, die zumeist zweckentfremdet benützt, mit flüchtigen Medien umgestaltet und von sonderbaren Menschen frequentiert werden.

DN: Im Entertainment-Raumangebot von Sub'tronic gibt es heuer eine Bar, einen "dancecube," einen Entspannungsraum und etwas, was Ihr Puls nennt. Was hat man darunter zu verstehen?
WD: Im Konzertsaal der Stadtwerkstatt gestaltet Sub'tronic eine Bar und einen "dancecube". Bar und Dancecube sind optisch und akustisch zu 70 Prozent getrennt. Der Blick der Barbesucher auf die Tänzer wird unterbunden, die Akustik auf Gesprächslautstärke reduziert, wobei die Geschehnisse des Dancecube zeitverschoben durch Videoaufzeichnungen eingeblendet werden. "Puls" ist ein kleiner Lichtraum, eine Schleuse auf dem Weg zum Entspannungsraum. Wobei Puls und Entspannungsraum nur durch den Dancecube betreten werden können. Im Entspannungsraum können sich Menschen gegen Voranmeldung von den Plagen eines Festivals heilen lassen und bei Fruchtsäften, Ruhe und Massage wegdriften.
DN: Die Soundscapes im Ruheraum sollen laut Beipackzettel menschliche Qualitäten im Bereich Sexualität oder Management steigern. Welche DJ-Sounds können wir heuer erwarten?
WD: Vor allem Bhangra, Latin-House, Electro, Jungle, Drum & Bass. Also Musikstile, deren Ursprünge vielfach in einem Import und Re-Import verschiedener Kulturen zu finden sind. Kurz gesagt, geht es um kulturelle Äußerungen von Emigranten und modernen Nomaden, die in der Fremde so etwas wie "Heimat" und kulturelles [Selbst-]Bewußtsein etablieren wollten. Damit wurden auch Datenbanken für spätere Generationen angelegt, die vor allem den verschiedenen Minoritäten, z. B. Afro-Amerikanern, Latinos, Schwulen oder indischen und pakistanischen Jugendlichen in England, erstmals eine öffentliche Stimme und ein Bewußtsein über die eigene Geschichte sowie den eigenen gesellschaftlichen und kulturellen Status gegeben haben. Das beste Beipiel dafür ist HipHop. Dabei darf man aber nicht außer acht lassen, daß sich diese Kulturen als "displaced" verstehen, nicht in fix umgrenzten, realen wie virtuellen, Territorien denken und sich eher einer Partisanenmentalität verpflichtet fühlen. Das heißt, die Styles und Sounds erwischen dich eigentlich immer aus dem Hinterhalt, und wenn du dir mit deiner abendländischen Bildung endlich einen Reim darauf gemacht hast, sind sie entweder schon verschwunden oder tauchen ganz woanders auf. Somit führte das Aufeinanderprallen der Traditionalismen importierter [Jugend-]Kulturen und neuer Technologien [der Sampler als digitale Geschichts-Bibliothek minoritärer Gruppen] zu De- und Re-Kontextualisierungen, die neue Formen, aber auch Re-Animationen alter Formen tribalistischer Jugendkulturen entstehen ließen.

Musikstile wie House sind in kleinen überschaubaren urbanen Räumen ["Häusern"] entstanden. Chicago-House, der Ursprung von Techno im weitläufigen Sinn, orientierte sich stilistisch am Munich-Sound [Giorgio Moroder] und benützte reduzierte Muster dieser Musik als Soundtrack zum "vouge'ing". Im Wettstreit der "Häuser" entstand also House. Dieser Sound wurde – von der schwarzen Transgender- und Gay-Bewegung ausgehend – zur Weltmusik, zum Beitrag einer transkulturell operierenden Musikindustrie. Müßig anzumerken, daß nahezu alle Innovationen der Popmusik von Randgruppen, die ethnisch, sozial und kulturell unterdrückt wurden, entstanden sind. Schwarz, hispanic und schwul sein in Amerika bedeutet: doppelte Unterdrückung und eine Existenz am Rande von nirgendwo.

Die Frage ist: Wie kann eine Struktur, die sehr klein ist, eine Mikrostruktur, kulturell so lange überleben, bevor sie zu einem Objekt der Begierde von Konzernen wird? Und wie verändert sich das Leben jener Menschen, die einfach nur Spaß haben wollten, weil sie mit ihren Freunden neue und alte Codes mischten und dabei etwas Neues kreierten, das auf einmal so interessant wird, daß es Menschen ganz woanders teilen wollen?

