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Ars Electronica 1996
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Festival 1979-2007
 

 

Contained - Rückspiegel zur Realität: Was soll es, was ist Programm?


'Just Merrit Just Merrit

Die Realität ist nicht vergangen, sie scheint mir im Jetzt verborgen zu sein. Wozu also ein Rückspiegel, der per se das "hinter einem Liegende" definiert, egal ob wir im Vorwärts- oder Rückwärtsgang fahren – und nicht einmal eine übereilte Rückkehr bringt uns weiter nach vorne.

Warum also "zur"? "Im Rückspiegel die Realität" wäre falsch, denn so klar stellt sich Realität nicht dar, auch nicht in einer Respektion, also im/ins Vergangene/n betrachtet. Bestenfalls könnte im Spiegel ein Weg dorthin gesucht werden. "Objects may be closer than they appear" ist sinniger Weise auf manchen Rückspiegeln amerikanischer Autos vermerkt. Das also könnte es sein, was fasziniert, was der "Amerikaner" in uns gerne sehen möchte. Womöglich transferiert uns das Auto in eine nichtkonsistente, versuchsweise pure, energetische Form. Denn ist alles immer und überall, dann muß es gleichzeitig auch sehr nahe sein.

Doch so dicht, wie wir es erträumen, sind wir an diesem "Lichtzustand" noch nicht. In geradezu religiösem Übereifer hoffen wir, daß es tatsächlich ein neues Zeitalter sei, das es uns ermöglicht, Nähe und Entfernung zu verbinden und Realität in einer nicht endenden Gleichzeitigkeit zu erfahren. Das Neue der Gleichzeitigkeit bleibt aber in unseren Köpfen wie in unseren Formeln schwammig, unausgegoren. Also flüchten wir zu Definitionen und Metaphern des Übergangs – kreieren ein "liquides Zeitalter" –, einer Flüssigwerdung, Amorphität, letztendlich einer Auflösung des Materials. Eben dieser Materialität hängen wir aber, quasi nostalgisch verklärend, nach. Wehmütig betrachten wir im Rückspiegel unsere eigene Konsistenz, unsere traditionellen, historischen Zusammenhänge und suchen orientierungslos unsere verloren geglaubte Wirklichkeit.

Nicht anders scheint es erklärbar zu sein, daß wir uns melancholisch des Eisens, des konkretesten von Menschenhand geformten Materials, besinnen. Wenn IKEA, mit dem Hinweis auf mögliche Verrottung [Rost], Löffel verkauft, ist ein Beweis dafür gefunden. Wenn eine orientierungslos orientierte Jugend diese Löffel für cooles Industrial Design hält und kauft, ist es weiter nicht verwunderlich, daß Magazine wie Wired, ehemalige "Maschinenstürmer" zu "Cybernauten" stilisieren.

In meiner [Jugend-] Zeit war es zumindest noch der Mythos des Bösen, der dem Eisen anhaftete [Blade Runner]. Verständlich, daß wir, die "Prä-Generation-X-Saurier", hardwarebesessen Zugang zu den Produktionsmitteln forderten. Autonomie durch ungeklärte Besitzverhältnisse und entfremdende Benutzung des "bösen" Materials waren unsere Maximen und Träume zugleich. Mehr beeindruckt denn beeinflußt von frühen Heroen der Industrial Culture [Throbbing Cristle, SRL] empfanden wir zugleich Mitleid mit den Stahlarbeitern und ihrem massensuggerierten Hardwarezugang und Faszination für die Unmittelbarkeit der Produktionsmaschinerien. Aus eben diesem Hintergrund entstand Contained. Ein Konglomerat aus abenteuerlichen Ideen, mit leidenschaftlicher Besessenheit im Herzen eines Stahlwerkes [Voest Alpine] ausgefochten, hauptsächlich von mir verschuldet, doch nie von mir allein getragen. Vierundfünfzig Monate lang wucherte, einem Krebsgeschwür gleich, dieses Menschen- und Material-Konstrukt [mit erheblichem Verschleiß an Mensch und Material] an einem Platz, an dem ich, der bourgeoise Mittelschüler, der ich war, das Leben, wegen seiner maximalen Entfernung zum Elternhaus und meinen Ursprüngen, für am direktesten fühlbar hielt.

