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[Die Rede von Weimar]

Ella quejet vinre de. Neni uz balorne rindupu doan, Neukifa in zen herangu del soi, Henri ounim hererto wuduz, havas en schekra doi Deck in noviton. On gefeph rhusst nekoscha kakainesod dokin Bulassa de jusseUsox Arndag okurn. Sunim vernas, Orkefon sekamp ton Noschassu, in trefes vor Brosanwi se kramp, Ornitan vom Dequeste im prastel, Yanas Dog mategon, verkhae om Denim nolla dum rubinan.
Das ist kein Schöpfungsmythos der Inue, das ist Buchstabensuppe, Blindtext, gelegentlich auch Kisuaheli neumix genannt. Erzeugt durch ein Zufallsprogramm. Als Bild des Textes ein Hilfsmittel zur Auslegung: Für das Lay-Out. Text als reine Textur, als reine gebaute Qualität: gesetzt und formatiert. Denn vom Bauen kommt das Wort Text, das Wort Textur her. Und dort, wo es herkommt, ist es auch mit Flechtwerk und Netz verwandt. Mit Weben und Wand. Mit Tektonik und Architektur. Alles gezimmert und gebaut. Bauen auch wie building und building weist auch auf Bildung. Bild ist auch to build, ein zu bauendes. Oder umgekehrt.

Aber Blindtext (als Textbild) in seiner dem Zufall überlassenen Anordnung und Verteilung, die für sich eine äußerst unwahrscheinliche Einmaligkeit darstellt, hat – von Seite der Sprach-Konvention betrachtet – einen überaus hohen Grad an Wahrscheinlichkeit. Denn: Im nahezu uferlosen Fundus der Kombinationen aus den 26 Buchstaben ist Un-Sinn das wahrscheinlichere, wahrscheinlicher in Bezug auf unsere Vereinbarungen, die korrekte Abfolge der Buchstaben betreffend.

Bei grundsätzlich freier Kombinierbarkeit der Buchstaben und hoher Anzahl der Möglichkeiten ist der fehlerfreie sinnvolle – Fall weitaus unwahrscheinlicher als ein Gewinn in einer Lotterie oder beim Roulette. Und so läßt sich der fehlerfreie Text in der von uns vereinbarten Sprache als der seltene Sonderfall von Buchstabensuppe beschreiben. Was sagt das? Jeder weiß, wie schwer der Lottosechser zu treffen ist. Und wären die Gesetze der Wahrscheinlichkeit nur ein wenig gelockert, wären Einhorn und der Gewinn in Monte Carlo auch nur ein wenig weniger unwahrscheinlich, wäre Glück gefügiger und Zufall manipulierbar, d.h. eine menschliche Kategorie: nicht nur diese Welt, dieses Universum, unser Kosmos hätte ein anderes Gesicht.

Aber kosmos heißt Ordnung, und Wahrscheinlichkeit und Unwahrscheinlichkeit hängen mit Ordnung und Unordnung aufs engste zusammen. Die Gesetze, die diese Beziehung steuern, gehören zu den mächtigsten Vorschriften der Natur; steuerten auch die unwahrscheinlichsten Wendungen ihrer Entwicklung. Die scheinbar zufälligste Veränderung.

Stephane Mallarmé schreibt vor ca. 100 Jahren:
Un coup de dés jamais abolirait le hazard.
Ein Würfelwurf schafft den Zufall niemals ab.
Diesen Satz formulierte Mallarmé knapp vor der Entdeckung des Wirkungsquantums, das schon bald eine statistische Beschreibung der Materie – basierend auf Indeterminismus und Non-Causalität – in der Quantenmechanik in Gang gesetzt hat.

Ordnung ist ein Sonderfall der Unordnung, so wie das Unwahrscheinliche stets ein Sonderfall des Wahrscheinlichen darstellt. Und es ist immer die Unordnung, die den ungleich wahrscheinlicheren Zustand darstellt. Das findet seinen Ausdruck in dem ungebremsten und unbremsbaren Streben geordneter Verhältnisse, in einen ungeordneteren, wahrscheinlicheren Zustand zu falten, oder zumindest nahezu unmerklich dorthin abzusinken. In Richtung auf diesen wahrscheinlicheren Zustand nivellieren sich die Unterschiede und Differenzen. Aber gerade Unterschiede und Differenzen – Differenzierungen – sind auch ein Mass für Ordnung und damit für das Unwahrscheinliche.
Gegeben:
in raschester Abfolge, so als würde Zeit keine Rolle spielen.
Erst eine
  • glühende Gaswolke,

