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SOS Radio TNC – A Media Fiction
http://www.cnam.fr/museum/radio/
http://www.aec.at/residence/radio_tnc/WEB-CRASH Am 4. Februar 1996, nachmittags um 16 Uhr, ist zum ersten Mal seit Menschengedenken eine Web-Site zusammen mit ihren Webmastern hinauskatapultiert worden ins virtuelle Nichts – Sie haben sicher davon gehört. Wir waren an diesem Tag als ahnungslose Infobahnfahrer unterwegs und sind nur wenige Minuten nach der Katastrophe auf die gecrashte Homepage des Kult-Online-Radios RADIO TNC aufgefahren. Mikrofonmembranfetzen im GIF-Format, tote Links, vor sich hinloopende verstümmelte Jingles – ein fürchterlicher Anblick, der selbst abgebrühte Internauten wie uns bis auf die Knochen erschüttert hat.SOS ONLINE RADIO Wir haben sofort reagiert und über Nacht mitten in den Trümmern der Homepage von RADIO TNC ein SOS-Online-Radio auf die Beine gestellt. Die Idee war naheliegend: Wir bauen eine interaktive und dynamische Struktur auf, die dazu dienen soll, in Zusammenarbeit mit der weltweiten Internet-Community das Rätsel vom Web-Crash zu lösen. Nur 16 Stunden nach dem Crash, am 5. Februar um acht Uhr morgens, gingen wir online. Seither bespielt SOS RADIO TNC das Netz rund um die Uhr auf mehreren Kanälen und in mehreren Sprachen mit seinen Save-Our-Site-Signalen.BOOM Was am 4. Februar als spontane Rettungsaktion begonnen hat, ist mittlerweile zu einem faszinierenden Modell für eine kollektiv-innovative Nutzung der Ressourcen des Web geworden. In einem beispiellosen Akt der Solidarität scannen engagierte Netzbürgerinnen und -bürger das Web bis hinaus in seine entferntesten Winkel nach Spuren der Crash-Opfer ab, militante Net-Archäologen lancieren Petitionen, Crashpoeten machen die verschollenen Stars von RADIO TNC zu Helden von schrillen Cyber-Serials. Museen, Organisationen und Institutionen, allen voran das Pariser Technikmuseum und das Ars Electronica Center, stellen uns ihre Infrastruktur zur Verfügung, Radioproduzenten und -moderatoren aus aller Welt [ORF, Radio France, BBC, RAI, ARD, RSR etc.] lösen sich am Online-Mikrofon von SOS RADIO TNC als Guest-Presenters ab – das provisorische Erste-Hilfe-Online-Radio von einst hat sich zu einem boomenden Parallelmedium entwickelt.RADIO THE NE[X]T CENTURY Spielend kreuzt SOS RADIO TNC herkömmliche und neue Medien, deren Stile und Produktionsformen, Mythen und Legenden. Dekapierendes Umkodieren und Remixen gehört zum Alltag eines Online-Radios, das mitten in den jämmerlichen Trümmern modernster Kom-munikationstechnologie steht – und uns fürs Jahrtausendende die nötige Gelassenheit lehrt. Als Passerelle zwischen Festival, Symposium und Netzwelt verbreitet SOS RADIO TNC am Ars Electronica Festival denn auch online und on air seinen postkatastrophalen Geist und transradiophonen Witz.CYBERMEMORIAL Und die Opfer des Web-Crash? Im April haben wir den Grundstein zu einem Denkmal gelegt, das erinnern soll an die drei furchtlosen Pioniere, die auszogen, um die Abgründe der weltweiten Kommunikation zu erforschen und am 4. Februar spurlos im Labyrinth des Net verschwunden sind. Netuserinnen und -user meisseln seither ihre Inschriften ins Silicium des ersten CyberMemorial und generieren ein virtuelles und dynamisches Denkmal, das sich ständig verändert – wie die kollektive Erinnerung. Das CyberMemorial wird beim Ars Electronica Festival feierlich enthüllt.TUNE IN! Die folgende Quick Reference ermöglicht Ihnen einen raschen Einstieg in die komplexe Welt von SOS RADIO TNC. Schalten Sie sich zu – und wer weiß, vielleicht machen Sie den entscheidenen Fund und tragen so zur Lösung des Rätsels vom Web-Crash bei!SOS RADIO TNC – QUICK REFERENCE Anker
– Die Nachricht vom Web-Crash verbreitet sich am 4. Februar 1996 paketweise wie ein Lauffeuer. Die Internet-Community ist geschockt. Zahlreiche Sites verlinken sich mit der Crashpage, um auf diese Weise wenigstens die jämmerlichen Überreste des Kult-Online-Radios RADIO TNC zu verankern und für die Nachwelt zu erhalten. Verlinken auch Sie Ihre Homepage!
