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Parallel Mesmerization of Eleven Blondes and Eleven Brunettes by Two Computers


'Erwin Redl Erwin Redl

Durch Doppelsimulatoren [nackte Puppen als fußballspielende Akteure], angeregt durch wirtschaftliche Stimuli und Indikatoren [die Börsenspiele der Wall Street, die die Wirtschaft steuern bzw. wiederspiegeln] entsteht eine surreale Simulation – ein Simulakrum der vierten Potenz.

Interaktivität ist in letzter Zeit sehr eingleisig – Point and Click und Spielcharakter sind zur Norm für die meisten multimediale Werke am Bildschirm geworden. Das Überangebot an Werken, in denen Sensoren verwendet werden, ließ mich Interaktivität neu überdenken. Das Projekt Parallel Mesmerization of Eleven Blondes and Eleven Brunettes by Two Computers ist ein Versuch, tiefer in die Welt des virtuellen Organismus Dow-Jones-Index vorzudringen. Der Dow Jones verkörpert eine virtuelle Spezies aus reiner Quantität, leicht durch Zahlen – die Börsennotierungen der 30 größten amerikanischen Firmen – darstellbar. [Fast] jeder kann das Verhalten dieses Wesens mitbeeinflussen, wenn auch nur in kleinem Ausmaß – durch Investition. Lebenszeichen dieses Organismus finden sich auf der ganzen Welt, und jeder kann schnell und problemlos darauf zugreifen und die Kurse aus dem Internet herunterladen.

Zwei Puppenteams [Blondinen/Brünette] befinden sich auf dem Modell eines Fußballplatzes. Sie werden vom Computer gelenkt, wobei jede Spielerin an die Bewegungen einer im Dow-Jones-Index enthaltenen Aktie gebunden ist. Alle zehn Minuten holt sich der Computer die neuesten Aktienkurse aus dem Internet. Je nach Kursänderung erhalten die Puppen verschiedene Anweisungen: Ihre Brüste beginnen zu blinken, Sprachaufnahmen werden wiedergegeben, Melodien abgespielt etc. Die an den Füßen der Puppen befestigten Lautsprecher sind auf die Oberfläche des Fußballplatz-Modells gerichtet, ein etwas höherer Kurs veranlaßt die Figuren, sich nach dem Zufallsprinzip über das Feld zu bewegen, ein seltsames Ballett aus Blondinen und Brünetten mit blinkenden Brüsten vollführt ein hybrides Theaterstück, und der virtuelle Organismus Dow Jones führt Regie.

Das akustische Material für die Brünetten stammt von Audrey’s First Million, einer Sprachkassette für den Unterricht aus den 70er Jahren, jenes für die Blondinen von einer Pornokassette.

Anstelle der Tore gibt es auf dem Feld zwei kleine LCD-Anzeigen, auf denen ein beruhigender Animationsfilm in Zeitlupe läuft. Während der Mesmerisierung wird im Vordergrund der Punktestand der Aktien gezeigt – im Hintergrund sieht man mit der oben erwähnten Sprachkassette mitgelieferte Dias.

Die Arbeit ist keine Simulation des Börsenmarktes. Vielmehr nutzt sie die Lebenszeichen des Dow Jones als Antrieb für audio-visuelle Ereignisse oder, allgemeiner, Massenverhalten als künstlerische Inspirationsquelle.