  • dann daraus vielleicht ein Stern,

  • dazu einige Planeten, manche mit eigenen Gasatmosphären,

  • auf einem der Planeten dann erste photochemische Metabolismen,

  • schliesslich Urmoleküle des Lebens, dann erste lebende Zellen,

  • später Lebewesen mit einem lichtempfindlichen Fleck, einer Mulde, einem ersten primitiven Sinnesorgan,

  • schliesslich mit so etwas wie lichtbrechenden, abbildenden Organen, z.B. Augen,

  • dann Nervenbahnen zu einem Nervenknoten

  • und dann in diesem Nervenknoten, durch Impulse, die selbst gar nichts mehr mit dem Licht zu tun haben, das da mal irgendwo auf irgendwelche Rezeptoren fiel, ein zusammengesetztes Lichtbild,

  • und viel, viel später dann ein Zeichen und ein Wort für das Licht.
Diese Reihung meint keinen tatsächlichen Verlauf, Ähnlichkeiten sind zufällig, sondern ist ein Modell, das die Stufen zunehmender Ordnung und damit der dramatisch zunehmenden Unwahrscheinlichkeit beschreibt. Und doch bleiben die, in dieser Abfolge enthaltenen, Entscheidungen für einen jeweils höheren Ordnungsgrad immer noch ungeklärt: trotz oder gerade auch wegen den aktuellen theoretischen Anstrengungen. Weder ein neuer Name wie autopoesis noch die verzweigten Versuche einer Chaostheorie leisten hier entsprechende Aufklärung.
Es muß auch von Sisyphos gesprochen werden, wenn wir den ersten Informatiker suchen. Weil es ihm gelungen war, zumindest kurzfristig, Thanatos, den Tod, zu überlisten, wurde er von den Göttern bestraft, für immer die Gesetze der Ordnung und Unordnung, der Wahrscheinlichkeit und Unwahrscheinlichkeit zu studieren: das unbarmherzige Gesetz der Entropie. Der Stein muß immer wieder herunterrollen: denn alles,was wir auf ein höheres Niveau hinaufschaffen, ist verurteilt, von dort wieder abzusinken, abzurutschen.

Und nebenbei ist Sisyphos auch der erste Typograph. Er, der in der Antike als der schlaueste aller Menschen galt, hat den Bleisatz, hat sogar die Lynotype (i.e, line-of-type) erfunden: um seinen kriminellen Widersacher Autolykos – ein Sohn des Götterboten Hermes – zu überlisten, goß er Blei in die Hufe seines Viehs, so daß die Tiere nach dem Diebstahl den Weg mit den Worten: "autolykos hat mich gestohlen" markierten.
Denn die Sprache kommt von der artikulierenden Hand in den Mund – wie es scheint – bevor sie als Schrift wieder in die Hand zurückgekehrt ist.
Das muss beachtet werden, daran muß gedacht werden, wenn von Gestaltung die Rede ist. Und Gestaltung muß zusammengebracht werden mit einem Ordnungsbegriff, der in Beziehung steht mit dem Unwahrscheinlichen, Seltenen. Ich glaube, das ist wichtig.
Zurück zum Text, zurück zur Buchstabensuppe:
Jedes frei kombinierbare abstraktes Zeichensystem enthält, birgt in sich, eine Nähe zu Un-Sinn und Fremdheit, die eigentlich ebenso verblüfft wie die gleichzeitig erreichte hohe Ökonomie. Es scheint als wäre es gerade diese Ökonomie, die offene Kombinierbarkeit der Zeichen, die nur um den Preis stets präsenter Unordnung, d.h. die Wahrscheinlichkeit sinnloser Kombinationen, zu erreichen ist.
Ella quejet vinre de. Neni uz balome rindupu doan. Neu la in zen herangu del sal. Henri ounim hererto wuduz, havas en schekra dot Deck in noviton, Ony gefeph rhusst nekoscha.
Aber gleichgültig ob Blind- oder Klartext geboten wird: In der Regel mit ca. 9 – 50 m in der Sekunde Signalgeschwindigkeit bewegen sich die Transformationen der Reize auf den Nervenbahnen, ungeachtet, ob hier eine Abfolge von visuellen ABC-Reizen – als Buchstabensuppe – vorgesetzt wird, die nur noch frei assoziativ stimulieren kann, und die Mustererkennungsprozesse des Lesers etwas in Unruhe versetzen, oder es in einer vereinbarten Sprache – grammatikalisch und orthographisch hinreichend fehlerfrei – geschieht und in lesbarer Größe (mehr als 3 pt Schrifthöhe).