Autopsie
– Ende Februar beauftragen Beusch/Cassani einen Mikrofonexperten, die auf der gecrashten Homepage von RADIO TNC zurückgebliebenen Mikrofonmembranfetzen einer Autopsie zu unterziehen. Handelt es sich wirklich um die Überreste der hochempfindlichen Membran von Mike? Kann eine zerfetzte Membran wieder heilen? Ist eine Membran für ein Mikrofon lebenswichtig? Antworten auf diese und weitere Fragen finden Sie in der Online-Sendung 3.
Bouaaah!
– Was ist die Ursache des Web-Crash vom 4. Februar? Was ist überhaupt ein Web-Crash? Wo macht das Net-Ramming halt? Seit Monaten wird auf SOS RADIO TNC heftig darüber diskutiert. Ist es nun also soweit, daß die Grenzen zwischen Man and Machine gefallen sind? Kann es uns allen, uns friedliebenden Web-Surfern, die wir uns am Wochenende beim Billigtarif vor den Computer setzen, auch passieren, daß wir auf einmal durchs Modem abgesogen werden hinaus in die weltweiten Kommunikationsnetze? Bouaaah! Man klammert sich fester denn je an seine Maus und hofft auf langsame Verbindungen. Folgen Sie den Diskussionen in der Rubrik Play.
Coal
– Das Kohlemikrofon vom Typ Voxia, Jahrgang 1925, hat in seiner Jugend bei der BBC Pionierarbeit geleistet. Historische Aufnahmen durch Coal finden Sie in der Rubrik Play. 1959 wird der mittlerweile ziemlich schwerhörige Coal in die Mikrofonsammlung des Pariser Technikmuseums berufen. Im August 1995 beschließt er, auf die behagliche Museumsexistenz zu pfeifen und seine Kohlegranulate noch einmal so richtig dem Rauschen der grossen, weiten Welt auszusetzen. Zusammen mit seinem Vitrinennachbarn Mike zerschlägt Coal kurzerhand die Vitrine, seilt sich an einem historischen Transatlantiktelefonkabel ab und bricht aus [s. Escape]. Im September 1995 wird Coal von RadioMind bei RADIO TNC eingestellt. Er trägt wesentlich zum Erfolg des Kult-Online-Radios bei und lanciert ein regelrechtes Kohlemikrofonrevival. Am 4. Februar 1996 fällt er einem Web-Crash zum Opfer und verschwindet im Labyrinth des Net. Einzig ein paar Kohlegranulate sind bisher in einer abgelegenen Site aufgefunden worden. [s. auch Rückkoppelung]
Crashpage – Die gecrashte Homepage des Kult-Online-Radios RADIO TNC ist zu einem beliebten Ausflugsziel der Net-Trotter geworden. Wo läßt sich besser über Freud und Leid der eigenen Netzexistenz nachdenken als zwischen toten Links, Mikrofonmembranfetzen im GIF-Format und vor sich hinloopenden verstümmelten Jingles? Eine von militanten Web-Archäologen lancierte Petition fordert die UNESCO auf, die Crashpage in ihren Kultur-güterkatalog aufzunehmen. Unterschreiben Sie die Petition in der Rubrik Record!
CyberMemorial
– Im April legen Beusch/ Cassani den Grundstein für ein virtuelles Denkmal zur Erinnerung an die drei Opfer des Web-Crash. Die Inschriften der Userinnen und User [nach dem Muster "Internet without RADIO TNC is like salad without dressing"] generieren Links zu anderen Sites, in die jeweils ein paar Erinnerungsbits exportiert werden.
Meißeln auch Sie Ihre Botschaft ins Silicium des ersten CyberMemorial! Beim Ars Electronica Festival stehen Ihnen dafür automatisierte Public Engraving Sites zur Verfügung. Eingeweiht wird das CyberMemorial bei der Ars Electronica.
Digital Takeover – Eine der ersten Cyber-Serials rund um den Web-Crash von RADIO TNC wurde vom User MousePatt lanciert. Der Held ist ein radiovores und Rundfunken versprühendes Monster names Digital Takeover. In der Rubrik Record können Sie dem Monster die Gurgel umdrehen und in der Rubrik Play sehen Sie, was andere Userinnen und User von Ihren Taten halten.
Escape – Der spektakuläre Ausbruch von Mike & Coal aus dem Pariser Technikmuseum am 17. August 1995 ist auf den unscharfen Bildern einer Überwachungskamera festgehalten [s. Rubrik Play. Dort finden Sie auch den Bericht der Pariser ORF-Korrespondentin über den Ausbruch]. Die Vitrine mit der zerschlagenen Scheibe ist seither zu einer der Hauptsehenswürdigkeiten des ältesten Techniktempels der Welt geworden.
