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Mythos der Information (Abstract)


'Friedrich Kittler Friedrich Kittler

Überlegungen zu Begriff und Mythos der Information müssen wohl zuallererst auf Claude Shannon zurückkommen, ohne dessen Informationstheorie es keine mathematisch präzise Bestimmung von Information gäbe. Shannon hat diese Präzision aber gerade dadurch erreicht, daß seine Theorie alle Fragen der Semantik ausdrücklich ausschloß. Information ist also insofern das ganze Gegenteil des Mythos, als der Mythos (sieht man von seiner strikt syntaktischen Definition bei Lévi-Strauss ab) die große Ressource alter Semantisierungen gewesen ist. Den einzigen mythischen Schatten, der auch noch auf Shannons Theorie fällt, hat das Pentagon geworfen: neben der offiziellen gibt es nämlich auch eine kryptographische Version von Shannons Theorie, die allerdings selber geheim gehalten wurde. Ihr ist zu entnehmen, daß sich das Maß an Information vor allem an ihrer Unzugänglichkeit ermißt.

Genau an diesem Punkt (der hidden information) knüpft die Komplexitätstheorie der modernen Informatik an, auch wenn sie in allen anderen Hinsichten Shannon gerade zuwiderläuft. "Logische Tiefe" (Bennett) scheint der aktuelle Begriff zu sein, der die klassisch-romantischen Mythen von Autorschaft und Urheberrecht unter hochtechnischen Bedingungen, d.h. in aller Härte, reinstalliert. Diese Tiefe sowohl der Hardware wie der Software, ohne die es digitale Information und Kommunikation nicht gäbe, stellt sicher, daß die verbreitete These, der Übergang zur Informationsgesellschaft sei, ipso facto, schon Demokratisierung, ein notwendiger Mythos bleibt.