Aber worauf bezieht sich das alles? Text und Tektonik, Aufbau und Ordnung, Gestalt und Gestaltung. Form und Format, Formular und Formation, Schema und Masche, Bauen und b(u)ilden. Stark verkürzt: Ein solches Begriffsfeld läßt sich von Wahrnehmen nicht trennen, muss auf Wahrnehmung bezogen werden. Wahrnehmen ist immer eine Art von Lesen. Unabhängig von der Art des Reizes. Lesen wie auslesen, herauslesen. Auch hier kommt das Wort zunächst von Sammeln, Zusammentragen. Der Stein, der ins Wasser gefallen ist, muss aus den Wellen, die er verursacht hat, rekonstruiert werden.

Aisthesis heisst auch Wahrnehmung. Entsprechend an-aisthesis Betäubung: -Anästhesie und Ästhetik. Auch das sollte man nicht ausser acht lassen, wenn man von Gestaltung, von Information spricht. Wahrnehmung ist nicht nur eine Form von Bildung, von Gestalt, Wahrnehmen setzt Gestaltung, setzt Bildung, setzt etwas voraus das in↔formation befindlich ist, zumindest sein sollte.

Information: Carl Friedrich von Weizsäcker definiert sie auch als 'Menge an Gestalt'. Ein solcher Begriff von Information steht in direktem Zusammenhang mit Bildung und Ausbildung – einer Formatierung des Formatierbaren.
Man muß – glaube ich – den Begriff der Information mit dem Begriff der Gestaltung, der Bildung, zusammenbringen, um etwas klarstellen zu können, das wir hier in den Bereich des Sonderfalls gelangen, weniger statistisch: das Wahrnehmen von Gestalt, das selbst als Gestaltung zu Betrachten ist, steht für das Gelingen, das Glück. Wahrnehmen, Erkennen hat etwas mit dem guten Gelingen zu tun.
Wahrnehmung und Erkennen, seit den photophilen bzw. photophoben Anfängen der Reizstruktur, ist etwas, das der platten, einebnenden Wahrscheinlichkeit entgegengesetzt ist – mit einer Ausbildung der Unterschiede, des Unterscheidbaren. Informationsprozesse, das sind Prozesse in Formation, laufen auf Ordnung hinaus, zielen immer auf das Unwahrscheinliche, sind Neg-Entropie: sind der Entropie entgegengesetzt, denn Entropie kann als Informationsverlust beschrieben werden. So umfaßt Information auch Gestalt und Bildung, umfaßt all e uns wesentlichen Bereiche und zwar sowohl von Geist als auch von Materie. Man kann sagen: 'Universum in Formation = universal information' … oder auch 'Information hält Leib und Seele zusammen!'

Alles Erscheinende, Wahrnehmbare, läßt sich mit einem an die Wortwurzel zurückgeführten – Begriff der Information besser und allgemeiner beschreiben und benennen. Kein anderer Begriff umfasst nicht nur jene Spannung, die zwischen Ordnung und Unordnung besteht, die jede Nanosekunde unserer Existenz kennzeichnet, sondern ebenso die Milliarden Jahre, die die Entwicklung des Universums bestimmt haben und weiter bestimmen werden …

Nur das Bewusstsein – vornehmlich das abendländische – und die meisten seiner Manifestationen zeigen sich von dieser Bedingtheit in einem äußerst gefährlichen Ausmaß unbeeindruckt. Unbeeindruckt vom Tanz auf dem Hochseil der Unwahrscheinlichkeit. Gespannt über einem Abgrund des Wahrscheinlichen. Und das einzige Netz das uns fangen kann, und zugleich gefangen hält, ist das Geflecht in unserem Kopf. Komplex heisst im Griechischem Geflecht und das Anagramm stellt Urtext neben Textur.