Der Rückspiegel dient ergo auch funktionell, gänzlich banal, einer Rückbesinnung und Rücksicht auf mögliche Stärken dieses Geschwürs: An kaum einem anderen Platz war je die Auseinandersetzung einer industriellen Kunst [von Maschinenbastlern bis Konzeptideologen] mit dem Hintergrund, auf den sie sich berief, eine unmittelbarere. Nichts zerrte die kleinbürgerlichen Wurzeln aus erdiger Sinnlichkeit so schonungslos ans Licht. Nirgendwo ist das Stöbern in dem, was schon ist, ohne den Hintergedanken an Probleme der Kunst so lustvoll [der an eine Halle genagelte Elchkopf, als Souvenir geografischer Anmaßung [Neckermann], läßt doch Geschmack vermuten und das kulturelle Leben und Treiben der Gokart-Rennfahrer und der Hundeabrichter auf Zivilisiertheit schließen]. Wo sonst liegen die vertrottelten Zeremonien einer Welt, die sich selbst und den Umstand, daß es sie nicht mehr gibt, feiert, – so offen – extreme Romantik eines "Zurück zur Kultur", die es längst nur mehr in den Sterbezimmern der Museen gibt.

Deshalb ist der Rückspiegel sehr simpel aufgebaut!

Freunde werden eingeladen, sich über einen Zeitraum von zehn Tagen der Örtlichkeit ungeschützt auszusetzen und mit ihren unterschiedlichen Mitteln und Strategien auf das zu reagieren, was sie vorfinden. Der Arbeit der Männer aus Stahl, der Stahlstadtkinder wird dabei ebenso Rechnung getragen wie der Fremde, die aus der Unmöglichkeit eines Verstehens kunstlosen Lebens entsteht.

[Die Ergebnisse werden in einer kleinen Veranstaltungsreihe, einer Ausstellung, einer Diskussionsrunde und einer Videoserie präsentiert.]

< there is no such thing as paradise >

Hermann Atzlinger
Das Produkt selbst steht nicht im Vordergrund, vielmehr die Faszination jener Variablen, die es ermöglichen.

Tina Auer
das spiel an und für sich, betrieben in der vielfältigkeit der materalien und medien; um die bedeutung der gegebenheiten durch minimale veränderungen neu zu definieren; bestimmte situationen in verbindung mit neu konstruiertem kontext ergeben irgendwann wieder eine harmonische beziehung, welche uns den blick in die schönheit freigibt; in sich funktionierend trotzen sie gekonnt rationellen strukturen und lassen uns schon immer gekanntes und gewohntes im glanz des neuen sehen.

Sam Auinger
aufgewachsen, wo Land auf Stadt trifft ... hier das Stift [St. Florian], dort die Industrie [VOEST] ... in noch funktionierender Tradition ... in der Kirche gab es Musik [Brucknerorgel] und zuhause ein Radio ... mit verbundenen Augen spielten wir "welches Auto kommt da den Berg rauf?"... ein VW Käfer war eine leichte Übung ... ein Eisenrohr zum Lärmen, mein bevorzugtes Spielzeug ... [...] dann kam die Bandzeit und die war englisch ... we almost never sounded good ... I wanna be more serious, I wanna get over the "tralla tralla" ... dann ... Beschäftigung mit Komposition, Psychoakustik und Sounddesign ... Bewegung macht Sound ... Räume und Material haben einen Klang .... mein Herz schlägt einen Rhythmus ... I wanna get closer to my dreams ...

Nicolas Anatol Baginsky
In Baginskys Maschinen wird die Künstlichkeit der Laboratorien künstlerisch erarbeitet. Er erbt aus der Tradition der Wissenschaftler und der Automatenbauer die Frage, was den Menschen auszeichnet und gibt hierauf als Künstler Antworten. Menschen sind nicht perfekte berechenbare Wesen, und Menschlichkeit beginnt dort, wo man sich auf die Frage, was der Mensch ist, einläßt. Baginsky läßt sich darauf ein, indem er unbequemen und wunderlichen Gewohnheiten durch Maschinenbewegungen Ausdruck verleiht.