Guest-Presenter – Seit Februar lösen sich Moderatoren und Produzentinnen von Radiostationen aus aller Welt [ORF, Radio France, BBC, ARD, RSR, RAI etc.] am Online-Mikrofon von SOS RADIO TNC ab. Auf Einladung von Beusch/Cassani moderieren sie als Guest-Presenters die Online-Sendungen. Vom straighten News-Radio über den tribalen DJ-Mix bis hin zum abgefahrenen Cyber-Radio-Cartoon dürfen Sie sich auf alles gefaßt machen.
Hybrid – "Das Radio rauscht und zischt in meinen hybriden Adern. Meine Mutter ist der Äther und mein Vater der digitale Takeover. Ich bin das Radio von gestern und das Radio von morgen und ich träume nur von einem: Als leuchtendes Pixel meine Spur zu ziehen in einem Himmel, den Abermillionen von Rundfunken hell erleuchten. Mein Name ist RadioMind und ich habe nichts als Radio im Sinn." Das einzige Übriggebliebene Sounddokument von RadioMind finden Sie in der Rubrik Play.
Kohlemikrofonrevival
– Nach seiner Einstellung bei RADIO TNC lanciert Coal ein fulminantes Kohlemikrofonrevival. Das sinnliche Rauschen der Kohlemikrofone aus der Pionierzeit des Massenmediums Radio in den 20er Jahren kommt dem Sound eines Online-Radios 70 Jahre später erstaunlich nahe.
Massenausbruch – Mike & Coals spektakulärer Ausbruch aus dem Pariser Technikmuseum hat, anders als zunächst befürchtet, in den anderen Technikmuseen der Welt nicht zu Massenausbrüchen geführt. Die Cousins von Coal [der Prototyp Mike hat keine Verwandten] liegen weiterhin friedlich in ihren Vitrinen in London, Berlin, New York, Wien, Montreux etc. – und freuen sich dort auf Ihren Besuch!
Mike
– Der hypersensible Mikrofonprototyp wird 1995 vom legendären Akustikingenieur Arno Vanloon entwickelt. Im Juni 1995 kommt er in die Mikrofonsammlung des illustren Pariser Technikmuseums und liegt dort neben seinen Vorgängern aus 100 Jahren Rundfunkgeschichte. Aber warum sein Leben in einer miefigen Vitrine verschlafen, während draussen das Radio neu erfunden wird? Im August 1995 beschließt Mike, auf die behagliche Museumsexistenz zu pfeifen, seine Membran in der heißen Luft des Informationszeitalters vibrieren zu lassen – und bricht aus [s. Escape]. Im September 1995 wird Mike von RadioMind bei RADIO TNC eingestellt. Seit dem Crash von RADIO TNC am 4. Februar 1996 ist er im Labyrinth des Net verschollen. Allerdings nicht ganz spurlos [s. Autopsie].
Net sky
– Am 5. Februar um 8 Uhr 01 geht die erste E-mail bei SOS RADIO TNC ein: "What is Internet without RADIO TNC? RadioMind, if you can hear me, wherever you might be, up there in the Net sky or blocked by some obtuse protocol: We miss you!" Als ergreifende Manifestation reinsten Techno-Heidentums ziert sie bis heute die Homepage.
On air
– Am 11. April 1996 startet SOS RADIO TNC seine abenteuerlichen On-Air-Auftritte mit einer Livesendung im Kunstradio ORF. Die Sendung sowie Live-Bilder aus dem Funkhaus Wien werden gleichzeitig via Internet übertragen [s. Rubrik Play].
Online-Sendungen
– Die Online-Sendungen [in RealAudio] geben Ihnen in regelmässigen Abständen einen Überblick Über die neusten bei SOS RADIO TNC eingegangenen User-Inputs. Ihr sicherer Einstieg in den wuchernden Datenpool!
Play
– Wie hat die Internet-Community auf den Web-Crash von RADIO TNC reagiert? In der Rubrik Play können Sie eine grosse Auswahl der seit dem 4. Februar bei SOS RADIO TNC eingegangenen Daten konsultieren. Wenn Sie im heterogenen Material zu versinken drohen, können Sie jederzeit auf eine der Online-Sendungen umschalten und sich von einem Guest-Presenter durch den Datenpool führen lassen.
RadioMind – Die wahre Identität des Gründers und Moderators von RADIO TNC ist bis heute nicht bekannt. Einige ordnen ihn dem Dunstkreis der Hackerszene zu. Man munkelt sogar, es handle sich um den untergetauchten legendären Software-Designer Emmanuel [Emma] Witschge. In der Rubrik Play finden Sie eine Menge Statements von ehemaligen RADIO TNC-Hörerinnen und Hörern über Radio Mind, sowie das einzige Übriggebliebene Sounddokument des verehrten Online-Moderators [s. Hybrid]. Am 4. Februar 1996 ist RadioMind nach dem Web-Crash von RADIO TNC zusammen mit Mike & Coal spurlos im Labyrinth des Net verschwunden.