In-Formation ist nur was auch In-Formation erzeugt. Was meint das? Das muß auch auf den besonderen Fall, den Sonderfall der Wahrnehmung bezogen werden. Aber von Wahrnehmung läßt sich nur sprechen, wenn wir sie als komplexe, geflochtene Formatierungen betrachten, bevor überhaupt etwas auftaucht, das wir als eine sich selbst bewußte Wahrnehmung registrieren, registrieren können. Wahrnehmung ist ein Prozeß in Formation. Denken als plastische Form, als raum-zeitliche Ausdehnung, Bewußtsein, Wahrnehmung, Erkenntnis sind der evolutionäre Sonderfall von Photosynthese. Ein im Lauf seiner langen Geschichte von der Notwendigkeit und unbedingten Lebenserhaltung abgekoppelter Reflex. Es scheint doch die Lichtempfindlichkeit gewesen zu sein, die den Anfang der Sinnesorgane den Ur-Sinn darstellt … Chlorophyll und Rhodopsin. Blattgrün und Augenpurpur sind verwandt.
So wie die komplexe Chemie eines Bildschirmes aktiviert durch den Elektronenstrahl als Nochglimmen erst ein Bild erscheinen lässt, muss letztlich auch das Bild eines jeden Moments irgendwo nachgebaut und nachgebildet werden – in einem endlichen Zeitraum – bevor es als bewusstes Bild, als Sehprozess, registriert werden kann. Es entsteht daher eine Zeitdifferenz zwischen dem Moment des Auftreffens auf die Retina und dem Bild, das wir scheinbar vor den Augen haben. Daher muss der Raum-Zeit-Punkt des Wahrnehmens entfernt sein von der optisch physikalischen, der vorangehenden Bilderzeugung auf der Innenwand des Auges.

So kann Reales – sichtbares, hörbares, tastbares – immer nur virtuell, als Reflexion, erscheinen, in der Art wie wir von einem Spiegelbild als einem virtuellen Bild sprechen, als einem scheinbaren. Und doch ist das betrachtete Spiegelbild bereits Virtualitat², da sowohl das bewusste Wahrnehmen des virtuellen Spiegelbildes als auch der Spiegel selbst – als das bilderzeugende Medium – eine im Gehirn erst generierte Erscheinung darstellt. Es gibt keine Non-Virtual Reality. Jede sinnliche Wahrnehmung ist eingespiegelt, d.h, virtuell. Denn von Anfang an und in alle Zukunft leben und erfahren wir virtuell die beste aller möglichen Welten. Kein Lichtstrahl ist an dem Bild beteiligt, das wir uns machen. Kein Licht scheint, wo Licht wahr genommen wird. Daher brennt auch in einer Bildröhre kein Licht.
Alles was wir wahrnehmen muss gelesen, im Sinn von aufgelesen werden, alles muss aus Schallwellen oder Lichtreizen übersetzt und transformiert, reformiert, d.h. neugestaltet werden. So ist die jeweilige Form(ation), in der ein Gedanke gebildet oder ein Bild gedacht wird, beim Computer nennen wir es den Hintergrundprozess, um ein vielfaches komplexer als die komplexesten Operationen, die wir scheinbar bewusst – aber eben immer nur vor dem Hintergrund hemmender und verstärkender 'informierter Kreise' bewusst erleben. Und noch einmal Carl Friedrich von Weizsäcker: 'Das Bewusstsein ist ein unbewusster Akt'. Wenn wir wahrnehmen, dann strukturieren wir, Wahrnehmung ist ein Ausleseverfahren, ein selektiver Prozess, eine Filterung und Transformation aus den Gigabyte des Reizangebots der Sinne. Erst diese Vor-Arbeit macht es uns möglich zu Gestalten und gestaltete Form wieder als Gestalt wahrzunehmen.
Ein kleines Beispiel, das die Magie von Kettenreaktionen und Gesetzmässigkeiten grosser Zahlen zeigen soll, wie sie wohl auch für allgemeine lebenserhaltende Prozesse und somit auch für den Sonderfall der Wahrnehmung wichtig sind:
Stellt man sich einmal 4 Milliarden Mausefallen mit gespannter Feder vor, und gibt man jeder Falle ein Viertel-Quadratmeter Platz, so würde eine solche Aufstellung ca. eine Fläche von 1000 qkm benötigen. Das ist noch recht unanschaulich. Aber diese Fläche entspricht einem Kreis mit einem Durchmesser von – nur – 25 km. Auf dem gespannten Bügel jeder Falle liegen zwei Ping-Pong-Bälle. Und nimmt man nun einen einzelnen Ball und würde ihn von einem Ballon aus in der Mitte des Kreises fallen lassen und so die erste Falle zum 'feuern' bringen und im hier angenommenen Idealfall würde jeder der zwei weggeschleuderten Bälle immer zwei weitere Fallen treffen, und jeder dieser Vorgänge würde – in einer Art Zeitlupe – eine viertel Sekunde in Anspruch nehmen. Wie lange würde die Kettenreaktion laufen, bis das Signal alle 4 Mrd. Schaltstellen – sprich Mausefallen – erreicht hat? Nicht mehr als ca. 9 Sekunden. Bei entsprechender Anordnung wären 128 Mrd, Fallen bereits nach weiteren 1,25 Sek erreicht.