Todd Blair
Todd Blairs Werk entstand in intensiver Zusammenarbeit mit Maschinen-, Performance- und Klangkünstlern. Mit Hilfe verschiedener industrieller Technologien lotet er unsere Beziehung zu kulturell vererbten Industrieprozessen aus. Technologische Veränderungen, Wahrnehmungsverschiebungen und die industrielle Umrüstungstendenz lieferten das reiche Ausgangsmaterial für seine Projekte. Vor allem durch Umwandlung dieser Abfallprodukte stellt er unsere alltägliche Beziehung zur industriellen Umwelt in Frage.

Blasorchester der VOEST-ALPINE Linz
Schon vor dem Jahre 1950 fanden sich in der "ehemaligen VOEST" Mitarbeiter zusammen, um in ihrer Freizeit gemeinsam zu musizieren, und so wurde 1950 die Werkskapelle der VOEST gegründet. Heute besteht das stattliche Blasorchester aus rund 55 Musikern, die zu verschiedenen Anlässen, wie Staatsempfängen, in schmucker Bergmannstracht aufmarschieren: Bei Jubiläen, internen Feiern und bei Platzkonzerten erobern sich die ausgezeichnet geschulten Musiker stets die Herzen der Zuhörer.

Tim Boykett
Tim Boykett ist u. a. Mathematiker und befaßt sich mit der Emergenz von Strukturen. Ob es sich um Menschengruppen, Axiomsammlungen oder miteinander verbundene elektromechanische Systeme handelt, sein Interesse gilt dem Auftreten neuer [normalerweise unerwarteter] kollektiver Eigenschaften. Wesentlicher Bestandteil seiner Arbeit ist Teamwork. Statt um sichtbare Resultate geht es ihm jedoch vorrangig um das Zustandekommen neuer Formen der "managementlosen" Zusammenarbeit. Warnung: NICHT KOOPERIEREN!

Denise Caruso
Denise Caruso, die seit Jahren die Entwicklung digitaler Technologien und interaktiver Medien beobachtet und analysiert, schreibt die Digital Commerce-Kolumne der New York Times und ist Leiterin von Spotlight, einer Fachtagung über interaktive Medien. Caruso war Vorstandsmitglied der Electronic Frontier Foundation und wurde 1995 in den Vorstand des Institute for Alternative Journalism gewählt. Sie studierte Englisch an der California Polytechnic State University in San Luis Obispo und lebt und arbeitet in San Francisco.

Tatjana Didenko
Tatjana Didenko ist seit 1990 Musikologin und TV-Produzentin für das russische Staatsfernsehen in Moskau. Ihre herausragenden Produktionen wurden bereits auf internationalen Film- und Medienkunstfestivals gezeigt. Sie ist bekannt für ihre selbstlose Unterstützung von Produktionen russischer wie internationaler Künstler in Moskau. Sie ist Mitglied der New Screen Technology Association und war 1995 die russische Produktionsleiterin bei Checkpoint ‘95, einem Live-TV-Event zwischen New York, Moskau und Linz im Rahmen der Ars Electronica.

John Duncan
Zu John Duncans neuesten Werken zählen THE CRACKLING, komponiert mit Max Springer, hergestellt im Stanford Linear Accelerator Center [SLAC] für subatomare Teilchenforschung in Stanford, Kalifornien, und erschienen auf Trente Oiseaux [Deutschland]; ICONS, eine Serie von vier Meter hohen Makroaufnahmen der Vaginen von sechs Frauen auf Infrarot-Schwarzweißfilm, mit begleitenden Pinselzeichnungen der Bilder aus seinem eigenen Blut; und The Ruud.E.Memorial Choir/Psychonaut, ein Event für einen dreißigstimmigen Chor, erschienen als 7’-EP aus durchsichtigem Vinyl [USA].

Chip Flynn
Peoplehater ist eine von Chip Flynn initiierte Performance-Kollaboration. Die Gruppe erzeugt Welten, in denen der Unterschied zwischen Maschine, Karneval und Monster aufgehoben ist. Wir sind allein, irgendwo in der Grauzone zwischen Traum und Alptraum. Auf der Suche nach der Umleitung des Vergnügens verwickelt uns ein Technikerteam in Performances, die infernalen Marionettenspielen gleichen.

