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Ars Electronica 1997
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Turbulence


'Helen Thorington Helen Thorington

http://www.Turbulence.org

Turbulence, ein mittlerweile seit zwei Jahren bestehendes Projekt, umfaßt einerseits eine Kunst-Site im World Wide Web, andererseits eine wachsende Gruppe von Künstlern, die für das Projekt gearbeitet haben und einander regelmäßig treffen, um sich über ihre Arbeiten auszutauschen, zur allgemeinen Entwicklung der Web-Site beizutragen, neue Projekte zur Zusammenarbeit auszuarbeiten und einander bei der manchmal übergroßen Aufgabe zu unterstützen, mit den Entwicklungen des Web Schritt zu halten.

Turbulence verfolgt vorrangig zwei Ziele. Das erste besteht darin, Künstlern aller Richtungen mit unterschiedlichem Ausmaß an Online-Erfahrungen die Möglichkeit zu bieten, die charakteristischen Eigenheiten des Web zu erforschen und von verschiedenen Multimedia- und Online-Techniken Gebrauch zu machen. Das zweite Ziel des Projektes ist, überzeugende neue Arbeiten vorzulegen, die zur Verbesserung des Internet beitragen und die Erfahrungen, die Geschicklichkeit und das Verständnis der Benutzer durch Beispiele, Online-Diskussionen und gemeinsames Arbeiten erhöhen.

Eine ganze Reihe verschiedener Künstler mit unterschiedlichem Background arbeitet für Turbulence. Sie kommen aus dem Gebiet der Literatur, der Musik, der visuellen, darstellenden und/oder Medienkunst. Darunter finden sich namhafte Künstler ohne Multimedia-Erfahrungen ebenso wie Künstler, die bereits an der Weiterentwicklung von Multimedia-Technologien mitarbeiten.

Ganz allgemein sucht Turbulence nach Arbeiten, die es dem Benutzer ermöglichen, sich mit dem Inhalt der Web-Site aktiv auseinanderzusetzen, Neues hinzuzufügen und die Ergebnisse wieder einzuspeisen. Die Premiere fand am 1. April 1996 mit der Erzählung North Country von Helen Thorington [in Zusammenarbeit mit Eric Schefter] statt. Diese Geschichte, in der es um einen nicht identifizierbaren Skelettfund in den nördlichen Wäldern des Bundesstaates New York geht, macht umfangreichen Gebrauch von RealAudio und bietet seinen Benutzern die Möglichkeit, selbst die Entwicklung der Erzählung mitzubestimmen.

Auf North Country folgten im Jahre 1996 fünf weitere Arbeiten: Harris Skibells Snuff, ein Java-basiertes Projekt, das "konkurrierende" Medien im Web aufspürt, herunterlädt und vergleicht, Text, Graphik und akustischen Inhalt dieser Medien sicht- und hörbar filtert, und die Reste auf der Snuff-Site ablegt; Jonathan Giles MRT, eine kunstvolle Symphonie kleiner Maschinen, die ausgiebig von Ton und QuickTime-Clips Gebrauch macht; Marianne Petits The Grimm Tale, eine interaktive, auf einem der Märchen der Gebrüder Grimm aufbauende Erzählung; notwalls, eine Virtual-Reality-Konstruktion des Architekten Laurel Wilson, die der flachen Seite im Browser einen 3D-Raum gegenüberstellt; sowie Vocabulary, eine interaktive musikalische Arbeit der Komponistin Christine Baczewska, bei der der Benutzer Baczewskas vokale Komposition umkomponieren kann.

Im Jahre 1997 folgten dann John Hudaks Arbeit mit dem Titel Artifact, die sich mit den RealAudio-Störgeräuschen [Artefakten] des Web beschäftigt; Benton Bainbridge mit Hootenany Manifestation, der das Internet mit der amerikanischen Grenze zur Wildnis vergleicht, wo Geschäftemacher ohne Schranken agierten; sowie John Nielsons Radio Stare, die Nielsons eigene Rhythmen mit nicht kontrolliert zugeführten Scannerdaten verbindet und so in gewisser Hinsicht zu einem voyeuristischen Werk macht, zu einem Projekt, das nur im Web möglich ist. Für 1997 sind vier weitere Arbeiten geplant.

Obwohl der Großteil der Arbeiten für Turbulence die Werke einzelner Künstler waren, hat sich die Gruppe auch an vernetzten Aktivitäten beteiligt. Dazu gehört eine achtwöchige experimentelle Ausstellung vernetzter digitaler Welten im Internet, die für das List Visual Arts Center des MIT organisiert wurde. Vom 25. Jänner bis 29. März 1997 schufen die Turbulence-Künstler Helen Thorington, Nick Didkovsky und andere mittels RealAudio eine live improvisierte Klangkomposition mit dem Titel Turbulence, die gleichzeitig im Internet und am List Center aufgeführt wurde.

Jonathan Giles, dessen Arbeit MRT auf dem Turbulence-Site zu finden ist, hat eine Reihe von Internetaktionen veranstaltet, die CU-SeeMe-Techniken verwenden. Zu diesem Zweck ließ er den Benutzern das Material – in der Hauptsache Ton und Hintergrundgraphiken – bereits im voraus zukommen, sodaß sie zu einer eigenen Version der CU-SeeMe-Aktion beitragen und diese verbessern konnten.

Es gibt Pläne für eine Serie von Gruppenperformances, die sowohl in New York City als auch im Web stattfinden sollen.

Turbulence hat auch ein interaktives Dramaprojekt mit dem Namen Nine Points of Entry für das Web entwickelt. Die ersten Beiträge dafür wurden von drei russischen, drei belgischen und drei amerikanischen Künstlern geliefert. Die Benutzer sind dazu eingeladen, diese Beiträge als Einstiegspunkte in ein von ihnen zu schreibendes Werk zu verwenden.

Künftige Pläne konzentrieren sich auf die Entwicklung einer weiteren Turbulence-Site, das sich einer objektorientierten, relationalen Datenbank bedient, sowie einer Reihe von eigens entwickelten Verfahren und Instrumenten, die komplexe Interaktionen ermöglichen – sowohl zwischen dem Material in der Datenbank als auch zwischen diesem und in anderen Datenbanken gespeicherten Informationen.

Hinter der Turbulence-Site mit ihren Künstlern steht die für die Verwaltung und Fortsetzung des Projektes verantwortliche Non-Profit-Organisation New Radio and Performing Arts [NRPA] mit ihrer Leiterin Helen Thorington.