Ein äußerst primitives Modell einer Reizübermittlung und den Möglichkeiten einer nur in der Fläche gedachten Kettenrektion, das die 4% unserers Gehirns 'visualiert', die an dem unwahrscheinlichen Luxus einer Wahrnehmung, eines eingespiegelten Bewusstseins beteiligt sind, sozusagen das Peripheriephänomen der 100 Mrd. Neuronen des Gehirns.
Photosynthese – das Urmodell sensorischer Verarbeitung – hingegen arbeitet seit Jahrmillionen glücklicherweise in einem Bereich von Pico-Sekunden, Auch das muss angesprochen werden, wenn vom Sonderfall Gestaltung, wenn von Information die Rede sein soll.


ELEMENTUM: EINE ERSTE ANNÄHERUNG
Der Buchstabensuppe vom Anfang soll hier noch eine geordnete Menge an Buchstaben und Zahlen, die aktuelle Symbolsprache für unser Materieverständnis gegenübergestellt werden.

Das ABC der Elemente: Einmal nicht als periodische Reihung, als Periodensystem der Elemente, sondern als Einzeltafel, als Einzelbild. In der Zeichensprache der Elemente ist unser Kosmos-Gedicht, der Schöpfungsmythos des 20. und 21. Jahrhunderts enthalten und das uralte, uranfängliche Bestreben einer Aneignung durch Bezeichnung.

Das ABC, das EinsZweiDrei der Elemente, die Reihe von 1 bis 110, das ist die aktuelle Beschreibung unseres Umgangs mit Materie. Die Sequenz der Elemente, wie sie erst in den letzten 100 Jahren formuliert und ausgefüllt wurde, enthält auch die Geschichte von Makro- und Mikro-Kosmos, die Erkenntnisse der modernen Astro- und Atomphysik; die Folge der Elemente lässt sich daher auch als Sternentagebuch lesen: die Eintragungen für ihre Entstehung und Entwicklung, für das katastrophale, wie spektakuläre Alter und schliesslich läßt sich das Ende als explosive Neugeburt in einer Supernova aus dem Periodensystem herauslesen. Dieser End-Variante eines Sternenschicksals verdanken wir u.a. unsere Existenz, denn erst in dieser Phase entstehen alte schweren und superschweren Elemente. Und William Blake: 'We are born in stars, and we live on earth as poets'.

Abschliessend soll es hier aber nicht um die Folge der Elemente an sich gehen, sondern um eine Bemerkung zur Herkunft des Wortes Element selbst, einer versuchsweisen ethymologischen Annäherung. Der Begriff des Elementaren geht im Griechischen und im Lateinischen über den Buchstaben. Aber nicht als Metapher des Erkenn- und Benennbaren, sondern als Vorbild. Es ist auch nicht das ABC ein Bild, ein Analogon des Elementaren … umgekehrt ist die Vorstellung des Elementaren aus dem ABC abgeleitet und verallgemeinert worden. Schon aus der Antike stammt das Bild der geworfenen einzelnen Metall-Buchstaben, lange bevor es bewegliche Lettern und Setzkästen gab. Und lange bevor mit dem Verschwinden der Bleilettern, mit DTP, 'QuarkXpress' und Datennetzen eine neue Phase der ultrarapiden Beweglichkeit der Buchstaben beginnen konnte. Jedoch beschreiben die geworfenen Lettern einen Zufall, der zu einer 'geordneten' Leistung nicht fähig ist: So schreibt Cicero:
Da sollte ich mich nicht wundern, dass es jemanden gibt, der davon überzeugt ist, dass gewisse feste, unteilbare Körperchen durch ihre [Trägheits) Kraft und ihr Gewicht einherschweben und dass aus dem zufälligen Zusammentreffen dieser Atome die herrlichste und geordnetste Weit entstanden sei? Wenn einer glaubt, dies sei möglich gewesen, warum glaubt er dann nicht auch, dass, wenn ungewählte, goldene oder sonst weiche Typen der 24 Buchstaben irgendwo zusammengeworfen und dann auf den Boden ausgeschüttet werden, sich daraus gerade etwa die Annalen des Ennius lesefertig ergeben; ich weiss nicht, ob der Zufall auch nur einen einzigen Vers zustande brächte.
Unsere heutige Ansicht der Wahrscheinlichkeit gibt dem Zufall durchaus die Fähigkeit zu fehlerfrei zu dichten. Die Frage ist nur wann … Ein solches Konzept des Zufalls übersteigt jedes menschliche Mass: der Würfelwurf schafft ihn eben niemals ab.