L.A. Gladsjø
Rückspiegel zur Technik – Während wir einer unbekannten Zukunft entgegenrasen, bietet dieses Filmprogramm eine Retrospektive vergangener Formen industrieller Kultur. Vielleicht findet sich in diesen aus den Archiven kommunistischer, nationalsozialistischer und kapitalistischer Gesellschaften stammenden Dokumenten der Schlüssel zur Neudefinition unserer Beziehung zur Technik. Abgesehen von der historischen Perspektive bietet das Programm Ausblicke auf neue Paradigmen, die von Künstlern und anderen Visionären durch Experimente mit möglichen zukünftigen Formen dieser Beziehung aufgezeigt werden.

Brett Goldstone
Durch Demystifizierung der Funktionsweise mechanischer Energiequellen wendet sich Brett Goldstone von den herkömmlichen Anwendungen kinetischer Elemente wie Unterhaltung und Spektakel ab und verleiht seinen Werken politische und gesellschaftliche Bedeutung. In Europa stellt er erstmals im Rahmen von Rückspiegel zur Realität aus. Schwerpunkt seiner ästhetischen Interessen ist die Schaffung von Elektromotoren, Dampfmaschinen und Wasserturbinen als Primärskulpturen. Diese Arbeiten dienen auch als Energiequellen für die Installation kinetischer Sekundärskulpturen.

Matt Heckert
Das Mechanical Sound Orchestra des in San Francisco tätigen Klangkünstlers Matt Heckert ist ein Ensemble kinetischer Maschinen, die eigens zur Erzeugung von Klängen entwickelt und hergestellt wurden und herkömmliche Orchesterinstrumente an visueller Dynamik und akustischen Fähigkeiten übertreffen. Durch ein breites Spektrum an Instrumenten und Kompositionen, das die Charakteristika des jeweiligen Aufführungsortes miteinbezieht, schafft das MSO ein Theaterevent, und durch seine Instrumentierung von der Rhythmusgruppe über Streicher bis zu virtuosen Solisten verwirklicht es sein Ziel einer kinetischen Klangskulptur.

Rudolf Heidebrecht
1 Mensch bleiben / 2 Versuchen, auf SICH SELBST nicht hereinzufallen. / 3 Zu Picasso kam einmal ein junger Künstler und fragte ihn: "Herr Picasso, wie kann man Kunst verstehen?" Und Picasso antwortete mit einer Gegenfrage: "Wie kann man das Singen eines Vogels verstehen?" / 4 "Man muß die Menschheit lieben, nur so kann man sie verstehen. Es darf einem keiner zu gering, keiner zu häßlich sein ..." - Georg Büchner, Lenz / 5 "Sterben ist etwas Schlimmes, die Götter selbst haben so entschieden. Denn wäre sterben etwas Schönes, würden die Götter selber sterben." – Sappho / 6 "Ich werde älter und lerne dazu" – Solon von Athen

Erik Hobijn
Parasiten leben auf und von anderen Pflanzen und Tieren. Techno-Parasiten benutzen alle technischen Systeme oder Apparate, die ihnen unterkommen, als Wirte und nutzen deren Output, Energieversorgung und -kreislauf, um sich fortzupflanzen und zu wachsen. Ein Techno-Parasit kann ein einfaches oder kompliziertes System sein, das sich an die Strukturen des Wirtes anpaßt, wenn sein erfinderischer Überlebenskampf technische Störungen hervorruft. Techno-Parasiten saugen andere Maschinen aus, unterbrechen ihre Leitungen, bewirken Stromausfälle, legen sie lahm, zerstören sie.

Kathy Huffmann
Die Kuratorin, Netzwerkspezialistin und Medienkunst-Kritikerin Kathy Rae Huffman lebt seit 1991 in Europa. Sie arbeitet mit HILUS intermediale Projektforschung in Wien zusammen, wo ihre Künstlervideo-Sammlung und Medienkunst-Bibliothek für Forschungszwecke zugänglich sind. Huffman leitet Seminare und Workshops, hält Vorlesungen über Videokunst, interaktives Fernsehen und die geschichtlichen Beziehungen zwischen Künstlern und Technik. Ihre Forschungen über Theorie und Praxis der Cyber-Intimität wurden international im Rahmen einer Vorlesungsperformance präsentiert.