Ein anderes Beispiel ist "Bhangra," wo die in England geborenen Kinder von pakistanischen und indischen Einwanderern indische Folklore, indische Filmmusiken mit Reaggae, Techno und HipHop mischen. Diese Musiken sind Viertel-Musiken, die sich zwar exportieren lassen, aber Wurzeln brauchen. Es ist keine postmoderne Fusion-Musik, es ist einfach gelebter Crossover, der eigentlich schon vorher im Leben dieser Menschen stattgefunden hat. Sie haben nur das weitergesponnen, was in ihrem Leben Sache war. Somit hört man die Geschichte mit.
DN: Daneben bietet Sub'tronic aber auch noch Live-Konzerte. Welches Konzept steckt hinter diesen Events?
WD: Sämtliche Livekonzerte spielen im Freien, respektive an architektonisch reizvollen Plätzen. In einem Tunnel, unter einem Tor, in Schleusen, in Hafenbecken, unter Brücken ... Sub'tronic benötigt diese Räume, diese Feststoffe, damit die flüchtigen Medien sich ausbreiten können und die elektronische Musik einen Klangkörper bekommt, den Raum der Apparatewelt verlassen kann.

Mit der Kommerzialisierung von Techno ab 1992 entwickelte sich parallel dazu ein verstärktes Bewußtsein für experimentelles Wirken. Die bewußte Verweigerung und Widerborstigkeit schuf neue Formen und Szenen, die paradoxerweise auch jenes ästhetische und inhaltliche Potential lieferten, das der Kommerz-Techno als Auffrischung zum Überleben dringend benötigt. Die Beschleunigung dieses Akkumulationsprozesses schuf für alle Beteiligten neue Märkte und Möglichkeiten. Experimentelle elektronische Musik, als Wurmfortsatz der Neuen Klassik elitär und universitär verwaltet, erhielt somit einen gewieften Spielpartner, der, ausgestattet mit der Leichtigkeit des Pop, diese Formen auch dementsprechend vermarktet. Dementsprechend hat sich auch die Oberfläche des Auftretens verändert.
DN: Wie wird das bei Sub'tronic dargestellt und vermittelt?
WD: Bei Sub'tronic suchen wir jene Orte auf, die akustisch verführerisch, optisch interessant und nur mit speziellen Fortbewegungsmitteln zu erreichen sind. An einem Abend [Mitwoch, 10. September, 23 Uhr-4 Uhr] mittels Schiff. Wir fahren mit dem Schiff an das Ende der Scheibe, hängen uns dann weit hinaus und versuchen darunter zu schauen. Navigiert wird diese Fahrt von den Protagonisten von "Mego-Records" aus Wien. Es werden Konzerte unter Brücken stattfinden, im Hafen, in einer Schleuse und auf der Donau. Der Raum als Improvisationspartner. Jeder Besucher, der an Bord geht, kann das Schiff nicht auf dem üblichen Weg verlassen. Das heißt also, daß Menschen, die mit den gebotenen Extrempositionen Probleme bekommen, nicht einfach nach Hause gehen können. Gut, es gibt für all jene, die sehr gestreßt sind, einen schalltoten Raum, damit keiner über Bord springt. Es gibt keine halben Sachen, keinen Voyeurismus mehr.
DN: Im Vorjahr gab es Livemusik in einem Panorama-Zug, der durch das nächtliche Ambiente eines Stahlwerkes [VOEST] fuhr. Wird es heuer etwas Ähnliches geben?
WD: Im Vorjahr wurde der Zug von drei Männern beschallt, die auf eine Arbeitswelt, dominiert von Männern, einzugehen hatten. Im Vorjahr bauten Aural Screenshots & James Plotkin eine Falle auf, in die auch alle prompt hineingetappt sind: In die Welt der Industrie- und Maschinenromantik. Heuer werden zwei Frauen Position beziehen. Ikue Mori und Tenko werden den Panoramazug durch das Werksgelände der VOEST steuern.

Die anderen Konzerte finden im AEC-Quarter statt. Unter dem Donautor, an der Donau und im Tunnel unter der Nibelungenbrücke.
DN: Welche Technologien werden eingesetzt, und wie positionieren sich die diversen Künstler dadurch?
WD: Es werden selbstgebaute Analogsynthesizer, Sampler und Computer verwendet, es wird mit Film, Video und Licht gearbeitet. Wobei anzumerken ist, daß die Performer die Räume zwar "neu vermessen," aber nicht neu bauen. Es sind Musiker, die ihre Arbeitsweise nicht ausschließlich für Festivals ausrichten, sondern eher für den Musikbetrieb. Die sehen sich als Teil einer Popbewegung. Und das gefällt mir, weil es mehr Pop für die Avantgarde und mehr Avantgarde für den Pop bedarf.


Live PA:
Mego Night feat. General Magic, Farmers Manual, Fennesz, Pita [all A], Hecker [G], Haswell [UK] and Bruce Gilbert [UK);

others:
Ikue Mori [J], Tenko [USA], Plotkin [USA]/ Linschinger [A], Leo Anibaldi [UK], Lilith [USA].

DJs:
Charlie Cabrañez [USA]
BMG [USA]
Martha Hurry [A]