Aber das Bild der Buchstaben taucht wieder auf, wenn man die unendliche Vielfalt der Erscheinungen aus einer endlichen kleinen Zahl geworden erklären will. Aristoteles schreibt in seiner Metaphysik:
Leukipp aber und sein Anhänger Demokrit bezeichnen als Elemente das Volle und das Leere (indem sie das eine das Seiende, das andere das Nicht-Seiende nennen); von diesen sei das Volle und Feste das 'Seiende', das Leere dagegen das 'Nichtseiende'.
Deswegen sagen sie auch, dass das Seiende nicht in höherem Grade existiere als das Nicht-seiende, weil auch das Leere nicht mehr existiert als das Körperhafte.
Diese zwei Komponenten seien, was das Materielle betrifft, die Ursachen der Dinge.
Und wie diejenigen, die eine einzige Grundsubstanz (allem) zugrunde legen und alle anderen Dinge auf Veränderungen dieser Grundsubstanz zurückführen, indem sie Verdünnung und Verdichtung als die Ursprünge dieser Veränderungen angeben, so halten auch Leukipp und Demokrit bestimmte (variable) Unterscheidungsfaktoren als Ursache (der Verschiedenheit) von allem übrigen.

Es gibt nach ihnen drei Unterscheidungsfaktoren:
  • die Form,

  • die Anordnung,

  • die Lage (der Atome)
Sie behaupten nämlich, dass sich das Seiende einzig durch 'Gestalt', durch 'Berührung' und durch 'Wendung' unterschiede.

Mit 'Gestalt' meinen sie 'Form',
mit 'Berührung' 'Anordnung'
und mit 'Wendung' 'Lage':
Es unterscheiden sich nämlich das
  • A vom N durch die Form

  • das AN und das NA durch die Anordnung und

  • das H vom Z: durch die Lage.
Und wir können hinzufügen, mit den vier Buchstaben, den Initialen der vier Aminosäuren. GCTA (i.e. Guanin, Cytosin, Thymin, Adenin), werden sich -wohl noch innerhalb des nächsten Jahrzehnts – die angenommenen 100 Millionen Schritte der genetischen Information entschlüsselt wiedergeben lassen. GCTA: das Gen-Alphabet, Informationsmaterie, Materie in Formation. Formatiert in einem aperiodischen Kristall.

Und während im Griechischen das Wort stoichion Buchstaben und Element (speziell die vier Elemente: Feuer-Wasser-Erde-Luft) bezeichnet hat, so passiert im Lateinischen etwas anderes.

Es ist ein bestimmtes Material aus dem die Lehrer für ihre Schüler – vor ca. 2000 Jahren – tatsächlich bewegliche Buchstaben herstellen liessen: Elfenbein … weit weg vom Tier bezeichnet das Griechische die Qualität des Rohmaterials: elephas, elephan = scheinend, glänzend. So benutzte und benannte man die glänzenden Buchstaben (stoichia elephantika), die zuletzt verkürzt nicht einmal mehr als Buchstaben sondern nur noch als elephantikos bekannt waren. Und so schliff der Gebrauch aus den kleinen Elfenbeinlettern über elepmentum schliesslich unser elementum.

Und so wie das Glück beim Roulette auch von einer kleinen Elfenbein-Kugel repräsentiert (der Gewinn ist ein Sonderfall des Verlusts) wird, so standen die glänzenden Buchstaben aus Elfenbein auch Pate für un-komponiertes, nicht mehr zusammengesetztes, eben elementares.

Ihre Formation als alpha/beta/gamma, als ABC war die Voraussetzung für eine bestimmte Art den Bildungsdrang – den nisus formativus – der Materie zu beschreiben. Und etwas später sind es wieder einzelne Buchstaben, die als Symbol das jeweilige Element international bezeichnen.
Und da es geordnet, d.h. in Formation erscheint, kann es nur ein vom Gleichgewicht entfernter Sonderfall sein, der die pointierte Sequenz und Abfolge unseres – dem Griechischen nachge-bildeten – ABCs sich im Wort Element wieder-spiegelt:
(e)L-(e)M-(e)N-T(e).

Maxwell's Dämon gewidmet