Laura Kikauka
Ein gar nicht biographischer Kurzbericht über Laura Kikauka, [selbsternannte] Techno-Nymphe und geniale Handwerkerin: Als leidenschaftliche Sammlerin findet man mich normalerweise beim Spielen in der Entropie meines ständig wachsenden Sammelsuriums von Störobjekten. Ich behaupte ja, daß nicht ich sie suche, sondern daß sie mich finden ... wie ein Magnet bestimmte Metalle anzieht. Mein leidenschaftliches Interesse gilt der Welt der Elektronik und Mechanik [inklusive Computerschnittstellen, Schaltkreisentwurf, Audio, Video, Holographie, Plastik und Schweißen] ... und das, obwohl ich anscheinend das geborene Partygirl bin!

David Moises
Es geht um Maschinen und Spielzeug und Maschinen, die spielen; und es geht um den spielerischen Zugang zu Geräten, die sehen, was sie können und wie sie funktionieren [oder nicht]. Maschinen führen Handlungen aus, haben einen Benutzer/Operator, mit dem sie eine Einheit bilden. Zum Beispiel sieht der Spieler eines Jojo mittels Video die grundlegende Struktur dieses Spielzeugs/dieser Maschine. Der Spieler spielt, und das Jojo antwortet in seiner speziellen mechanischen JoJo-Sprache. Diese Sprache ist die Maschine selbst.

Gordon Monahan
Gordon Monahans Werke für Klavier, Lautsprecher, Video und kinetische Skulpturen spannen einen Bogen von Avantgarde-Konzertmusik zu Multimedia-Installationen und Klangkunst. John Cage hat einmal gesagt: "Gordon Monahan erzeugt Klänge am Klavier, wie wir sie noch nie gehört haben." Sein Hauptinteresse gilt derzeit "Multiple Machine Matrix", einem System computergesteuerter kinetischer Instrumente aus elektronischen Restbeständen und Industrieabfall. MMM ist ein Netzwerk von Musikmaschinen, die komplexe, akustische Klangschichten im Raum bewegen können.

Mathias Moser
Ich glaube, dass 90% unserer Worte dazu dienen, die Wahrheit zu verschleiern. Eine Möglichkeit, sich ihr zu nähern, ist das Licht, wobei sich die Frage stellt, ob jegliches Licht nur die Reflexion von Oberflächen nach Wahrheit abtastet.

Marc 9
Das kapitalistische System wird weiterhin fieberhaft versuchen [Fieber = Anzeichen von Krankheit], die "Freie Marktwirtschaft" vor ihrer Selbstzerstörung zu retten. Gewinner sind die, die uns eine Wirtschafts- und Währungsunion und jeglichen Schmonzes verkaufen; die uns keine Zeit zum Nachdenken geben wollen und deshalb ständig sagen, was zu tun und was zu lassen ist. Wer sich nicht fügt bzw. nicht fügen will, bekommt die Gewalt des Kapitals zu spüren. Wer nichts leistet, bekommt nichts oder immer weniger. Tod den Maßstäben [und dem Kapital sowieso]!

Linda Nilsson
Linda Nilsson erforscht Materialien durch Experiment und Spiel mit ihren Funktionen. Diese Konfrontation mit Skulpturen und Klang inspirierte sie zur Entwicklung beweglicher Klangskulpturen. Der wesentliche Aspekt ihrer Arbeit ist die Entdeckung des Raums als Ort, der auf diese Art Forschung und die entstehenden Rauminstallationen zurückwirkt.

Fritz Ostermeier
Ob Musik/Kunst/Theorie von Relevanz ist, interessiert mich nicht. Wer spricht? Wer wagt es überhaupt, mir seine physiologischen Absonderheiten als relevant anzudrehen?
Schleicht’s euch, relevante Denker! Schleicht’s euch, relevante Künstler! Und die Tausendschaften relevant kreativer Kleinhäusler könnt’s auch gleich mitnehmen. Wer keine Obsessionen vorzuweisen hat, braucht sich bei mir nie mehr blicken zu lassen.