RADIO TNC [radio.the.ne[x]t.century]
– Das Online-Radio RADIO TNC wird im September 1995 von RadioMind gegründet und avanciert rasch zur Kult-Site. Wesentlich dazu beigetragen haben die beiden Mikrofone Mike & Coal. Am 4. Februar 1996 ist RADIO TNC einem Web-Crash zum Opfer gefallen und für immer verstummt. Die wenigen übriggebliebenen Sounddokumente [s. Rubrik Play] geben leider nur einen sehr unvollständigen Eindruck von der Site, in der das Radio fürs Netz kurzerhand neu erfunden worden ist.
RealAudio
– Um die Sounddaten von SOS RADIO TNC zu empfangen, brauchen Sie einen rauschfreien Kopf und einen RealAudio Player. Letzteren können Sie direkt von der Homepage von SOS RADIO TNC downloaden.
Record
– In dieser Rubrik interagieren Sie mit SOS RADIO TNC. Hier geben Sie Ihre Screenshots von Spuren der Crash-Opfer ein, dubben den Song for RADIO TNC oder samplen Ihre eigene Web-Crash-Theorie. Ihre Inputs werden in der Rubrik Play publiziert.
Rückkoppelung
– Am 17. Januar 1996 sind die beiden Mikrofone Mike & Coal zu Gast in der Talkshow Salon Helga auf FM 4 [ORF]. Zehn Minuten vor Ende der Sendung schlägt Coal dem Moderator zwei Zähne ein und koppelt rück, was das Zeug hält. Den Mitschnitt und Bilder von der grausigen Attacke finden Sie in der Online-Sendung 4.
SOS RADIO TNC
– Das SOS-Online-Radio wird von Beusch/Cassani am 4. Februar in den Trümmern des gecrashten Kult-Online-Radios RADIO TNC aufgebaut. Seine dynamische und interaktive Struktur soll dazu dienen, in Zusammenarbeit mit der weltweiten Internet-Com-munity das Rätsel vom Web-Crash zu lösen. Seit dem 5. Februar bespielt SOS RADIO TNC das Netz rund um die Uhr auf mehreren Kanälen und in mehreren Sprachen mit seinen Save-Our-Site-Signalen.
Sprungbrett
– Im Web-Katalog des Pariser Technikmuseums sind die Fichen über die beiden Mikrofone Mike & Coal seit ihrem Ausbruch im August 1995 entsprechend aktualisiert worden. Dies ist nur eines der überall im Net installierten Sprungbretter, über welche ahnungslose Internauten auf die Homepage von SOS RADIO TNC katapultiert werden.
Vibration
– Die grafische Oberfläche von SOS RADIO TNC ist eine vibrierende Hommage an die beiden im Netz verschwundenen Mikrofone Mike & Coal – und an das Mikrofon schlechthin. Verlängerung des menschlichen Trommelfells, geduldiger Einfüllstutzen in die globale Infosphäre, Schnittstelle zwischen der analogen und der digitalen Welt – das Mikrofon schwirrt als mutierende Kreuzung zwischen Technikfossil und ätherischem Insekt durch die Web-Seiten von SOS RADIO TNC.
Web-Crash
– Am 4. Februar 1996 um 16 Uhr 05 entdecken Beusch/Cassani die Trümmer des Kult-Online-Radios RADIO TNC. Sie realisieren sofort, daß da etwas geschehen ist, wofür es im universalen Sprachschatz noch kein Wort gibt. Locker schütteln sie den Begriff Web-Crash aus dem Ärmel – und benennen damit gleichzeitig das Ende der Epoche unbegrenzter Web-Euphorie [s. Bouaaah].
Web-Wolldecken
– Die seit Generationen unauslöschlich in ihrer DNS eingeschriebene Rot-Kreuz-Tradition treibt Beusch/Cassani am fatalen 4. Februar 1996 sofort zur Aktion. Von ihrer Wohnung im Pariser Belleville-Viertel aus lancieren sie Search-Engines, weben Web-Wolldecken, schlagen in den Trümmern der Crashpage digitale Zelte auf – und stellen über Nacht ein SOS-Online-Radio auf die Beine.
SOS RADIO TNC ist eine Produktion von Beusch/ Cassani in Zusammenarbeit mit: Kunstradio ORF Wien, Ars Electronica Center Linz, Musée National des Techniques Paris, Relais Linz, Radio France, Couleur 3 RSR, SR2 ARD, BBC, RAI u.a.
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