Martin Reiter
Nichtraum für die Kunst, indem ein dickwandiger Tiefbau durch eine Internetadresse mit dem derzeit größtmöglichen Geschwindigkeitsvolumen ausgerüstet ist. Der Ankerwurf des Tacheles durch einen Betonkörper, der in seinem engen Inneren eine konzentrierte Galeriesituation darstellt. Mit der Ausstellung Kunst und Handlung wird der Nichtraum zur Staatsgalerie. Wichtig war und ist die Beteiligung vieler KünstlerInnen und Kreativer aus dem In- und Ausland, der direkte Kulturaustausch und Informationsfluss, der durch diesen Bau entstand und passiert.

Die Romantiker
Tanzmusik, die sich hören und sehen lassen kann. Der Garant für eine gelungene Veranstaltung. Seit zehn Jahren ein Begriff im Tanzmusikgeschäft. Mit Herz, Können und Freude an der Musik wird bei jeder Veranstaltung durch Standards, Schlager, Oldies, Hits aus den 50er, 60er und 70er Jahren sowie aktuelle Hits – einem musikalischen Regenbogen gleich – Stimmung und Freude unter das Publikum gemischt. Aktuelle CD: Heiß wie Feuer MPA 1201

Herbert Schager
"Alles ist hier bitterböser Sarkasmus, alles ist hier unschuldige Kindlichkeit; alles knirscht und fletscht, trillert und jubelt. Zu ungeschminkten Lageberichten aus der Außenwelt gesellen sich chiffrierte Mitteilungen aus Innenwelten, in denen mühsam gebändigte Monströsitäten behaust sind. Es ist ein urtümlich triebhaftes und doch kultisch gezügeltes Geschehen." Da ich mich selbst eher als Maler und weniger als Konzept- Installations- oder sonst irgendeinen Künstler sehe, möchte ich gerne eine kleine Ausstellung machen mit dem Titel Wächter der Bilder.

Leo Schatzl
Viel sehen ist interessant

Manuel Schilcher
"Die Funktion des Gedächtnisses ist der Schutz der Eindrücke, die Erinnerung zielt auf ihre Zersetzung. Das Gedächtnis ist im wesentlichen konservativ, die Erinnerung ist destruktiv. Das Bewußtsein entsteht anstelle der Erinnerungsspur. Das Bewußtwerden und Hinterlassen einer Gedächtnisspur für dasselbe System sind miteinander unverträglich. Erinnerungsreste sind oft am stärksten und haltbarsten, wenn der sie zurücklassende Vorgang niemals zum Bewußtsein gekommen ist." [G. Deleuze]

Franz Selbst
Digitale und analoge Maschinen in keinem Kontext

Suzanne Stephanac
Nachdem sie drei Jahre lang wieder als freie Schriftstellerin tätig war, kehrte Stephanac im Herbst 1994 wieder zu Macworld zurück und initiierte Macworld Online, zugänglich über World Wide Web [http://www.macworld.com] und America Online [keyword: macworld]. Als Redakteurin von Macworld Online ist sie verantwortlich für Inhalt, Technik und bis dato auch für die geschäftlichen Seiten des neuen Projekts und genießt Chaos und Potential eines derartigen Unternehmens. Stephanac ist Fakultätsmitglied des Stanford Professional Publishing Course und hält Vorlesungen über Web-Publishing.

Gordon W
In Torontos Subkultur wird Gordon W als fanatischer Ex-Mönch, Performance Interventionist und Neoist der ersten Stunde gefürchtet. Ws One World Cuisine ist in Filmproduktionskreisen für extravagantes Catering bekannt [W. Shatner: "Best Catering I’ve ever had on the Enterprise - simply out of this world"; und Jerry Lewis über Ws Jerry-Lewis-Ersatz-Lamm aus Seitan Gluten: "Your meat was so tender – it was a party in my mouth"]. In seinen Berliner Irritainment-Konkursen möchte Gordon W, die biodynamische Kochlehre von Rudolf Steiner neu aufmischen.

Doris Weichselbaumer
So what is it about anyway? / Make it up as you go. / Search [pathetic]. Confusion [always]. / > What is YOUR reality ? / games [fool yourself!] / NOT getting STUCK AT ALL the wrong places. / Could you be serious ?———————————————————— / We all know better. But you knew that.

Jim Whiting
Jim Whitings pneumatisch-mechanische Installationen illustrieren die rudimentäre physischen Eigenschaften der Technik. Seine wiederbelebten Waschbottiche, autofahrenden Schlafzimmer und wandernden Mäntel lassen die biomechanische und die strukturell-mechanische Welt näher zusammenrücken. Seine Beschreibung der Muskeltechnologie [ein selbstentworfener Zylinder aus Feuerwehrschläuchen] entspricht dem fast menschlichen Streben seiner Kreationen. So wie der technische Fortschritt unsere derzeitige Beziehung zu Maschinen herausfordert, erinnert uns sein Werk daran, daß wir in unseren menschlichen Systemen technologische Errungenschaften nachbilden.

Kathrin Wilkes
Die Arbeit Kathrin Wilkes’ untersucht die Übernahme und den daraus resultierenden kreativen Mißbrauch von Technik und neuen Medien in Maschinen-, Multimedia- und Performance-Kunst. Auf der Basis von Dokumentationen und Vorführungen erforscht sie die Neudefinition der Industriekultur durch verschiedene Künstler. Durch Gegenüberstellung von noch unfertigen Arbeiten und Dingen des täglichen Lebens beleuchtet sie unsere Beziehung zur Technik aus der Retrospektive.

Liz Young
In meiner Arbeit transformiere ich die Art und Weise, wie das Publikum Bekanntes und Erwartetes wahrnimmt, indem ich meine Werke so abändere, daß sie einen kritischen Zugang zu unseren kulturellen Paradigmen reflektieren. Dies geschieht durch die Verwendung von oft widersprüchlichen Materialien und Prozessen. Inkongruenzen machen eine Arbeit ironischer, lebende Elemente werden in einen neuen Kontext gebettet, um die Absurdität des modernen Lebens aufzuzeigen. Dieser zynische Zugang zur Beschaffenheit des Lebens respektiert jedoch die Macht menschlicher Würde. Eine derartige Einstellung kann vielleicht unsere grundlegende Beziehung zur im Leben omnipräsenten Tragikomödie unterstreichen.

Erwin Zeppezauer
Der Apparat als ein Zeitspeicher konkretisiert Momente, dem Zeitfluß entrissen. Momente, deren Vordergründigkeit im Kopf entsteht, werden im Bild oder durch das Bild nach außen projiziert.

Berthold Zettelmeier
Umgeben von apparativen Prothesen steht der Mensch vor seinem eigenen Körper, dessen Funktionsweisen und Fehlern. Je weiter er forscht, desto deutlicher wird, daß die Steuerung Mensch eine Unbekannte ist. Gehirnfunktionsweisen sind komplexer als jede KI. Werden jedoch die Gesellschaft bestimmenden Parameter – Geschwindigkeit und Informationsmenge – erhöht, übergehen Schnelligkeit und deren Befolgung den Geist zugunsten einer Instinktsteuerung. Reizreaktionsmechanismen entstehen, erzeugen Schnittstellen, die die Grenzen des Willens kennzeichnen, und dienen als Basis für künstlerisches Schaffen.

Alex Zuljevic
Immer wieder erschüttern uns folgende Zeilen aus Hegels Phänomenologie des Geistes: "Die Perioden des Menschseins sind keine Perioden des Glücks, die Perioden des Glücks sind wie leere Blätter in ihr." Heinrich Himmler brachte seine Idee des "Endsiegs" auf einen Punkt: "Wir haben dann den Untermenschen keine Erziehung mehr zu bieten, sondern nur mehr das kleine Einmaleins und die Verkehrsschilder, damit sie uns nicht mehr in die Mercedes laufen." Es bleibt nur noch, gegen jeglichen Absolutismus und gegen jegliche Bevormundung anzukämpfen, damit die zarte Kruste der Fruchtbarkeit nie zerreißt.